Kindesunterhalt bei großer Einkommensdifferenz der Eltern

betreuungsunterhalt
Barunterhalt und Betreuungsunterhalt sind nicht immer gleichwertig.

Das OLG Dresden hat mit Beschluss vom 4. Dezember 2015 (Az. 20 UF 875/15) im Anschluss an ein Urteil des BGH vom 10.07.2013 (Az. XII ZB 297/12) entschieden, dass die volle, d. h. alleinige Haftung des die Kinder betreuenden Elternteils für den Kindesunterhalt dann in Betracht kommt, wenn dieser etwa das Dreifache des nicht betreuenden Elternteils verdient, selbst wenn dieser, an sich allein barunterhaltspflichtige Elternteil, auch bei Zahlung des vollen Unterhalts, seinen angemessenen Selbstbehalt noch wahren kann.

Hintergrund der Entscheidung:

Die Eltern streiten um Kindesunterhalt. Die Mutter arbeitet als  Rechtsanwältin und verdient 15.000 € im Jahr. Der Vater lebt mit den Kindern in der Schweiz und verdient dort als Arzt 250.000 CHF pro Jahr.

Das Amtsgericht hatte die Mutter zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet, weil der Vater Betreuungsunterhalt leistet. Das OLG hat den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und den Antrag auf Unterhaltszahlung durch die Mutter zurückgewiesen. Es begründete dies wie folgt:

„Auch der betreuende Elternteil kommt als anderer unterhaltpflichtiger Verwandter in Betracht, wenn er in der Lage ist, unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen neben der Betreuung des Kindes auch dessen Barunterhalt ohne Gefährdung des eigenen angemessenen Selbstbehaltes aufzubringen.“

Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt

„Um die Regel der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB) dabei nicht ins Leere laufen zu lassen, setzt die anteilige oder vollständige Haftung des betreuenden Elternteils für den Barunterhalt des minderjährigen Kindes nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zusätzlich voraus, dass ohne die Beteiligung des betreuenden Elternteils am Barunterhalt ein erhebliches finanzielles Ungleichgewicht zwischen den Eltern entstehen würde. Kann der barunterhaltspflichtige Elternteil auch bei Zahlung des vollen Kinderunterhalts seinen angemessenen Selbstbehalt noch verteidigen, wird eine vollständige Haftung des betreuenden Elternteils für die Aufbringung des Barunterhalts nur in wenigen, besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommen (BGH, Urteil vom 10.07.2013, XII ZB 297/12). Wenn der betreuende Elternteil etwa über das Dreifache der unterhaltsrelevanten Nettoeinkünfte des an sich barunterhaltspflichtigen Elternteils verfügt, nähert sich die Einkommensdifferenz einer Grenze, an der es unter gewöhnlichen Umständen der Billigkeit entsprechen kann, den betreuenden Elternteil auch den Barunterhalt für das Kind in voller Höhe aufbringen zu lassen. Unterhalb dieser Schwelle wird auch bei einer erheblichen Einkommensdifferenz eine vollständige Enthaftung des an sich barunterhaltspflichtigen Elternteils häufig ausscheiden (BGH a.a.O. Rdn. 29 f.).

DAS OLG hat einen Abschlag in Höhe von 33 Prozent vom Einkommen des Vaters vorgenommen, weil die Lebenshaltungskosten in der Schweiz deutlich höher sind als in Deutschland. Nur dann seien die Einkommen vergleichbar.  Danach liege das Einkommen des Vaters im Vergleich zum Einkommen der Mutter deutlich über dem Dreifachen, so dass das OLG es für angemessen hielt, diesen den Barunterhalt allein tragen zu lassen.

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