Scheidung in der Türkei
Das Türkische Zivilgesetzbuch regelt die Zerrüttung als allgemeinen Scheidungsgrund.
Im Rahmen des Art. 166 des Türkischen Zivilgesetzbuches wird in drei Fällen von einer Zerrüttung der Ehe ausgegangen, woraufhin eine Ehe geschieden werden kann. Wenn den Ehegatten die Fortsetzung des gemeinsamen Lebens nicht zugemutet werden kann; wenn die Eheleute sich vor dem Richter für die Scheidung einigen oder wenn die Eheleute 3 Jahre nach der Ablehnung einer Scheidungsklage nicht wieder zusammen kommen, liegt Zerrüttung vor.
Im Folgenden gehen wir auf die drei einzelnen Zerrüttungstatbestände ein, um über den von einem türkischen Scheidungsanwalt in der Türkei meist angewandten Scheidungsgrund einen Überblick zu vermitteln.
1. Scheidung wegen Zerrüttung (Art. 166 I Türkisches Zivilgesetzbuch)
Wenn eine Ehe zerrüttet ist, kann die Ehe geschieden werden. Für die Annahme des Zerrüttungstatbestandes muss die Ehe vor allem in ihrem Fundament zerrüttet sein. Das allein reicht aber nicht aus, die Scheidung auszusprechen. Es muss die eheliche Gemeinschaft in ihrem Fundament so zerrüttet sein, dass den Ehegatten die Fortsetzung des gemeinsamen Lebens nicht mehr zugemutet werden kann. Wenn der Beklagte Widerspruch erhebt und nachweist, dass er weniger Schuld an der Zerrüttung hat, wird der Scheidungsantrag abgelehnt.
Für die Annahme der Zerrüttung der Ehe in ihrem Fundament ist erforderlich, dass zwischen den Eheleuten grundlegende Meinungsunterschiede bestehen. Es ist möglich, dass manchmal eine Zerrüttung der Ehe in ihrem Fundament auch vorkommt, ohne dass ein Ehepartner daran schuld ist. Auch in diesem Fall kann die Ehe geschieden werden, weil der Beklagte nicht nachweisen kann, dass er weniger und die Gegenseite mehr Schuld an der Zerrüttung hat.
Im türkischen Scheidungsrecht besteht Zerrüttung aus folgenden zwei Bestandteilen:
1. Schwerwiegende Störung der ehelichen Verhältnisse (objektiv)
Nach diesem Kriterium begründen kleine alltägliche Streitigkeiten und Konflikte zwischen den Ehepartnern keine Zerrüttung. Für die Annahme der Zerrüttung muss eine Dauerhaftigkeit der schweren Konflikte erreicht worden sein und die positive Einstellung beider Ehegatten oder eines Ehegatten zur Ehe und zu seinen ehelichen oder familiären Verpflichtungen grundsätzlich in Frage gestellt worden sein.
2. Unerträglichkeit der Ehe (subektiv)
Mindestens für einen Ehepartner muss die Störung der ehelichen Lebensverhältnisse unerträglich sein.
Der Richter hat im Rahmen seines Ermessenspielraums zu entscheiden, ob Zerrüttung eingetreten ist. Dass die Ehe mindestens für eine Partei in ihrem Fundament zerrüttet ist und die Fortführung des gemeinsamen Ehelebens nicht erwartet werden kann, ist vom Richter zu einzuschätzen.
Der Scheidungsantrag ist abzulehnen, wenn der Beklagte Widerspruch mit dem Argument erhoben hat, dass der Kläger mehr Schuld an der Zerrüttung der Ehe in ihrem Fundament hat (Art. 166 II Türkisches Zivilgesetzbuch). Gemäß der Rechtsprechung des OLG Hamm muss dem widersprechenden Teil zumindest ein geringes Verschulden an der Zerrüttung der Ehe angelastet werden können (OLG Hamm FamRZ 2000, 1577), damit die Ehe doch geschieden werden kann.
Jedoch ist dieser Einspruch nicht mehr zu berücksichtigen, wenn die Fortführung der Ehe für die andere Partei und Kinder keinen Nutzen mehr hat (Art. 166 II Türkisches Zivilgesetzbuch). Denn der Scheidungswiderspruch stellt dann einen Rechtsmissbrauch dar. Ein Scheidungswiderspruch wird allerdings nur ausnahmsweise je nach Einzelfall als Rechtsmissbrauch betrachtet. In diesem Sinne wird von einem rechtsmißbräuchlichen Widerspruch ausgegangen, wenn das Verschulden der Beklagten am Scheitern der Ehe überwiegt. Wenn der Gegner dem Scheidungsantrag nur mit dem Ziel widerspricht, dass der Antragsteller an der formalen Ehe festgehalten wird, handelt es sich um einen Rechtsmissbrauch.
In der Praxis des türkischen Scheidungsanwalts wird eine Scheidungsklage in der Regel wegen Zerrüttung erhoben. Die Scheidungsklagen aus anderen Gründen stellen in der türkischen Scheidungsrechtspraxis eine Ausnahme dar.
Der Originaltext des Art. 166 I des Türkischen Zivilgesetzbuches:
Madde 166 I.- Evlilik birligi, ortak hayati sürdürmeleri kendilerinden beklenmeyecek derecede temelinden sarsilmis olursa, eslerden her biri bosanma davasi açabilir.
Yukaridaki fikrada belirtilen hâllerde, davacinin kusuru daha agir ise, davalinin açilan davaya itiraz hakki vardir. Bununla beraber bu itiraz, hakkin kötüye kullanilmasi niteliginde ise ve evlilik birliginin devaminda davali ve çocuklar bakimindan korunmaya deger bir yarar kalmamissa bosanmaya karar verilebilir.
2. Einverständliche / einvernehmliche Scheidung (Art. 166 III Türkisches Zivilgesetzbuch)
Im türkischen Scheidungsrecht wird die Möglichkeit der einverständlichen Scheidung (Art. 166 Türkisches Zivilgesetzbuch) vorgesehen. Das türkische Zivilgesetzbuch betrachtet die einvernehmliche Scheidung als eine Erscheinung der Zerrüttung. Hier gilt die Vermutung, dass eine Ehe in ihrem Fundament zerrüttet ist, wenn die Eheleute über die Scheidung einig sind. Allerdings ist die einverständliche Scheidung nur bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen möglich.
1. Die Ehe muss mindestens ein Jahr gedauert haben.
2. Die Ehepartner müssen den Scheidungsantrag zusammen stellen oder eine Partei muss dem Antrag der Gegenseite zustimmen.
3. Beide Parteien müssen vom Richter gehört werden (deshalb müssen beide vor dem Gericht persönlich erscheinen).
4. Der Richter muss davon überzeugt sein, dass beide Parteien ihre Meinungen frei gebildet haben.
5. Die Parteien müssen über die finanziellen Folgen der Scheidung (Unterhalt, Zugewinnausgleich etc…) und über das Statut der Kinder einig sein. Diese Vereinbarung muss noch vom Richter genehmigt werden.
Die einvernehmliche Scheidung ist von großer Bedeutung in der Praxis des türkischen Scheidungsrechts, wenn beide Eheleute geschieden werden wollen. Die größte Hürde in diesem Fall für den Anwalt ist es, dass die Eheleute persönlich vor Gericht erscheinen müssen. Wenn es aus irgendwelchen Gründen nicht einfach ist, beide Seiten vor Gericht zu bringen, ist es sinnvoll, die Scheidung wegen Zerrüttung zu erzielen.
Der Originaltext des Art. 166 III des Türkischen Zivilgesetzbuches:
Madde 166 III. - Evlilik en az bir yil sürmüs ise, eslerin birlikte basvurmasi ya da bir esin digerinin davasini kabul etmesi hâlinde, evlilik birligi temelinden sarsilmis sayilir. Bu hâlde bosanma karari verilebilmesi için, hâkimin taraflari bizzat dinleyerek iradelerinin serbestçe açiklandigina kanaat getirmesi ve bosanmanin malî sonuçlari ile çocuklarin durumu hususunda taraflarca kabul edilecek düzenlemeyi uygun bulmasi sarttir. Hâkim, taraflarin ve çocuklarin menfaatlerini göz önünde tutarak bu anlasmada gerekli gördügü degisiklikleri yapabilir. Bu degisikliklerin taraflarca da kabulü hâlinde bosanmaya hükmolunur. Bu hâlde taraflarin ikrarlarinin hâkimi baglamayacagi hükmü uygulanmaz.
3. Scheidung wegen Nicht-Wiederherstellung des Zusammenlebens (Art. 166 IV Türkisches Zivilgesetzbuch)
Ein weiterer Zerrüttungstatbestand im türkischen Scheidungsrecht wird in Art. 166 IV des Türkischen Zivilgesetzbuches geregelt. Danach ist eine Ehe in ihrem Fundament zerrüttet, wenn innerhalb von 3 Jahren nach der rechtskräftigen Ablehnung eines Scheidungsantrags das gemeinsame Eheleben nicht wieder hergestellt worden ist. In diesem Fall wird die Ehe auf Antrag einer Partei ohne weiteres geschieden.
Im Scheidungsverfahren nach 166 IV des Türkischen Zivilgesetzbuches wird ohne die Überprüfung, welches Verschulden von welcher Partei an dem Scheitern der Ehe größer ist, entschieden.
In der Praxis wird in schwierigen Fällen vorgezogen, nach Ablauf der 3-Jahres-Frist ab der Ablehnung des ersten Scheidungsantrags über Art. 166 IV des Türkischen Zivilgesetzbuches die Scheidung zu erzielen.
Verfasst von:
Dr. Fatih Dogan LL.M
Avukat