Hallo,
es gehört durchaus nicht zum Allgemeinwissen, dass man gegenüber seinen Eltern unterhaltspflichtig ist. Viele Kinder trifft es unerwartet, besonders dann, wenn sie schon lange keinen Kontakt mehr zu ihren Eltern haben. Fast völlig unbekannt ist, dass auch das Schwiegerkind (indirekt) herangezogen werden kann.
Die folgenden Beispiele mögen das verdeutlichen:
Von einem unverheirateten UHP mit einem bereinigen Einkommen von 2000 EUR können maximal 100 EUR gefordert werden.
Ist der UHP verheiratet und hat der Ehegatte (Schwiegerkind) ein z.B. ein bereinigtes von 5000 EUR, dann können maximal 591 EUR gefordert werden.
Gefühlt zahlt nun das Schwiegerkind 491 EUR für seinen Schwiegervater oder seine Schwiegermutter. Nicht selten führt das dann zu großen Spannungen in der Ehe und nicht selten zerbricht dann eine Ehe. Es nützt auch nicht viel, wenn man dan betont, dass das Geld ja vom UHP gefordert wird und nicht vom Schwiegerkind. Das Geld fehlt in der Familienkasse und hat somit auch Auswirkungen auf den Lebensstandard des Schwiegerkindes.
Selbst wenn das Kind überhaupt kein Einkommen hat, kann u.U. Unterhalt aus Taschengeld gefordert werden.
Solche Vorgehensweisen und Berechnungsmenthoden könnten verfassungswidrig sein. Bisher wurde diese Frage dem Bundesverfassungsgericht noch nicht zur Entscheidung vorgelegt. Das Bundesverfassungsgericht wird allerdings nicht von selbst tätig. Man wird deshalb auf einen Betroffenen warten müssen, der nach Ausschöpfung aller möglichen Rechtsmittel Verfassungsbeschwerde einlegt.
Es besteht kein Anwaltszwang
Das Verfahren ist kostenfrei
Man muss aber gewisse Formvorschriften beachten
Siehe hier: https://www.bundesverfassungsg…blatt/Merkblatt_node.html
Die Beschwerdefrist beträgt nur einen Monat. Das ist eine relativ kurze Zeitspanne. Deshalb sollte eine ins Auge gefasste Verfassungsbeschwerde in den Grundzügen bereits vorbereitet sein. Sie könnte je nach Fall angepasst werden.
Der folgende fiktive Fall betrifft eine Forderung aus hälftigem Taschengeld. Er könnte mit geringen Änderungen an solche Fälle angepasst werden, in denen es um Forderungen geht, in denen Berechnungsmethoden angewendet werden, wie sie in den obigen Beispielen gezeigt werden und wie sie üblich sind.
Die Frage an das Bundesverfassungsgericht lautet:
„Muss der Ehemann einer ihrer Mutter zur Zahlung von Elternunterhalt verpflichteten Tochter dieser ein Taschengeld in einer vom Träger der Sozialhilfe festgesetzten Höhe zur Verfügung stellen, obwohl ein Taschengeld in der seit 36 Jahren bestehenden Ehe nie gezahlt und von der Tochter nie eingefordert wurde?“
Sachverhalt
Die heute 60 Jahre alte Beschwerdeführerin war von 1966 bis 1974 vollzeitig beschäftigt. Nach der Geburt ihres 2. Kindes widmete sie sich in Absprache mit ihrem Ehemann der Erziehung der Kinder und führte überwiegend den Haushalt während der Ehemann das Familieneinkommen sicher stellte.
Von 1989 – 1999 war sie teilzeitbeschäftigt. 1999 wurde ihr gekündigt und sie bezog 2 Jahre lang Arbeitslosengeld. Danach war sie nicht mehr berufstätig. Sie hat also derzeit kein Einkommen.
Sie ist Miteigentümerin eines selbstbewohnten Einfamilienhauses.
Die Mutter der Beschwerdeführerin lebte von Februar 2007 bis zu ihrem Tod im November 2009 in einem Alten- und Pflegeheim in Musterdorf. Ihre Rente deckte die auflaufenden Heimkosten von 3200 € pro Monat nur zu einem geringen Teil. Es entstand ein monatlicher Fehlbedarf von ca. 1000 €, den der zuständige Träger der Sozialhilfe übernahm und gegenüber der Beschwerdeführerin einklagte.
Das OLG Y - als das zuständige Berufungsgericht - stellte eine Zahlungsverpflichtung der Beschwerdeführerin in Höhe von 100 € aus hälftigem Taschengeld fest und verurteilte sie zur Zahlung dieses Betrags. Eine Revision wurde nicht zugelassen.
Zur Verfassungsbeschwerde
Mit der Beschwerde zum BverfG rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 1 des GG, Art. 2 des GG und Art. 6 des GG.
Die Feststellung des OLG YYY, die Beschwerdeführerin sei aus Taschengeld zu einer Zahlung an den SHT BBB in Höhe von 100 € verpflichtet
verletzt die Beschwerdeführerin
in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit (Art 2 GG)
in ihrer Würde (Art 1, GG)
und gefährdet ihre Ehe (Art 6 GG)
Einschränkungen dieser Grundrechte ergeben sich für die Beschwerdeführerin insofern, als ...
...dem ergangenen Urteil zu Grunde liegt, es würde ein Taschengeld in Höhe von 200 € real gezahlt. Tatsächlich wurde in der seit 36 bestehenden Ehe nie ein fester Betrag als Taschengeld gezahlt oder gefordert. Taschengeld zur freien Verfügung des einen oder anderen Ehepartners ergab sich immer nach jeweiligem Bedürfnis und in vertrauensvoller gegenseitiger Absprache, wie es wohl in der Mehrzahl aller Ehen der Fall ist, eine Summe von 200 € wurde jedoch im Durchschnitt weder von der Beschwerdeführerin noch von ihrem Ehemann jemals in Anspruch genommen. Das eine staatliche Stelle oder ein Gericht nun festsetzt, es bestünde ein Taschengeldanspruch eines Ehepartners gegen den anderen in Höhe von 5%, 6% oder 7% ist eine willkürliche Festsetzung, die durch kein Gesetz untermauert wird und die Beschwerdeführerin bzw. ihren Ehegatten in ihrer Handlungsfreiheit drastisch beschränkt.
...nach dem ergangenen Urteil die Beschwerdeführerin Zahlungen erbringen soll, die sie aus eigenem Einkommen gar nicht erbringen kann. Sie müsste ihren Ehegatten auf Zahlung des vom Gericht festgesetzten Betrags verklagen. Das würde sie in ihrer Würde verletzen und ihre Ehe gefährden.
Es ist zu fragen, ob Grundrechte eines Bürgers verletzt werden, ...
- wenn er zur Zahlung von Unterhalt verurteilt wird, obgleich - ohne eigenes Verschulden - eine eigene Leistungsfähigkeit mangels eigenen Einkommens nicht besteht;
- wenn er in seiner Handlungsfreiheit eingeschränkt wird, indem ihm durch eine staatliche Stelle auferlegt wird, vom Ehepartner Taschengeld in einer von dieser Stelle bestimmten Höhe zu fordern, obwohl der dies gar nicht möchte;
- ob er in seiner Würde verletzt wird, wenn ihm von Dritten auferlegt wird, von seinem Ehepartner Taschengeld in einer von Dritten festgelegten Höhe zu fordern, obwohl er dies selbst für die Befriedigung eigener Bedürfnisse gar nicht möchte und
- ob diese Forderung gegenüber dem Ehepartner nicht geeignet wäre, die bis dahin intakte Ehe zu gefährden.
Wenn eigene Leistungsfähigkeit jedoch mangels eigenen Einkommens nicht besteht, könnte die Forderung nach Unterhalt nur befriedigt werden, wenn der Ehemann der Beschwerdeführerin den geforderten Betrag explizit zur Befriedigung dieser Forderung zur Verfügung stellen würde. Wieso aber sollte er dies tun. Der Ehemann ist mit der Mutter der Beschwerdeführerin nicht verwandt und dieser nicht zu Elternunterhalt verpflichtet.
Schon das OLG Frankfurt kommt zu dem Schluss
Der Beklagte ist allerdings nicht verpflichtet, aus seiner Teilhabe am Einkommen und Vermögen seiner Ehefrau, den Unterhalt für seine Mutter zu bestreiten. Es ist anerkannt, dass ein Ehegatte nicht verpflichtet ist, seinem Ehepartner Geldmittel zur Verfügung zu stellen, damit dieser leistungsfähig zur Zahlung von Elternunterhalt wird (vgl. nur OLG Frankfurt, FamRZ 2000, 1391 m. w. N.).
Die bisherige Rechtsprechung geht von einem Taschengeldanspruch eines Ehegatten von 5% - 7% aus. Dafür gibt es jedoch keine gesetzliche Regelung.
Selbst aus dem BGB lässt sich eine derartige Verpflichtung nicht ableiten:
§ 1360 Verpflichtung zum Familienunterhalt.
Die Ehegatten sind einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten.
Der Begriff Familie erstreckt sich nicht auf die Verwandtschaft des Ehepartners. Diese Formulierung bezieht sich auf die Familie im engeren Sinne. Was angemessen ist kann nur von den Ehepartnern selbst definiert werden. Was jahrelang innerhalb der Familie als angemessen angesehen wurde, kann weder von der Mutter der Unterhaltspflichten, noch von einem Sozialhilfeträger neu definiert werden, nur weil Unterhalt gefordert wird.
Ein Ehegatte kann Unterhalt vom jeweils anderen verlangen. Er muss es aber nicht. Warum soll der Unterhaltsberechtigte oder ein Sozialhilfeträger vom Schwiegerkind verlangen können, dass dieser seine Ehefrau über das gewohnte Maß hinaus unterhält? Das lässt sich aus § 1360 BGB nicht ableiten.
Auch aus §1360a des BGB kann man einen Taschengeldanspruch in einer von außen vorgegebenen Höhe nicht ableiten.
§ 1360a
Umfang der Unterhaltspflicht.
(1) Der angemessene Unterhalt der Familie umfasst alles, was nach den Verhältnissen der Ehegatten erforderlich ist, um die Kosten des Haushalts zu bestreiten und die persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten und den Lebensbedarf der gemeinsamen unterhaltsberechtigten Kinder zu befriedigen.
(2) Der Unterhalt ist in der Weise zu leisten, die durch die eheliche Lebensgemeinschaft geboten ist. Die Ehegatten sind einander verpflichtet, die zum gemeinsamen Unterhalt der Familie erforderlichen Mittel für einen angemessenen Zeitraum im Voraus zur Verfügung zu stellen.
Ein Taschengeldanspruch in Höhe dieser 5% - 7% des Familieneinkommens mag in Einzelfällen begründet sein, wenn ein Ehepartner ihn vom anderen für die Verwirklichung eigener Bedürfnisse fordert. Wenn das aber in einer seit 36 Jahren bestehenden Ehe nie geschah und auch jetzt nicht geschieht, sondern diese Forderung von außerhalb dieser Ehe Stehenden erhoben wird, beschränkt es die nach Art2 GG garantierte Handlungsfreiheit der Ehepartner, greift in die nach Art 6 GG geschützte Privatsphäre einer Ehe ein und verletzt die nach Art 1 GG garantierte Würde der Ehepartner.
Gruß
awi