Vater Pflegeheim, Mutter Grundsicherung?

  • Guten Tag,

    in naher Zukunft wird wohl auch uns das Thema Elternunterhalt betreffen. Mein Vater wird bald ins Pflegeheim kommen. Seine Rente reicht fast aus, die Pflegeheimkosten zu decken. Für den Rest und das Taschengeld wollte ich aufkommen, da klar ist, dass ich aufgrund des Einkommens meines Mannes UP waere.

    Meine (Stief-) Mutter wird mit der Rente nicht hinkommen. Bislang ging ich davon aus, dass sie Grundsicherung erhalten kann. Mein Einkommen ist weit unter 100000 €, so dass ich hier für nicht herangezogen werden dürfte.

    Mein heutiges Telefonat mit dem Sozialamt lässt mich daran nun zweifeln. Danach müsste mein Vater Unterhalt an meine Mutter zahlen, die dadurch wahrscheinlich keine Grundsicherung erhält. Dadurch aber reicht seine Rente bei weitem nicht mehr für das Pflegeheim. Er würde dann Hilfe zur Pflege beim Sozialamt beantragen müssen.


    Das irritiert mich. Ich bin davon ausgegangen, dass mein Vater vor einer Unterhaltspflicht gegenüber der Ehefrau erst einmal für sich selbst sorgen muss, „Eigenbedarfssicherung“.


    So aber befürchte ich, dass das Sozialamt nun an mich herantritt und ich nicht nur wie geplant die Differenz zwischen Rente meines Vaters und Pflegeheim zahle, sondern indirekt auch den Ehegattenunterhalt, da mein Vater dadurch ja wesentlich weniger zum Pflegeplatz zuzahlen kann. Letzendlich zahle ich dadurch auch für meine Stiefmutter, für die ich eigentlich doch gar nicht UP bin.


    Ist das tatsächlich so?

    Macht es Sinn dann doch gleich Antrag auf Hilfe zur Pflege beim Sozialamt zu stellen statt zu versuchen, das Pflegeheim aus Rente und meinem Zuschuss zu finanzieren?


    Wie passt die Aussage des Sozialamtes zum BGH Urteil aus 2004?

    https://lexetius.com/2004,1618

    Ist das inzwischen überholt?


    Kann jemand helfen und kennt sich damit aus?


    Danke :)

  • Hallo Isabel,


    willkommen im Forum.

    Das irritiert mich. Ich bin davon ausgegangen, dass mein Vater vor einer Unterhaltspflicht gegenüber der Ehefrau erst einmal für sich selbst sorgen muss, „Eigenbedarfssicherung“.


    Das ist völlig richtig. Das zeigt wieder einmal, dass manche Sachbearbeiter bei Sozialämtern keine Ahnung haben.


    Das ergibt sich schon aus

    § 1603 BGB
    Leistungsfähigkeit

    (1) Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.


    Für die Stiefmutter müsstest du nie Unterhalt leisten, ganz egal wie hoch dein Einkommen wäre. Du bist mit ihr nicht in gerader Linie verwandt.



    Gruß

    awi

  • Für die Stiefmutter müsstest du nie Unterhalt leisten, ganz egal wie hoch dein Einkommen wäre. Du bist mit ihr nicht in gerader Linie verwandt.

    Vergiss diesen Satz. Da habe ich nicht zu ende gelesen. Das hast du ja selbst geschrieben.

  • Wie verhalte ich mich nun aber richtig: wie geplant Pflegeheimkosten selber regeln, ohne Sozialamt, für Mutter Grundsicherung beantragen? Wie verhindere ich, dass das SA daraus wie angekündigt einen „Kostenbeitragsfall“ draus macht? Und doch Rente meines Vaters als Unterhalt meiner Mutter zurechnet? Und auf uns zukommt fuer nun fehlende Pflegeheimkosten?

    Kann ich die Einkommensangaben gegenüber dem Sozialamt ablehnen mit Bezug auf BGB 1603? Und Hinweis, dass ich für die Differerenz bzw. Taschengeld aufkomme? Eventuell noch Hinweis, keine Unterhaltspflicht gegenüber Stiefmutter?

  • Bei verheirateten Antragsstellern wird grundsätzlich eine Kostenbeitragsberechnung durchgeführt. Wenn jedoch dein Vater eine zu geringes Einkommen hat oder dies in einem Pflegeheim für sich selbst benötigt, wird die Kostenbeitragsrechnung eben negativ ausfallen. Kommt deine Stiefmutter vor deinem Vater ins Heim kann bei Leistungsfähigkeit deines Vaters zunächst ein Kostenbeitrag erhoben werden.

    Geht dein Vater im Anschluss ins Heim, wird er sein Einkommen wieder vollständig für sich einsetzen müssen. Der Einkommenseinsatz durch den Kostenbeitrag entfällt dann und deine Stiefmutter müsste mehr Sozialhilfe erhalten. Dies ist ein Punkt den du im Auge behalten solltest, denn je weniger Sozialhilfe dein Vater in Anspruch nimmt, desto besser für dich.


    Die Pflicht zur Auskunftserteilung deines Vaters wirst du nicht verhindern können. Deine Stiefmutter hat nur einen Anspruch auf Leistungen der Hilfe zur Pflege, wenn es deinem Vater nicht zugemutet werden kann die benötigten Mittel aus Einkommen und Vermögen selbst aufzubringen (§61 SGB XII). Daher die Kostenbeitragsrechnung. Und ohne durchgeführte Kostenbeitragsrechnung dürfte es eigentlich keinen positive Sozialhilfebescheid für deine Stiefmutter geben.


    Du bist nur unterhaltspflichtig gegenüber deinem Vater. Wenn du die offenen Heimkosten in Höhe der Sozialhilfe komplett übernimmst, wird das Sozialamt auf eine Unterhaltsprüfung verzichten.

  • Wie verhalte ich mich nun aber richtig: wie geplant Pflegeheimkosten selber regeln, ohne Sozialamt, für Mutter Grundsicherung beantragen?

    Wenn du sicher bist, dass du in voller Höhe des ungedeckten Betrags leistungsfähig bist, dann braucht das SA doch gar nicht eingeschaltet zu werden. Du regelst das mit dem Heim selbst und beantragst im Auftrag und mit Vollmacht der (Stief)Mutter Grundsicherung.



    Wie verhindere ich, dass das SA daraus wie angekündigt einen „Kostenbeitragsfall“ draus macht? Und doch Rente meines Vaters als Unterhalt meiner Mutter zurechnet? Und auf uns zukommt fuer nun fehlende Pflegeheimkosten?


    Verhindern kannst du das vielleicht, indem du das Sozialamt auf


    § 1602 BGB

    Bedürftigkeit

    (1) Unterhaltsberechtigt ist nur, wer außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.


    und


    § 1603 BGB

    Leistungsfähigkeit

    (1) Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.


    und das von dir genannte Urteil des BGH hin weist. Auch der BGH nimmt Bezug auf diese §§.


    Kann ich die Einkommensangaben gegenüber dem Sozialamt ablehnen mit Bezug auf BGB 1603?

    Wieso Einkommensangaben?


    Wenn dein Vater keine Sozialhilfe bezieht, ist das SA doch in Bezug auf den Vater gar nicht involviert.


    In Bezug auf die (Stief)Mutter wäre es involviert, aber ihr gegenüber bist du nicht unterhaltspflichtig.

    Es könnte sein, dass dein Vater ein entsprechendes Schreiben vom SA erhält und Auskunft geben muss.

    Er könnte sich auf § 1602 BGB und § 1603 BGB beziehen.



    Hat dein Vater bzw. die Mutter Vermögen?

  • Danke für die ausführlichen und hilfreichen Antworten!

    So sah ich den Sachverhalt auch und argumentierte gegenüber derFrau vom Sozialamt auch so. Sie sah das anders. Nun ja, vielleicht Unwissenheit oder aber auch derVersuch, Moeglichkeit wenig aus Steuermitteln zahlen zu müssen.


    Vermögen ist nicht vorhanden, zumindest fest nicht oberhalb der mir bekannten Freigrenzen (5000€/ 10000€).

  • Sie sah das anders.

    So etwas ist alltäglich.

    Die Mitarbeiter der SHTs sind keine Juristen und selbst viele Juristen kennen sich in Bezug auf Elternunterhalt nur oberflächlich aus, wenn sie nur wenig damit zu tun haben.


    Geh nicht zu deinem Fürsten, wenn du nicht gerufen wirst

    Nie beim SA persönlich vorzusprechen und nie mit dem SA telefonieren. Was da gesagt wird ist später nicht beweisbar.

  • Sollte so ein Bescheid erlassen werden, dann muss der Vater wiedersprechen, notfalls Klagen.

    Es besteht sonst die Gefahr, dass man indirekt für die "nicht Verwandte" zahlt!

    Wichtig wäre hier auch schnell zu klären, ob der Vater das selber kann oder ob es nicht Sinn macht, dies durch eine Vorsorgevollmacht abzusichern.


    LG frase

  • Hier gibt es ein Fallbeispiel + Berechnung des Ehegattenunterhalts , wenn ein Partner ins Pflegeheim kommt :

    Dieses Beispiel ist zum Vergleich mit dem oben beschriebenen Fall ungeeignet, da in diesem Beispiel das SA ja Leistungen für den Pflegebedürftigen erbringt.


    Sollte so ein Bescheid erlassen werden, dann muss der Vater wiedersprechen, notfalls Klagen.

    So schnell dürfte kein Bescheid an den Vater erlassen werden. Er ist zunächst nur indirekt betroffen und muss nur Auskunft geben.


    Ein Bescheid dürfte - wenn überhaupt - dann zunächst an die Stiefmutter gehen, die ja den Antrag auf Grundsicherung gestellt hat.


    Wenn ihr dann die volle Grundsicherung mit Hinweis auf das Einkommen und die angebliche Unterhaltspflicht des Ehemanns gekürzt werden sollte, dann muss sie innerhalb der im Bescheid angegebenen Frist (1 Monat) Widerspruch einlegen.


    Sollte dieser abgelehnt werden, dann innerhalb der Frist (1 Monat) Klage beim Sozialgericht einreichen.


    Vor dem Sozialgericht kein Anwaltszwang. Man findet im Internet Beispiele dafür, wie man eine Klage abfasst. Das Verfahren vor einem Sozialgericht ist kostenfrei.


    Man kann sich aber auch an einen Anwalt für Sozialrecht wenden. Seine Gebühren und die Gerichtskosten werden dann vom Sozialamt bezahlt.


    Gruß

    awi

  • Danke, das Beispiel hilft zwar zu verstehen, wie das Sozialamt rechnet. Allerdings “rechnet” es ja auch den Bedarf des Pflegebedürftigen hoch, was für uns höhere Zuzahlungen bedeutet würde, so telefonische Ausku ft Sozialamt. Aber nicht vereinbar mit BGH RS. Ich habe inzwischen hilfreichen Richtlinien der Hansestadt Bremen gefunden, die auf S.14 dazu eingehen. Ich hoffe damit das Sozialamt ueber zeigen zu können und wenn das nicht der Fall ist, müssen sie es von uns halt versuchen einzuklagen.

    Unterhaltsrichtlinien_01.pdf


    Nervig ist allerdings, dass wir wohl nicht drum rum kommen gegenüber dem Sozialamt unsere Einkommensverhältnisse darzustellen. Ich hatte das meinen Geschwistern und uns gerne erspart, da im

    Grunde klar ist, wer zahlen muss.

  • Danke, das Beispiel hilft zwar zu verstehen, wie das Sozialamt rechnet.


    M.E. ist dieses Beispiel nicht vergleichbar mit deinem Fall. In diesem Beispiel leistet das SA an den Pflegebedürftigen.

    In deinem Fall soll das SA doch gar nicht eingeschaltet werden. So habe ich es verstanden.

    Und da es für den Vater nicht leistet, muss du auch keine Auskunft geben.

  • Das wäre der Idealfall.

    Ich befürchte nur, dass in dem Moment, wenn wir Grundsicherung für meine Mutter beantragen, das Sozialamt von sich aus umstellt. Ich habe mir das Formular zur Beantragung von GS besorgt. Auch da ist Einkommen Ehemann und “Wohnort” anzugeben. Ich denke, dass dann gleich auf “Hilfe zur Pflege” umgestellt wird. Und als “getrennt lebend” sehe ich nach der aktuellen RS keine Chance.

    Solange Unterhalts rechtlich mein Vater seine Tente erst mal nur fuer sich einsetzen muss, soll es mir dann auch egal sein, wie das SA rechnet. Meine Mutter haette so sogar mehr als mit Grundsicherung.


    Interessant waere noch zu wissen, ob wir auf den ganzen Fragekram verzichten koennen, wenn wir uns bereit erklären entsprechend Berechnung des BGH Urteils vom 7.7.2004 fuer meinen Vater aufzukommen. Hat damit jemand Erfahrung?


    Achso, Vorsorgevollmacht, ausgestellt vor drei Jahren, habe ich. Aber nicht notariell beglaubigt. Reicht hoffentlich trotzdem?

  • Achso, Vorsorgevollmacht, ausgestellt vor drei Jahren, habe ich. Aber nicht notariell beglaubigt. Reicht hoffentlich trotzdem?

    Hat bei mir jedenfalls gereicht (offizielles Formular der Senatsverwaltung für Justitz und Verbraucherschutz Berlin),

    ich habe so seit über 5 Jaher alle Anträge gestellt und die Post läuft auch über mich. Gab auch bei allen anderen Dingen (MDK Begutachtung, Heimvertrag, Wohnungskündigung, Bankangelegenheiten usw.) keine Probleme.

    Du brauchst die Vollmacht aber für jede Person extra (Vater und Mutter)

    Achte darauf, das du immer mit dem Zusatz im Auftrag oder als Bevollmächtigter alle Dokumente unterschreibest.

    Sonst bist du der Vertragspartner und das kann schon beim Heimvertrag zu Problemen führen, wenn da was mit den Geldstömen nicht klappt.


    LG frase