Schonvermögen des Unterhaltsbrechtigten (Heimbewohner)

  • Ein Sozialhilfeempfänger im Heim hat ein Geld-Vermögen in Höhe von ca. 5000 € (sozialhilferechtliches Schonvermögen) und einen Bestattungsvorsorgevertrag inkl. Grabkosten von ca. 6000 €. Der Unterhaltspflichtige hält dieses Vermögen für viel zu hoch und ist der Meinung, der Heimbewohner hat einen Teil davon für Unterhaltszwecke einzusetzen.

    aus Urteil des BGH vom 17.12.2003, AZ: XII ZR 224/00

    "Der Unterhaltsbedürftigkeit steht nicht entgegen, daß die Mutter nochüber Vermögen in Höhe von 4.500 DM verfügt, von dessen Verwertung dieGewährung von Sozialhilfe nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG in Verbindung mit § 1
    - 8 -Abs. 1 Nr. 1 b der hierzu ergangenen Durchführungsverordnung vom 11. Febru-ar 1988 in der Fassung der Verordnung vom 23. Oktober 1991 nicht abhängiggemacht werden darf. Zwar ist ein - nicht minderjähriger - Unterhaltsberechtig-ter im Verhältnis zu dem Unterhaltspflichtigen grundsätzlich gehalten, vorhan-denes Vermögen zu verwerten, soweit ihm dies - auch unter Wirtschaftlich-keitsgesichtspunkten - zumutbar ist. Das schließt es indessen nicht aus, demUnterhaltsberechtigten eine gewisse Vermögensreserve als sogenannten Not-groschen für Fälle plötzlich auftretenden (Sonder-)Bedarfs zu belassen (vgl.Senatsurteil vom 5. November 1997 - XII ZR 20/96 - FamRZ 1998, 367, 369 fürein volljähriges Kind; BGH, Urteil vom 5. Dezember 1956 - IV ZR 215/56 -FamRZ 1957, 120 für einen 74 Jahre alten Vater, der Elternrente nach § 17Abs. 1 Nr. 5 BEG beantragt hatte). Zu einer anderen Beurteilung besteht auchim Rahmen der Inanspruchnahme auf Zahlung von Elternunterhalt kein Anlaß(anderer Ansicht OLG Köln FamRZ 2001, 437). Auch betagte, in einem Heimlebende Eltern können - ebenso wie andere ältere Menschen - noch Notfallre-serven benötigen, deren Auflösung ihnen deshalb nicht angesonnen werdenkann (vgl. etwa Paletta FamRZ 2001, 1639 f. der darauf hinweist, daß die Ka-pitalreserve in der Regel jedenfalls dazu dienen soll, die Beerdigungskosten zubestreiten). Was die Höhe des sogenannten Notgroschens anbelangt, schließtsich der Senat der im Schrifttum wohl herrschenden Meinung an, nach der re-gelmäßig zumindest der Schonbetrag nach § 88 Abs. 1 Nr. 1 BSHG in Verbin-dung mit der Durchführungsverordnung anzusetzen ist "


    In der Durchführungsverordnung zu § 90 SGB XII steht auch folgender Satz:

    "Der nach § 1 maßgebende Betrag kann angemessen herabgesetzt werden, wenn die Voraussetzungen der §§103 oder 94 des Gesetzes vorliegen."

    Was wäre aus eurer Sicht in dem geschilderten Fall ein gerechtfertigtes Schonvermögen bzw. was wäre einzusetzen aus unterhaltsrechtlicher Sicht?


    Danke für eure Meinung

  • Hallo Unikat,


    schön, dass es dich noch gibt und dass du dieses Forum gefunden hast.

    Der Unterhaltspflichtige hält dieses Vermögen für viel zu hoch und ist der Meinung, der Heimbewohner hat einen Teil davon für Unterhaltszwecke einzusetzen.

    Das ein SHT eine solche Forderung stellt ist für mich nachvollziehbar. Das habe ich bei meiner Schwiegermutter selbst erlebt. Ihr Bestattungsvorsorgevertrag wurde in voller Höhe angerechnet. Welches Interesse könnte aber ein UHP haben? Er hätte ja bei vorzeitiger Auflösung des Bestattungsvorsorgevertrags später wahrscheinlich die Bestattungskosten zu tragen. Was würde er gewinnen?


    Was wäre aus eurer Sicht in dem geschilderten Fall ein gerechtfertigtes Schonvermögen bzw. was wäre einzusetzen aus unterhaltsrechtlicher Sicht?

    Ein Jurist würde hier sagen: „Es kommt darauf an.“


    Grundsätzlich ist auch ein Bestattungsvorsorgevertrag einzusetzenden Vermögen, allerdings gibt es Urteile wie diese


    Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Dezember, BVerwG 5 C 84.02


    Zitat

    1. Eine angemessene finanzielle Vorsorge für den Todesfall - hier: Leistungen auf einen Grabpflegevertrag - ist nach § 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG zu verschonen.

    2. Einem Sozialhilfeempfänger, dem nach dem geschlossenen Grabpflegevertrag ein Kündigungsrecht zusteht, kann eine Kündigung nur insoweit abverlangt werden, als eine angemessene Grabpflege erhalten bleibt und ein Teil der (vorausgeleisteten) Vergütung zurückerlangt werden kann.


    Urteil des Bundessozialgerichts vom 18.03.2008 - B 8/9b SO 9/06 R


    Zitat

    Vermögen aus einem angemessenen Bestattungsvorsorgevertrag ist bei der Gewährung von Sozialhilfe nicht zu berücksichtigen; seine Verwertung stellt eine Härte dar, es sei denn, durch den Abschluss des Bestattungsvorsorgevertrags wurde das Vermögen in der Absicht gemindert, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung der Leistung herbeizuführen.


    Die erstinstanzliche Rechtsprechung ist nicht einheitlich.


    Das Sozialgericht Detmold hat in einem Urteil vom 30.07.2010 ca. 7.000,00 €, das Sozialgericht Karlsruhe in einem Urteil vom 29.10.2009 ca. 8.000,00 € für ein Ehepaar als angemessen erachtet. Das Sozialgericht Dortmund hat in einem Urteil vom 13.02.2009 einen Betrag in Höhe von 8.000,00 € für eine einzelne Person als unangemessen betrachtet.


    Allerdings haben Verwaltungsgerichte und Sozialgerichte nichts mit einer unterhaltsrechtlichen Bewertung zu tun.


    Urteile von AG, OLG oder des BGH mit einer unterhaltsrechtlichen Bewertung zu ähnlichen Fällen kenne ich nicht, aber wie schon oben geschrieben gibt das für mich auch wenig Sinn, denn in der Regel haben bedürftige Heimbewohner nichts zu vererben und dann sind am Ende doch die Kinder dran, die die Bestattung bezahlen müssen.



    Gruß

    awi

  • Hallo awi, seid längerer Zeit beobachte ich hier das Forum und deine Beiträge.

    Kompliment, wie immer konstruktiv und auf den Punkt kommend :) ich bewundere ehrlich deine Geduld, die hatte und habe ich so nicht. ^^

    die sozialhilferechtliche Seite des Schonvermögens ist mir in allen Einzelheiten bekannt, die Frage ist nur, was bedeutet dies unterhaltsrechtlich?

    Bei meinem privaten Beratungsfall wird Unterhalt aus Hilfe zur Pflege gefordert, dies ist in Höhe von 250 € berechtigt, da die Investitionskosten durch das Pflegewohngeld (NRW) abgedeckt werden. Der Unterhaltspflichtige ist in Höhe von ca. 500 € leistungsfähig, alles ausgereizt. Die RWA kam vor 2 Monaten, der einzige Ansatzpunkt war für mich das Schonvermögen.

    Der BGH hat in dem von mir genannten Urteil das Schonvermögen auf 2600 € begrenzt, gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dies sollte die Bestattungskosten abdecken.

    Das Bestreiten des sozialhilferechtlichen Schonvermögens in Höhe von 11.000 € würde bei Akzeptanz der Bestattungskosten in Höhe von 6.000 € bedeuten, es stünden 5.000 € für den den Unterhalt zur Verfügung = 20 Unterhaltsmonate bei 250 € Unterhalt mtl.


    Dies würde die Zeit bis zur Einführung der 100.000 € Grenze nächsten Jahres überbrücken, der Unterhaltspflichtige hätten bis dahin keinen Unterhalt zu zahlen, und da er unter der Grenze liegt, auch darüber hinaus nicht


    Freue mich auf gute Zusammenarbeit :)

  • Welches Interesse könnte aber ein UHP haben? Er hätte ja bei vorzeitiger Auflösung des Bestattungsvorsorgevertrags später wahrscheinlich die Bestattungskosten zu tragen. Was würde er gewinnen?

    Sozialhilferechtlich bleibt es natürlich beim Schonvermögen in der genannten Höhe von 11.000 €, also inkl. der Bestattungskosten, da kann das Sozialamt sozialhilferechtlich nicht daran rütteln. Die Bestattungskosten bleiben unberührt aus Sozialrecht, die Bestattungspflichtigen, zu dem der Unterhaltspflichtige gehört, haben dadurch keinen Nachteil

    Das ist halt der Unterschied zwischen Sozialhilferecht und Unterhaltsrecht, vom Gesetzgeber so gewollt

  • Zwischen dem Sozialhilfeempfänger und dem Sozialamt gilt ausschließlich das Sozialhilferecht, das sozialhilferechtliche Schonvermögen bleibt erhalten, kein Einsatz für Unterhalt

    Zwischen dem Unterhaltspflichtigen und dem Sozialamt gilt ausschließlich das Unterhaltsrecht, das Schonvermögen aus Sozialhilferecht kann gekürzt werden um für den Unterhalt einzusetzen, die unterhaltsrechtliche Bedürftigkeit wird dadurch vermindert, das Schonvermögen Sozialhilferecht bleibt erhalt


    die hat auch der Gesetzgeber so gesehen, s. Durchführungsverordnung zu § 90 SGB XII

    In der Durchführungsverordnung zu § 90 SGB XII steht auch folgender Satz:


    "Der nach § 1 maßgebende Betrag kann angemessen herabgesetzt werden, wenn die Voraussetzungen der §§103 oder 94 des Gesetzes vorliegen."

    § 94 ist der Übergang von Ansprüchen, die Grundlage des Elternunterhalts


    die Frage ist somit zu beantworten, was ist die Höhe des unterhaltsrechtlichen Schonvermögen des Sozialhilfeempfängers


    meine Sicht,

    wenn Bestattungsvorsorge vorhanden, dann kein weiterer Notgroschen, nur die Höhe der Bestattung

    wenn keine Bestattungsvorsorge, dann maximal 3.500 €

  • wenn Bestattungsvorsorge vorhanden, dann kein weiterer Notgroschen, nur die Höhe der Bestattung

    wenn keine Bestattungsvorsorge, dann maximal 3.500 €

    Wie kommst du auf 3500 EUR?


    Der nach § 1 maßgebende Betrag kann angemessen herabgesetzt werden

    Beachte die Wörtchen kann und angemessen.

    Ob ein Familienrichter die Durchführungsverordnung überhaupt in sein Urteil einbeziehen würde?

    Immerhin bezieht sie sich auf das SGB und nicht auf das BGB.


    Der UHP müsste ja die Zahlung mit dem Hinweis auf das Vermögen des UHB verweigern, um den SHT zu einer Klage Anlass zu geben.


    Interessant ist die Fragestellung schon,

    Würde mich auch interessieren, wie das ausgehen könnte.

    Versuch macht klug.

  • meine Sicht,

    wenn Bestattungsvorsorge vorhanden, dann kein weiterer Notgroschen, nur die Höhe der Bestattung

    wenn keine Bestattungsvorsorge, dann maximal 3.500 €

    der BGH hat in seinem Urteil Bezug genommen auf die Durchführungsverordnung, Schonvermögen 2.600 €, primär für Bestattungskosten

    der Gesetzgeber hat 2017 das Schonvermögen auf 5.000 € erhöht


    darum mein Ansatz,

    wenn Bestattungsvorge, dann soll der Unterhaltspflichtige nur diese Höhe unterhaltsrechtlich anerkennen, der Rest von 5.000 € ist dann unterhaltsrechtlich einzusetzen

    wenn keine Bestattungsvorsorge, dann Herabsetzung der 5.000 € sozialhilferechtliches Schonvermögen auf nur noch 3.500 €, freie Interpretation der Durchführungsverordnung

    das Sozialamt soll dann mal beweisen, warum ein Heimbewohner einen höheren Notgroschen benötigt, denn für den Bedarf ist der SHT beweisverpflichtet

  • Der Ausgangspunkt der Überlegungen war, der BGH billigt einen Unterhaltspflichtigen einen Notgroschen in Höhe von 10.000 € zu


    einem Sozialhilfeempfänger im Heim einen Notgroschen in Höhe von 11.000 € in dem geschilderten Fall zuzubilligen ist unangemessen


    welche Höhe angemessen ist.....?

  • Der Ausgangspunkt der Überlegungen war, der BGH billigt einen Unterhaltspflichtigen einen Notgroschen in Höhe von 10.000 € zu

    aus Urteil des BGH 07.08.2013, XII ZB 269/12



    "Der Senat hat bereits entschieden, dass der Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten nicht entgegensteht, wenn er (bezogen auf den Zeitraum 34 1996/1997) noch über ein Vermögen in Höhe von 4.500 DM verfügt, von dessen Verwertung die Gewährung von Sozialhilfe nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG (jetzt: § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII) iVm § 1 Abs. 1 Nr. 1 b der hierzu ergangenen Durchführungsverordnung vom 11. Februar 1988 in der Fassung der Verordnung vom 23. Oktober 1981 nicht abhängig gemacht werden durfte. Dem Unterhaltsberechtigten sei eine gewisse Vermögensreserve als sogenannter Notgroschen für Fälle plötzlich auftretenden (Sonder-)Bedarfs zu belassen. Was die Höhe des sogenannten Notgroschens anbelangt, hat der Senat die Meinung geteilt, nach der regelmäßig zumindest der Schonbetrag nach § 88 Abs. 1 Nr. 1 BSHG in Verbindung mit der Durchführungsverordnung zu belassen ist (Senatsurteil vom 17. Dezember 2003 - XII ZR 224/00 - FamRZ 2004, 370, 371)."


    für den Unterhaltsverpflichteten:

    "Hinsichtlich der Höhe eines Notgroschens ist aufseiten des Unterhaltspflichtigen aber grundsätzlich ein großzügigerer Maßstab als beim Unterhaltsberechtigten anzulegen, der fremde Hilfe zur Deckung seines Lebensbedarfs in Anspruch nimmt."


    "Die Höhe eines Betrages für Notfälle lässt sich nach Auffassung des 37 Senats allerdings nicht pauschal festlegen; vielmehr hängt es von den Umständen des Einzelfalls, wie den Einkommensverhältnissen und sonstigen Unterhaltsverpflichtungen, ab, in welchem Umfang hierfür Mittel zu belassen sind. Im vorliegenden Fall, in dem der alleinstehende, kinderlose Antragsgegner über ein Erwerbseinkommen unterhalb des Selbstbehalts verfügt, erscheint jedenfalls der vom Antragsteller eingeräumte Betrag von 10.000 € ausreichend."






  • Der Ausgangspunkt der Überlegungen war, der BGH billigt einen Unterhaltspflichtigen einen Notgroschen in Höhe von 10.000 € zu


    einem Sozialhilfeempfänger im Heim einen Notgroschen in Höhe von 11.000 € in dem geschilderten Fall zuzubilligen ist unangemessen


    welche Höhe angemessen ist.....?

    Grundsätzlich kann ich deine Überlegungen nachvollziehen.

    Wurde denn dem SHT diese Argumentation schon vorgelegt?

    Wenn ja, wie war die Reaktion?


    Wie schon oben geschrieben wurde 2008 der Bestattungsvorsorgevertrag meiner Schwiegermutter in Höhe von 5000 EUR vom zuständigen SHT in voller Höhe als Vermögen angerechnet und ihr nur die damals geltenden 2600 EUR Schonvermögen zugestanden. Das noch vorhandene Bankvermögen sank dann sehr schnell auf 0 EUR, so dass wir das Konto auflösten.


    Letztendlich waren wir dann ganz glücklich, denn diese 5000 EUR reichten gerade so aus, um die Bestattung zu bezahlen. Für die Grabpflege reichte es schon nicht mehr.

  • Wurde denn dem SHT diese Argumentation schon vorgelegt?

    Wenn ja, wie war die Reaktion?

    Noch nicht, da es noch andere Baustellen gibt

    Im Herbst letzten Jahres hat das Sozialamt eine Ankündigung geschickt, es prüft die Erbringung von Sozialhilfe. Im März diesen Jahres kam die Rechtswahrungsanzeige mit der Feststellung, es wird ab November 2018 Sozialhilfe geleistet. Das Sozialamt fordert Unterhalt ab 11/2018.

    Dies ist falsch, dies wurde mitgeteilt, seitdem herrscht Funkstille