wenn die 100.000 Grenze kommt ...

  • Meine Frage zielte aber auf dieses fiktive Beispiel ab: Der (potentielle) UHP liegt unter der Einkommensgrenze von 100k (unstrittig). Das Amt stellt sich aber auf den Standpunkt, es müsse trotzdem Zahlen, weil er Leistungsfähig aufgrund eines (sehr) hohen Vermögens ist. Es kommt zum Gerichtsverfahren und der Richter gibt dem Amt Recht.


    Wäre dies denkbar (weil Richterrecht)?

    nein, denn gemäß § 94 SGB XII ist der gesetzliche Übergang dann ausgeschlossen. keinerlei Unterhaltsanspruch des Sozialamts


    diese Regelung galt bisher nur bei Grundsicherung, in Zukunft bei sämtlichen Leistungen der Sozialhilfe


    aus § 94 SGB XII bei der bisherigen Grundsicherung

    ... der Übergang des Anspruchs des Leistungsberechtigten nach dem Vierten Kapitel gegenüber Eltern und Kindern ist ausgeschlossen.



    wer unter 100.000 € bei den Einkünften liegt und Vermögensmillionär ist, zahlt keinen Unterhalt

  • aus den Ausführungen von RA Hauß

    Zitat

    Um dies an einem Beispiel klar zu machen: Ein Single verdient bei einem Bruttoeinkommen von 101.000 € ca. 4.700 € netto. Ohne sonstige Schulden und Verpflichtungen bestünde unter Berücksichtigung der Altersvorsorgeaufwendungen eine unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit in Höhe von ca. 950 € monatlich. Finanziert das Kind die restlichen Monate bis Januar 2020 selbst einen unterhaltsrechtlichen Bedarf von 1.500 €, kann es die Zahlung am 1.1.2020 einstellen. Bei Auskunftserteilung in 2019 liefe die Unterhaltspflicht weiter. Nur wenn tatsächlich der Selbstbehalt von derzeit 1.800 € in die Nähe von 5.000 € angehoben würde, entfiele die Unterhaltspflicht.ich bin über diese Aussage mehr als erstaunt, denn wenn der Unterhaltspflichtige ein Bruttoeinkommen in Höhe von 101.000 € hat, so können davon noch die Werbungskosten abgezogen werden, damit liegt der Unterhaltspflichtige unter der 100.000 € Grenze, die Unterhaltspflicht entfällt ab 01.01.2020

    so ist die gesetzliche Regelung


    weiterhin:

    eine Auskunftserteilung im Jahr 2019 verlängert nicht die Unterhaltsverpflichtungin in das Jahr 2020,

    wenn das Gesetz ab 01/2020 wirksam ist, der Unterhaltspflichtige kann sich daruf berufen,

    somit entfällt die Unterhaltsverpflichtung ab 2020, sofern das Bruttoeinkommen nach Abzug der Werbungskosten unter 100.000 € liegt


    die Gesetzesgrundlage ist § 16 SGB IV in Verbindung mit § 2 EStG

  • eine Auskunftserteilung im Jahr 2019 verlängert nicht die Unterhaltsverpflichtungin in das Jahr 2020,

    wenn das Gesetz ab 01/2020 wirksam ist, der Unterhaltspflichtige kann sich daruf berufen,

    somit entfällt die Unterhaltsverpflichtung ab 2020, sofern das Bruttoeinkommen nach Abzug der Werbungskosten unter 100.000 € liegt

    diese Aussage gilt bei freiwilligen Zahlungen,

    liegt jedoch bereits ein gerichtlicher Titel vor, dann stellt sich die Frage anders


    Ausführung von RA Hauß dazu:

    Zitat

    Wenn Sie bereits Unterhalt für Ihre Eltern zahlen und Ihr Jahreseinkommen unter 100.000 € brutto liegt, können Sie diese Zahlung ab dem 1.1.2020 einstellen. Das gilt eingeschränkt auch für die Fälle, in denen die Zahlung durch ein Gericht festgelegt worden ist.dieser Empfehlung, Einstellung der Zahlung wenn bereits ein gerichtlicher Titel vorliegt, würde ich nicht folgen, denn das Sozialamt kann aus diesem Titel unverzüglich vollstrecken lassen


    meine Empfehlung daher, entweder Einreichen einer Abänderungsklage, oder mit dem Sozialamt ein entsprechendes Agreement treffen, Aussetzung der Vollstreckung

  • eine Auskunftserteilung im Jahr 2019 verlängert nicht die Unterhaltsverpflichtungin in das Jahr 2020,

    wenn das Gesetz ab 01/2020 wirksam ist, der Unterhaltspflichtige kann sich daruf berufen,

    somit entfällt die Unterhaltsverpflichtung ab 2020, sofern das Bruttoeinkommen nach Abzug der Werbungskosten unter 100.000 € liegt

    ich würde die Zahlung einstellen und dem Sozialamt eine entsprechende Mitteilung machen

  • Zitat von RA Hauß

    Zitat

    Auch abhängig Beschäftigte haben in der Regel Gestaltungsspielräume, um ihre Unterhaltspflicht zu verringern.

    wenn diese Aussage sich ausschließlich auf Leistungsfähigkeit bezieht, wie das bei den meisten Anwälten der Fall ist, dann ist dies eine sehr einseitige Betrachtungsweise, denn


    Unterhaltspflichtige können ihre Unterhaltspflicht verringern oder sogar wegfallen lassen, wenn sie sich mit Bedarf/Bedürftigkeit auseinandersetzen, dies sollte immer der 1. Schritt sein, wenn ein Sozialamt Unterhalt verlangt


    siehe hier

  • es ist jetzt zwar etwas spät dafür, aber seht ihr überhaupt keine Chance, die komplette Befreiung der Unterhaltspflicht anzustoßen?


    Der Staat hat es versäumt die Leute Vollkasko zu versichern, what the hell könnt ihr dafür.

  • es ist jetzt zwar etwas spät dafür, aber seht ihr überhaupt keine Chance, die komplette Befreiung der Unterhaltspflicht anzustoßen?


    Der Staat hat es versäumt die Leute Vollkasko zu versichern, what the hell könnt ihr dafür.


    Wenn das neue Gesetz kommt, dann wird die Situation für die nächsten Jahre in Stein gemeißelt sein, weil sich kein Politiker für nur für die Besserverdienenden die Hände schmutzig machen oder sich dem Vorwurf aussetzen wird, die Besserverdienenden zu entlasten.


    Meine Einschätzung der Situation (vorausgesetzt das Gesetz kommt): Wer knapp über der Grenze liegt sollte sich gut überlegen, ob es nicht Sinn macht sein Gehalt frühzeitig zu verringern, weil es nicht mehr geht, wenn die Situation erst mal eingetreten ist. Es sei es ist absehbar irgendwann so viel mehr zu verdienen, dass es sich auch mit Elternunterhalt noch lohnt. Natürlich muss die Situation immer individuell betrachtet werden (Wahrscheinlichkeit, dass der Fall eintritt, Vermögen der Eltern, Geschwister, etc.).

    Zusätzlich sollte man wahrscheinlich auch andere Vorkehrungen treffen (Versicherung für die Eltern abschließen, Vermögen zum Ehepartner umschichten, etc.), denn wer weiß schon, ob die Einkommensgrenze nicht in ein paar Jahren wieder abgeschafft wird, wenn der Statt dringend Geld braucht.

  • Wer knapp über der Grenze liegt sollte sich gut überlegen, ob es nicht Sinn macht sein Gehalt frühzeitig zu verringern,

    wenn beispielsweise die Gehatseinbuße höher ist als der Unterhaltsanspruch, dann macht das keinen Sinn, denn macht der Unterhaltspflichtige jeden Monat Minus,

    nicht zu vernachlässigen ist die Möglichkeit, die Unterhaltszahlungen steuerlich abzusetzen


    im übrigen sollte immer beachtet werden, eine grundlose Gehaltskürzung kann zu fiktiven Einkommen führen

  • im übrigen sollte immer beachtet werden, eine grundlose Gehaltskürzung kann zu fiktiven Einkommen führen


    Auch wenn man noch keine RWA erhalten hat und das Thema Pflege voraussichtlich erst in ein paar Jahren relevant wird?

  • Der neue § 94 SGB XII

    "Unterhaltsansprüche der Leistungsberechtigten gegenüber ihren Kindern und Eltern sind nicht zu berücksichtigen, es sei denn, deren jährliches Gesamteinkommen im Sinne des § 16 des Vierten Buches beträgt jeweils mehr als 100 000 Euro (Jahreseinkommensgrenze). Der Übergang von Ansprüchen der Leistungsberechtigten ist ausgeschlossen, sofern Unterhaltsansprüche nach Satz 1 nicht zu berücksichtigen sind. Es wird vermutet, dass das Einkommen der unterhaltsverpflichteten Personen nach Satz 1 die Jahreseinkommensgrenze nicht überschreitet. Zur Widerlegung der Vermutung nach Satz 3 kann der jeweils für die Ausführung des Gesetzes zuständige Träger von den Leistungsberechtigten Angaben verlangen, die Rückschlüsse auf die Einkommensverhältnisse der Unterhaltspflichtigen nach Satz1 zulassen. Liegen im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte für ein Überschreiten der Jahreseinkommensgrenze vor, so ist §117 anzuwenden. Die Sätze 1 bis 5 gelten nicht bei Leistungen nach dem Dritten Kapitel an minderjährige Kinder.“


    entscheidend bei der Prüfung, ob über oder unter der Grenze ist der genannte § 16 SGB IV,

    wer weitere Details wissen möchte sollte sich zugleich mit § 14 SGB IV beschäftigen:

    Arbeitsentgelt


    (1) 1Arbeitsentgelt sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. 2Arbeitsentgelt sind auch Entgeltteile, die durch Entgeltumwandlung nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 des Betriebsrentengesetzes für betriebliche Altersversorgung in den Durchführungswegen Direktzusage oder Unterstützungskasse verwendet werden, soweit sie 4 vom Hundert der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung übersteigen.

    (2) 1Ist ein Nettoarbeitsentgelt vereinbart, gelten als Arbeitsentgelt die Einnahmen des Beschäftigten einschließlich der darauf entfallenden Steuern und der seinem gesetzlichen Anteil entsprechenden Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung. 2Sind bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung nicht gezahlt worden, gilt ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart.

    (3) Wird ein Haushaltsscheck (§ 28a Absatz 7) verwendet, bleiben Zuwendungen unberücksichtigt, die nicht in Geld gewährt worden sind.


    und weiterhin für § 15 SGB IV

    § 15 Arbeitseinkommen

    (1) Arbeitseinkommen ist der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit. Einkommen ist als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist.
    (2) Bei Landwirten, deren Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft nach § 13a des Einkommensteuergesetzes ermittelt wird, ist als Arbeitseinkommen der sich aus § 32 Absatz 6 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte ergebende Wert anzusetzen.


    die dazugehörigen Urteile können detailreicher Aufschluss geben, wie bei unselbständiger Arbeit und bei Selbständigkeit zu rechnen ist, wenn nach § 16 SGB IV zu prüfen ist

  • mit der neuen Regelung stellt sich auch die Frage der Auskunftsverpflichtung


    das Gesetz sieht folgendes vor:

    § 94

    Absatz 1a Satz 3


    "Unterhaltsansprüche der Leistungsberechtigten gegenüber ihren Kindern und Eltern sind nicht zu berücksichtigen, es sei denn, deren jährliches Gesamteinkommen im Sinne des § 16 des Vierten Buches beträgt jeweils mehr als 100 000 Euro (Jahreseinkommensgrenze). Der Übergang von Ansprüchen der Leistungsberechtigten ist ausgeschlossen, sofern Unterhaltsansprüche nach Satz 1 nicht zu berücksichtigen sind. Es wird vermutet, dass das Einkommen der unterhaltsverpflichteten Personen nach Satz 1 die Jahreseinkommensgrenze nicht überschreitet. Zur Widerlegung der Vermutung nach Satz 3 kann der jeweils für die Ausführung des Gesetzes zuständige Träger von den Leistungsberechtigten Angaben verlangen, die Rückschlüsse auf die Einkommensverhältnisse der Unterhaltspflichtigen nach Satz1 zulassen. Liegen im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte für ein Überschreiten der Jahreseinkommensgrenze vor, so ist §117 anzuwenden. Die Sätze 1 bis 5 gelten nicht bei Leistungen nach dem Dritten Kapitel an minderjährige Kinder.“


    der Gesetzgeber sagt dazu folgendes:

    § 94
    Absatz 1a Satz 3 entspricht der bisherigen Norm des § 43 Absatz 5 Satz 2 und
    übernimmt die Vermutungsregel


    es können also die bisherigen Urteile zur Auskunftsverpflichtung bei Leistungen der Grundsicherung herangezogen werden


    ein interessantes Urteil dazu, siehe Urteil



    Sozialgericht Karlsruhe S 2 SO 1269/16 18.01.2018


    Da die bisherige Berechnung mit Daten aus dem Jahr 2010 erfolgt sei, werde um Rücküberlassung eines Prüfbogens nebst diversen Nachweisen gebeten. Am 30.11.2015 hörte die Beklagte die Mutter des Klägers zu einer beabsichtigten Aufhebung der Leistungen an, da der Kläger womöglich über ein Einkommen von 100.000,00 EUR verfüge. Diese nahm dahingehend Stellung, dass sie keine Veranlassung zu der Annahme habe, dass das Einkommen des Sohnes 100.000,00 EUR oder mehr betrage. Der Sohn habe eine Unterhaltsgewährung ausdrücklich abgelehnt. In diesem Zusammenhang gelangte die Seite 1 vom Einkommenssteuerbescheid des Klägers für das Jahr 2011 zur Gerichtsakte, nach welchem ein Bruttoarbeitslohn in Höhe von 73.796,00 EUR erzielt worden war. Die Beklagte forderte den Kläger wiederholt, zuletzt mit Schreiben vom 05.01.2016, dazu auf, eine aktuelle Einkommenssteuererklärung vorzulegen. Mit Bescheid vom 15.03.2016 verpflichtete die Beklagte den Kläger dazu, innerhalb eines Monats Auskunft über seine wirtschaftlichen Verhältnisse zu erteilen und hierzu eine Kopie des letzten Einkommenssteuerbescheids vorzulegen. Für den Fall, dass binnen zwei Wochen nach Bestandskraft des Bescheids die Auskunft nicht erteilt werde, drohte die Beklagte dem Kläger die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 150,00 EUR an. Es gebe Anhaltspunkte dafür, dass das Einkommen zwischenzeitlich über 100.000,00 EUR liege. Insoweit bestehe eine Auskunftspflicht nach § 43 SGB XII.


    Dies zu Grunde gelegt sind hinreichende Anhaltpunkte dafür vorhanden, dass das Einkommen des Klägers über 100.000,00 EUR liegen kann. Der wohl noch heute bei der S. AG tätige Kläger hat, worauf die Beklagte zutreffend hinweist, bereits im Jahr 2010 ein Bruttojahreseinkommen aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 85.808,00 EUR erzielt. Mit der Beklagten hält die Kammer es keinesfalls für fernliegend, dass seit dem Jahr 2010 Einkommenssteigerungen von 3 % pro Jahr zu verzeichnen sind, was bereits ein Bruttojahreseinkommen von 98.679,00 EUR ergeben würde. Zutreffend weist die Beklagte auch darauf hin, dass der Kläger weitere zu versteuernde Einkünfte aus der Vermietung einer Wohnung an seine Mutter hat.


    Vor diesem Hintergrund ist der Kläger verpflichtet, der Beklagten die im Widerspruchsbescheid präzisierten Auskünfte zu erteilen (§ 43 Abs. 5 S. 3 SGB XII a.F.) und die benannten Beweisurkunden (§ 43 Abs. 5 S. 4 SGB XII a.F.) vorzulegen.




  • ich bin immer wieder erstaunt was zum Thema Angehörigen-Entlastungsgesetz (AUG) in den Medien so geschrieben wird


    Beispiel dazu

    durch das AUG würde es keine Rückforderung von Geschenken mehr geben, die das Elternteil vor Bezug von Sozialhilfe gemacht hat


    > ganz klar, mit der Einführung der neuen Regelung bleibt die Rückforderung von Geschenken durch das Sozialamt gemäß § 528 BGB weiterhin bestehen, es ändert sich diesbezüglich nichts

  • mit der Einführung der 100.000 € Grenze kann es trotzdem passieren, das der Unterhaltspflichtige, sofern er Erbe ist, Sozialhilfe bezahlen muss

    siehe dazu § 102 SGB XII, Kostenersatz durch Erben

    dies gilt dann, wenn das sozialhilfebedürftige Elternteil verstorben ist und beispielsweise eine Immobilie hinterlässt, dann kann das Sozialamt die gezahlte Sozialhilfe der letzten 10 Jahre zurückfordern


    "Der Erbe der leistungsberechtigten Person oder ihres Ehegatten oder ihres Lebenspartners, falls diese vor der leistungsberechtigten Person sterben, ist vorbehaltlich des Absatzes 5 zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe verpflichtet"