Angehörigen-Entlastungsgesetz, "100.000 Euro"-Grenze, Entwurf: die Angehörigen der Grundsicherung-Empfänger werden schlechter gestellt?

  • Die aktuelle Lage über die Sozialämter, die

    "vermuten – meist zu Unrecht –, die Zugehörigkeit zu einer im Allgemeinen gut verdienenden Berufsgruppe.."

    beschrieben in Auskunftsersuchen des Sozialamtes





    RA Hauß, 17. Juni 2019,

    zum "Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung unterhaltsverpflichteter Angehöriger in der Sozialhilfe und in der Eingliederungshilfe"

    Zitat

    Adresse und Beruf geben nie hinreichende Anhaltspunkte, es sei denn es handelt sich um öffentlich bekannte Gutverdiener, allgemein bekannte hochdotierte Berufe oder der Internetauftritt der unterhaltspflichtigen Person enthält die Pose mit der Protzkarre

    ...

    Der Gesetzgeber sollte sich allerdings noch einen Ruck geben: Die 100.000-Euro-Grenze ist im Jahr 2005 eingeführt worden. Wollte man auf die durch diese Grenze markierte Kaufkraft abstellen, wäre die Anhebung auf ca. 125.000 € angezeigt.

    Noch besser wäre es freilich, der Gesetzgeber striche den Elternunterhalt vollständig.

    ...




  • Nachdem das geplante Gesetz, in welcher Form auch immer, verabschiedet wird, ist m.E. davon auszugehen, dass die Gesetzeslage zum Thema Elternunterhalt weitere 10-20 Jahre unverändert bleibt. Man kann nicht damit rechnen, dass das Gesetz dann noch "nachjustiert" wird um z.B. die Unterhaltspflichtige "noch mehr zu entlasten" oder den Unterhaltsberechtigten "noch mehr Scham zu nehmen die Sozialleistungen zu beantragen".


    Begründung.


    1. Zunächst ist festzuhalten, dass die Idee des aktuellen Gesetzesentwurfs nicht in der GroKo-Koalitionsverhandlungen "geboren" wurde. Die gab es schon in den früheren gescheiterten "Jamaika"-Verhandlungen, wo eben auch andere Parteien beteiligt waren. Dieses Jamaika-Zeugs ist inzwischen nur schwer auffindbar:

    "[Auf das Einkommen der Kinder von pflegebedürftigen Eltern soll künftig erst ab einem Einkommen in Höhe von 100.000 Euro im Jahr zurückgegriffen werden]"


    2. Die 100.000 Euro Idee kommt aus den Agenda 2010 "Hartz-Gesetzen". Damals wurde hierzulande zum ersten Mal darüber nachgedacht, dass man Elternunterhaltspflichtige in bestimmten Fällen (Grundsicherung der Eltern) erst ab einem überdurchschnittlich hohen Einkommen belasten sollte. Das

    war im Jahr 2003.


    3. Jetzt, 16 Jahre später, denkt man darüber nach, die 100.000 Euro Regelung auf die weiteren UHP-Gruppen auszuweiten. Das zeigt wie selten es zu wesentlichen Änderungen auf dem Gebiet Elternunterhalt kommt

  • https://www.bag-selbsthilfe.de…ntlastung-unterhaltsverp/

    Komisch der Newsfeed ist nicht mehr auf der Homepage.

    Anbei der gespeicherte Hauß Test:

    Das – weitgehende - Ende des Elternunterhalts ?

    Manche Versprechen aus dem Koalitionsvertrag lösen die Koalitionsparteien und die Regierung ein:
    Mit Datum vom 12.6.2019 veröffentlicht das Arbeitsministerium (BMAS) den „Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung unterhaltsverpflichteter Angehöriger in der Sozialhilfe und in der Eingliederungshilfe“. Hinter dem – im Übrigen erstaunlich verständlichen – Titel verbirgt sich das ‚Ende des Elternunterhalts‘ in seiner bisherigen Form.

    Ab 1.1.2020 sollen Kinder nur noch zum Elternunterhalt herangezogen werden können, wenn ihr jährliches Gesamteinkommen 100.000 € brutto übersteigt. Damit wird der Elternunterhalt zum „Wohlhabendenprivileg“ und Millionen Angehörige können aufatmen. Da das Gesetz – wie auch bisher bereits bei der Grundsicherung – die gesetzliche Vermutung enthält, dass Einkünfte der Kinder die Einkommensgrenze nicht übersteigen, muss niemand mehr Auskunft über Einkommen und Vermögen erteilen, ohne dass „hinreichende Anhaltspunkte für ein Überschreiten der Jahreseinkommensgrenze“ vorliegen. Zwar können die Sozialhilfeträger vom bedürftigen Elternteil Angaben verlangen, die Rückschlüsse auf die Einkommensverhältnisse des Kindes erlauben, aber wessen demente Eltern wissen schon um die Einkommensverhältnisse ihrer Kinder. Adresse und Beruf geben nie hinreichende Anhaltspunkte, es sei denn es handelt sich um öffentlich bekannte Gutverdiener, allgemein bekannte hochdotierte Berufe oder der Internetauftritt der unterhaltspflichtigen Person enthält die Pose mit der Protzkarre.

    Mehr noch als die wirtschaftliche Entlastung wird diese Gesetzesänderung psychologisch wirken. Es kann mit dem Sozialstaat versöhnen, wenn die Bürger merken, dass dieser gesellschaftliche Risiken, wie Pflegebedürftigkeit im Alter, übernimmt. Mit der Krankenversicherung und der Grundsicherung im Alter ist das gesellschaftlicher Alltag. Nun zieht das Ministerium und hoffentlich ziehen auch Regierung und Parlament bei der Pflege nach und löst das Sozialstaatsversprechen ein, die Bürger vor unverantworteten Risiken zu schützen und diese solidarisch auf die Gesellschaft zu verteilen. Das ist gut so.

    Gut ist auch, dass der Gesetzentwurf nunmehr sämtliche Leistungen des SGB XII der Rückgriffssperre der 100.000-Euro-Grenze unterwirft und diese in § 94 Abs. 1a SGB XII verankert. Damit sind nun auch die „Hilfe zum Lebensunterhalt für Volljährige“ und die „Blindenhilfe“, die „Hilfe zur Gesundheit“ und die „Eingliederungshilfe“ (§ 53 ff. SGB XII) insoweit rückgriffsfrei, als das Einkommen der unterhaltspflichtigen Person die 100.000-Euro-Grenze nicht übersteigt.

    Der Gesetzgeber sollte sich allerdings noch einen Ruck geben: Die 100.000-Euro-Grenze ist im Jahr 2005 eingeführt worden. Wollte man auf die durch diese Grenze markierte Kaufkraft abstellen, wäre die Anhebung auf ca. 125.000 € angezeigt.

    Noch besser wäre es freilich, der Gesetzgeber striche den Elternunterhalt vollständig. Kinder sind für ihre Eltern, deren Gesundheitszustand, Einkommens- und Vermögenslage nicht verantwortlich. Ob allein die genetische Beziehung zwischen Eltern und Kindern den Eingriff in deren Einkommen und Vermögen rechtfertigt, erscheint mehr als fragwürdig. Aber dafür wäre nicht das BMAS zuständig, sondern das BMJV.

    Das könnte allerdings auch mit einer kleineren Lösung als der Abschaffung des Aszendentenunterhalts auf den fahrenden Zug aufspringen und § 1611 BGB geringfügig verändern. Nach § 1611 Abs. 1 S. 1 BGB ist die Verwirkung des Unterhaltsanspruch die Sanktion für schuldhaftes Fehlverhalten der unterhaltsberechtigten gegenüber der unterhaltspflichtigen Person. Was aber, wenn es an „Schuld“ und „Verhalten“ der unterhaltsberechtigten Person fehlt, weil diese psychisch krank war und das Kind deswegen stets in Pflegefamilien und Heimen aufgewachsen ist und keinerlei Kontakt zum Elternteil hatte? Oder was ist mit dem Kind des „One-Night-Stand“, das seinen ihm verheimlichten Vater nie gesehen, aber unterhaltsrechtlich für ihn einzustehen hat? Man könnte ganz einfach den Gedanken von § 1611 Abs. 1 S.2 BGB in einen neuen Absatz 2 schreiben:

    „Eine Verpflichtung Unterhalt zu zahlen besteht nicht, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre.“

    Absatz 1 beträfe dann die Fälle schuldhaften Verhaltens der unterhaltsberechtigten Person, Absatz 2 löste die Verwirkung aus der Sanktionsfunktion und fokussierte die Situation der unterhaltspflichtigen Person. Rechtsprechung und Verwaltungen wüssten mit einer solchen Öffnung gut und verantwortungsvoll umzugehen.

    Weniger…




  • ähnliche Töne in der "Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins", wie hier im Forum schon diskutiert


    und




  • für eine Einzuordnung um wie viele Menschen es beim Thema Grundsicherung geht:

    Laut dem statistischen Bundesamt sind es mehr als eine halbe Million Menschen, die Grundsicherung im Alter bekommen. Die meisten von Ihnen leben nicht in "Einrichtungen" und bekommen keine zusätzlichen Hilfearten nach SGB wie "Hilfe zur Pflege" oder ähnliches

  • Nachdem das geplante Gesetz, in welcher Form auch immer, verabschiedet wird, ist m.E. davon auszugehen, dass die Gesetzeslage zum Thema Elternunterhalt weitere 10-20 Jahre unverändert bleibt. Man kann nicht damit rechnen, dass das Gesetz dann noch "nachjustiert" wird um z.B. die Unterhaltspflichtige "noch mehr zu entlasten" oder den Unterhaltsberechtigten "noch mehr Scham zu nehmen die Sozialleistungen zu beantragen".





    im Regierungsentwurf (05.08.2019) gibt es nur eine kleine Ergänzung, die eine mögliche "Nachjustierung" anspricht


    Im Referentenentwurf stand noch

    "Die Regelungen sind nicht befristet und eine Evaluierung der Regelung ist nicht erforderlich."



  • dazu ein bemerkenswertes Gespräch zwischen Klaus Kleber und Minister Altmaier:

    https://www.zdf.de/nachrichten…m-14-august-2019-100.html (die ersten 13 Minuten)

  • Die 100.000 Euro Idee kommt aus den Agenda 2010 "Hartz-Gesetzen". Damals wurde hierzulande zum ersten Mal darüber nachgedacht, dass man Elternunterhaltspflichtige in bestimmten Fällen (Grundsicherung der Eltern) erst ab einem überdurchschnittlich hohen Einkommen belasten sollte. Das

    war im Jahr 2003.


    diese Regelung wird stand heute von der Justiz als verfassungsrechtlich akzeptabel betrachtet

  • zum Thema Solidaritätszuschlag findet Altmaier:


    "Eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags allein für 90 Prozent der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ist dauerhaft verfassungsrechtlich problematisch und auch nicht gerechtfertigt."

    und

    "schlägt vor, in einem "Abschmelzmodell" den Solidaritätszuschlag bis 2026 schrittweise und letztlich vollständig abzuschaffen.

    ...

    Anders als Scholz setzt Altmaier bei seinem Konzept auf Freibeträge. Wer im Jahr 2021 weniger als 16 988 Euro Einkommensteuer entrichtet, soll keinen Soli mehr bezahlen. Bei allen anderen verringert sich die Steuerbemessungsgrundlage entsprechend. Trotz Überschreitung des Freibetrags muss also nicht das gesamte Einkommen versteuert werden.

    Dieser Freibetrag soll nach Altmaiers Plänen 2024 auf 50 000 Euro Einkommensteuer steigen"

    (handelsblatt.com und ZDF und andere Medien von heute)



    Leider findet die Regierung keine ähnlich klare Vorschläge für Elternunterhalt, wo man z.B. mit höheren Freibeträgen/Selbstbehalten auch viel hätte erreichen können, mehr als es aktuell geplant ist

  • Leider findet die Regierung keine ähnlich klare Vorschläge für Elternunterhalt, wo man z.B. mit höheren Freibeträgen/Selbstbehalten auch viel hätte erreichen können,


    diese ehrenvolle Aufgabe wird wohl den OLG überlassen, die die Selbstbehaltssätze in der Düsseldorfer Tabelle anheben können.


    Ca. 5000 Euro wären ab dem 1.1.2020 ein angemessenes Niveau beim Elternunterhalt gewesen, so dass diejenigen, die über 100T Brutto verdienen dann nur von diesem "über 100T" was bezahlen müssten



  • ein weiterer hinreichende Anhaltspunkt wäre:

    dem SHT ist bekannt, dass der vermeintlicher UHP in der Vergangenheit "um 100T Euro oder mehr" verdient hat, z.B. der UHP hatte schon mal 80-90 Tausend Brutto pro Jahr gehabt, dies würde eine erneute Überprüfung des UHP rechtfertigen

  • Wie sehe ich aber die mögliche Regelung in Zukunft, wenn das Gesetz so kommt.


    Sollten Anhaltspunkte zur Überschreitung vorliegen, ist als erster Schritt die Bestimmung dieser Grenze anzugehen.

    Das sollte nach meiner Meinung ganz klar über den Einkommenssteuerbescheid erfolgen können.

    Da steht für jeden Steuerpflichtigen eine konkrete Zahl, die als Scharfrichter dann die Weichen stellt.

    Sollte nun eine Überschreitung vorliegen, kommt der ganze bekannte "Rattenschwanz" nach §117 hinterher.


    hallo

    bist du der Meinung, dass bei der "Bestimmung dieser Grenze" nach dem aktuellen Gesetzesentwurf der §117 SGB XII angewendet werden darf oder nicht?

    oder was wolltest du zum Ausdruck bringen?

    :)

    grüße,

    m

  • eine "offizielle Liste" der Anhaltspunkte gibt es nicht, der SHT bzw. die Gerichte entscheiden was ein hinreichender Anhaltspunkt ist und was nicht


    Selbstverständlich kann und soll sich ein UHP wehren, wenn es aus seiner Sicht keine hinreichenden Anhaltspunkte über Überschreitung der 100T Grenze existieren, der SHT aber eine Auskunft fordert. In diesem Fall soll der UHP dem SHT es so schriftlich mitteilen, dass es eben keine hinreichenden Anhaltspunkte gibt. Der UHP soll seine Position auch begründen können und sich bewusst sein, dass wenn es keine Einigung mit dem SHT in dieser Frage erreicht wird, die Sache vor Gericht gehen kann.

  • Selbstverständlich kann und soll sich ein UHP wehren, wenn es aus seiner Sicht keine hinreichenden Anhaltspunkte über Überschreitung der 100T Grenze existieren, der SHT aber eine Auskunft fordert.


    Ein Beispiel wo sich eine ernsthafte (gerichtliche) Auseinandersetzung mit dem SHT nicht lohnt: der UHP liegt unter 100T Jahreseinkommen und sich sicher ist, dass er diese Grenze in den nächsten Jahren nicht übersteigt. In diesem Fall hat es Sinn die Auskunft zu erteilen, auch wenn die "Anhaltspunkte " aus der sicht des UHP keine sind.

  • Selbstverständlich kann und soll sich ein UHP wehren, wenn es aus seiner Sicht keine hinreichenden Anhaltspunkte über Überschreitung der 100T Grenze existieren, der SHT aber eine Auskunft fordert. In diesem Fall soll der UHP dem SHT es so schriftlich mitteilen, dass es eben keine hinreichenden Anhaltspunkte gibt. Der UHP soll seine Position auch begründen können und sich bewusst sein, dass wenn es keine Einigung mit dem SHT in dieser Frage erreicht wird, die Sache vor Gericht gehen kann.



    ein wirklich "gutes Urteil" als Beispiel kann ich an der Stelle leider nicht bieten, aber immerhin

    Zitat


    Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen 8. Senat, Urteil vom 29.07.2014, L 8 SO 126/11

    ...

    ...

    Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass das jährliche Gesamteinkommen des als Assistenzarzt beschäftigten Klägers die nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB XII maßgebliche Einkommensgrenze von 100.000,00 € überschreitet, liegen nicht vor.