Öffentlicher Dienst - Disziplinarverfahren wegen Kritik an Elternunterhalt (Verfassungstreue)

  • Hallo und einen schönen Sonntag!


    Ich bin schon seit einigen Monaten eine stille Leserin hier im Forum und habe mich heute hier angemeldet, um Euch von meinen Fehlern zu erzählen, sodass keiner - der in meinen Augen nicht ohne Grund Groll hat - von Euch den gleichen Fehler begeht.


    Schon während meiner Ausbildung zur Verwaltungsfachangestelltin und dem Abschluss eines arbeitsbegleitenden Studiums neben der Arbeit... kam ich in Kontakt mit dem Sozialamt, welches die Akte meines Erzeugers bei sich liegen hat. Mein "Vater" hat meine Mutter verlassen... da war ich zwei Monate alt. Unterhalt hat er nie gezahlt.


    Ich zahle nun seit ca. fünf Jahren Unterhalt für meinen Erzeuger und habe wegen dieser Angelegenheit mehrfach meinen Unmut gegenüber Kolleginnen und Kollegen verlautbart. Diese können alle meine Wut und meine Hilflosigkeit verstehen, ich kann mir vorstellen, dass dies auch bei Euren Freunden und Kolleginnen sowie Kollegen der Fall ist.


    Nun ist es so, dass wir eine neue Vorgesetzte bekommen haben, welche in einer Mittagsrunde den Satz eines Kollegen aufgeschnappt hat, der einen Brief vom Sozialamt, welches für seine Mutter zuständig ist, erhielt. Bis zu diesem Tag... hat meine Vorgesetzte kein Wort von mir... über meine familiäre Situation vernommen. Auf meine Aussage hin, dass man "am Sozialstaat zweifeln könnte, wenn man sich den Elternunterhalt anschaut", gab es eine hitzige Diskussion. Meine Vorgesetzte (Juristin) hat in diesem Augenblick bezweifelt, dass es etwas wie den Elternunterhalt überhaupt gibt und hat mich vor allen Kollegen als "rechte Verschwörungstheoretikerin" bezeichnet. Mit Menschen, welche das Sozialstaatsprinzip infrage stellen, wolle, könne und müsse sie nicht arbeiten. Auch eine spätere "Aufklärung der Kollegin" durch einen anderen Juristen unser Behörde... war dahingehend fruchtlos, dass ich nun... wegen diesem "Tischgespräch" ein laufendes Disziplinarverfahren über mich ergehen zu lassen habe.


    Für diesen riesigen Text entschuldige ich mich bei Euch. Mir scheint es jedoch wichtig, dass die unter Euch, die im Öffentlichen Dienst sind... bei Kritik bezüglich des Elternunterhaltes lieber Ruhe bewahren sollten. Eine Kritik an Unterhaltszahlungsverpflichtungen kann als Ablehnung des Sozialstaatsprinzipes angesehen werden und damit einhergehend... eine "Verfassungsfeindlichkeit" implizieren.


    Ich werde natürlich versuchen... juristisch etwas gegen dieses Verfahren zu unternehmen. Es macht mich jedoch wütend, wenn eine Ungerechtigkeit - wie der Elternunterhalt - (wir zahlen ja schließlich auch Pflege- und Rentenversicherung) dahingehend vom Sozialstaatsprinzip umfasst ist, dass eine Kritik an diesem System... im schlimmsten Fall zur Entlassung führen kann.


    Drückt mir bitte die Daumen und trotzdem einen schönen Sonntag (ich musste irgendwo meinen Kummer loswerden;()...

    Maria

  • Hallo Maria und willkommen hier im Forum,


    ich bin erschüttert über deine Zeilen. Es macht mich fassungslos wenn ich so etwas lesen muss.

    Ich hoffe, du hast einen sehr guten juristischen Beistand, denn es geht hier auch um Meinungsfreiheit.

    Als Beamter kann ich sicher ein Lied davon singen, wie wir teilweise mit einem Maulkorb leben müssen.

    Diskrepanzen mit Vorgesetzten sind leider nicht immer zu vermeiden.

    Ich vermute, hier will man auch ein Exempel statuieren und Vorgesetzte werden auch keine Fehler einräumen ohne Zwang.

    Bestimmt gibt es bei euch auch eine Personalvertretung und eine Schiedsstelle.

    Wenn das Vertrauensverhältnis so gestört ist, würde ich nach Abschluss des Sache um meine Versetzung bitten.


    LG frase

  • Hallo Maria,

    ich gehe mal davon aus, dass Du Beamtin bist, denn sonst gibt es kein Disziplinarverfahren.

    Ich würde auch gut schlafen, denn es gibt genug Urteile über die Meinungsfreiheit von Beamten in der Öffentlichkeit und bei Dir war ja noch nicht einmal die Öffentlichkeit betroffen.

    http://www.citizentimes.eu/201…ungsfreiheit-von-beamten/

    Ich persönlich würde zum Gegenangriff übergehen und eine Dienstbeschwerde gegen die Vorgestzte schreiben, da diese offensichtlich die Existenz von Elterunterhalt leugnet und somit als Vorgestzte nicht tragbar ist. Des weiteren käme eine Verleumdungsklage in Frage, denn Du hast ja einen anderen Juristen als Zeuge, dass Du den Sozialstaat nicht ablehnst und keine Verfassungsfeindliche Meinung hast. Da müsstest Du aber sicher sein, dass der Zeuge vor Gericht noch zu Dir steht und nicht nach dem Motto handelt: Eine Krähe hackt.....Dafür benötigt man aber ein gutes Durchhaltevermögen.

    Gruß

    Pensionär

  • Hallo Tk,


    eine interssante Spekulation, was hat das aber mit dem angeschobenen Diszi zu tun?

    Wäre dann sicher ein Grund für ein weiteres Diszi mit entsprechenden schlimmeren Konsequenzen.


    LG frase

  • Unterhalt hat er nie gezahlt.


    Ich zahle nun seit ca. fünf Jahren Unterhalt für meinen Erzeuger

    Warum zahlst du Unterhalt, wenn dein Erzeuger nie für dich gezahlt hat?


    Meine Vorgesetzte (Juristin) hat in diesem Augenblick bezweifelt, dass es etwas wie den Elternunterhalt überhaupt gibt und hat mich vor allen Kollegen als "rechte Verschwörungstheoretikerin" bezeichnet. Mit Menschen, welche das Sozialstaatsprinzip infrage stellen, wolle, könne und müsse sie nicht arbeiten.

    Wer sich so verhält ist als Vorgesetzte untragbar.

    Außerdem zeigt sie durch ihr Verhalten, dass sie keine Ahnung hat, weder vom Sozialstaatsprinzip, noch weniger vom Elternunterhalt und schon gar nicht vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung.

    Eine Dienstaufsichtsbeschwerde ist das Mindeste.

  • Hi,


    wir wissen nicht, wie da die Diskussion gelaufen ist, was da in welcher Form gesagt worden ist. Neben meiner obigen Vermutung war die Diskussion heftig, das schreibt die Fragestellerin selbst. Und da stellt sich dann die Frage, inwieweit die grundrechtlich garantierte Meinungsfreiheit (die nicht grenzenlos ist) hier geschützt ist oder aber, ob hier schon verbal diskriminiert worden ist. Und das ist ja durchaus in Mode. Ich selbst gehöre zu einer Gruppe, die immer wieder diskriminiert wird, es war früher nicht so schlimm wie heute. So hemmungslos, so radikal. Das können wir hier nicht abschätzen, denn wir waren nicht dabei, die Fragestellerin schweigt sich insoweit aus.


    Es kommt also überhaupt nicht darauf an, ob es Elternunterhalt gibt oder nicht, ob es kleine grüne Männchen vom Mars gibt oder nicht. Gegenstand des Disziplinarverfahren ist etwas anderes. Und darüber wird vornehm geschwiegen. Und ist genau genommen kein Fall für dieses Forum. Und - ein beamtenrechtliches Disziplinarverfahren ist vom Ablauf her durchaus einem strafrechtlichem Ermittlungsverfahren vergleichbar. Das wird nicht eröffnet, wenn jemand anderer Ansicht ist als der Vorgesetzte.


    Herzlichst


    TK

  • Warten wir doch ab, wann und wie sich die Beitragserstellerin hier nochmal äußert.


    Ich fand den Hinweis auf "Verfassungsfeindlichkeit" schon schockierend.


    LG frase

  • frase,


    genau genommen wissen wir doch gar nichts. Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass mir das auch erst beim zweiten Durchlesen auffiel. Okay, ein Disziplinarverfahren, eine heftige Auseinandersetzung, mehr wissen wir nicht. Denn es kommt nicht auf die Kenntnis oder Nichtkenntnis von was auch immer der Vorgesetzten an, sondern auf die wohl heftigen Worte, die da gefallen sind. Wer sie mitbekam, ob man da beleidigend wurde, u.s.w. Das dürfte Gegenstand des Disziplinarverfahrens sein. Und nicht die Behauptung, es gäbe Elternunterhalt oder es gäbe keinen.


    Und - glaub mir mal, Auseinandersetzungen mit Vorgesetzten gibt es nicht nur bei Beamten, sondern in jedem wirklich jedem Arbeitsverhältnis. Maulkörbe auch, denn firmenschädliches Verhalten ist nun mal nirgendwo erwünscht. Das ist eben das ganz normale Leben.


    Herzlichst


    TK

  • Oh nein, solche Sachen würde ich nicht machen, außerdem arbeite ich bei keinem Sozialamt.


    Und ja, ich bin Beamtin ("Probe")... nach Abschluss des Studiums und entsprechendem Antrag... hatte ich dieses Glück. Falls ich mir eine Familie später leisten kann, werden meine Kinder keine Probleme bez. Elternunterhalt haben können.


    Bezüglich der "Verfassungsfeindlichkeit" wurde halt lediglich angemahnt, dass in Frage stellen des Sozialstaatsprinzips schon wegen Art. 79 Abs. 3 des Grundgesetzes problematisch wäre. Da ich in der Diskussion anführte, dass es sich für einen Sozialstaat nicht gehört, wenn Kinder für Rabeneltern Unterhalt zahlen sollen, würde man hier auch eine Verächtlichmachung mit Blick auf die Gerichtsbarkeit herleiten können.


    Der Vorgesetzte meiner Vorgesetzin meint auch, dass die Anschuldigungen hanebüchen sind. Meine Vorgesetzte soll bereits in ihrer vorherigen Verwendung wegen "Geisterjagden" aufgefallen seien. Zu meinem Vorgesetzten sagte sie auch, dass sie der Annahme war, dass ich "Fake-News" verbreiten würde, da sie als Juristin noch nie von Elternunterhalt gehört hat und dies für eine Lüge hielt, welche sozialdarwinistische Ressentiments bediene.


    Dennoch bin ich der Auffassung, dass es nie zu einem Disziplinarverfahren hätte kommen dürfen. Ich hoffe jedoch, dass dies vielleicht Auswirkungen auf den Dienstposten meiner Vorgesetzten hat, die übrigens seit gestern für längere Zeit wegen Krankheit ausfällt.

  • Achje, da war ich zu langsam zur Bearbeitung meines letzten Beitrages (Entschuldigt die Rechtschreibfehler). Ein Fachanwalt wird an dieser Stelle schwierig, wahrscheinlich wird mir jemand aus dem Personalrat helfen.


    Kann ein Disziplinarverfahren eigentlich noch eingestampft werden, wenn sich alles aufklären sollte? Gerade nach dem letzten Gespräch mit dem Vorgesetzten meiner Vorgesetzten und auch mit weiteren Juristen unser Behörde... ist "nun plötzlich" klar, dass ich halt doch keine "rechte Verschwörungstheoretikerin" bin, die sozial schwache Bürger um das Existenzminimum bringen will. In meinen Augen liegt der Fehler eindeutig bei meiner Vorgesetzten, die sich auf ein Thema eingeschossen hat, von welchem sie keine Ahnung hat.

  • Da ich in der Diskussion anführte, dass es sich für einen Sozialstaat nicht gehört, wenn Kinder für Rabeneltern Unterhalt zahlen sollen, würde man hier auch eine Verächtlichmachung mit Blick auf die Gerichtsbarkeit herleiten können.

    Völliger Unsinn.

    Das Kritisieren von Gesetzen, Regierungen, Richtern und Gerichtsurteilen hat mit Verächtlich machen nichts zu tun und ist durch Art 5 GG voll abgedeckt.

  • Du darfst ja als Beamte trotzdem privat deine Meinung zum Elternunterhalt haben und die auch gegenüber Kollegen auf der Dienststelle äußern.

    Du hast das ja jetzt nicht in deiner Sachbearbeiter-Postion oder sonstiger Weise an die potenziell Unterhaltspflichtigen gebracht, deswegen ist das mit dem Disziplinarverfahren auch absolut lächerlich (wenn das alles was du hier geschildert hast auch so gesagt wurde).

  • Es wundert mich aber, das dann ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde, denn dafür müssen dem Dienstherren zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Da es schon läuft, ist der Dienstherr nun auch verpflichtet, die Sache aufzuklären.

    Aus dem weiteren Informationen erlaube ich mir die Prognose, das eine Einstellung zu erwarten ist.

    Für deine Vorgesetzte hat das erstmal keine Konsequenzen.

    Nur wenn der Dienstherr bei der Aufklärung hier ein Dienstvergehen erkennt, kann gegen die Vorgesetzte ein neues Diszi angestrebt werden.


    Geregelt ist das alles in den Beamtengesetzten von Bund und Ländern.


    LG frase