Pflegende Angehörige

  • Hi,


    na ja, "nachhaltige Störung des Familienfriedens," das würde bei Kindesunterhalt ja in gefühlten 90% der Fälle zu einer Befreiung der Unterhaltspflicht führen. Das kann es so nicht sein.


    Und mit Kritik am Dozenten wäre ich hier vorsichtig. Ich zumindest erlaube mir kein Urteil aufgrund der sparsamen Angaben hier. Fakt ist doch, dass in jedem, wirklich jedem Einzelfall unbestimmte Rechtsbegriffe auszufüllen sind. Und das kann nur individuell geschehen. Deshalb wird sich der vorausschauende kluge Dozent bei dem Ausfüllen auf Standartbeispiele beschränken, um seine Zuhörer an die Denkstruktur heranzuführen.


    Ich wehre mich immer ein wenig dagegen, irgendwelche sehr spezielle Fälle so darzulegen, als könne man daraus etwas allgemeinverbindliches herleiten. Das funktioniert nicht. Ich kann nun mal nichts allgemeines aus dem Fall herleiten, dass jemand aus dem 4. Stock aus Versehen eine Wassermelone auf den Kopf eines Fußgängers schmeißt und den dann noch trifft.


    Herzlichst


    TK

  • Hallo Meg,

    Hallo timekeeper,


    sorry, mit HA meinte ich Heimaufnahme.


    Meg, es kommt in dem von dir geschilderten Fall wohl auch auf den Zeitraum an, während dessen gepflegt wurde und wie hoch der Pflegeaufwand war.

    Das sind alles sehr, sehr individuelle Konstellationen.


    Mit Ringeltauben meinte ich: Der UHB muss ja erst einmal über 100.000,-- € Einkommen haben, um für eine Unterhaltsprüfung in Frage zu kommen. Und dann muss er quasi "nebenbei" (ich gehe davon aus, dass ein so hohes Einkommen auch einen entsprechenden zeitlichen Einsatz bedeutet) auch noch umfassend pflegen.

    Früher hieß es: "aufopferungsvolle Pflege", d.h. die Pflegeperson musste tatsächlich persönliche Opfer bringen und auf "etwas" verzichten.

    Im Kollegen- und Bekanntenkreis geht es mit der Pflege der Eltern los. Da wird z.B. auf Urlaubsreisen verzichtet, weil die Versorgung dann nicht sicher gestellt ist. Möglicherweise wird das ja als eine über das übliche Maß hinausgehende Pflegeleistung akzeptiert, wenn es darauf ankommt.


    timekeeper :

    Ja. Die Tochter hatte während der Pflege kein Einkommen, weil sie ihre Berufstätigkeit aufgegeben hat. Aber nach der HA (Heimaufnahme) von Mutter/Vater nimmt sie dann ihre Berufstätigkeit wieder auf.

    Heutzutage spielt das mit der Einkommensgrenze aber keine Rolle mehr.

  • na ja, "nachhaltige Störung des Familienfriedens," das würde bei Kindesunterhalt ja in gefühlten 90% der Fälle zu einer Befreiung der Unterhaltspflicht führen. Das kann es so nicht sein.


    Doch, so kann es sein. Beim Elternunterhalt. Ist unter #16 beschrieben, am Beispiel Bremerhaven.

    Natürlich ist es für einen UHP normalerweise nicht einfach zu belegen, dass eine "nachhaltige Störung" vorliegt und zwar so zu belegen, dass es im Zweifel vom Gericht akzeptiert wird. Darüber gibt es Literatur und vielleicht auch Urteile.


    Grüße,

    m

  • Hallo,


    ich finde man kann die geltenden Regeln für Eltern- und Kindsunterhalt überhaupt nicht vergleichen.

    Auch wenn es vereinzelt Schnittmengen geben sollte, so sind das zwei völlig verschieden Angelegenheiten, auch was den "Familienfrieden" angeht.

    Seine Eltern kann man sich ja auch nicht aussuchen, für die eigenen Kinder ist man aber schon verantwortlich.


    Gruß


    frase

  • Hallo TK,


    ich würde sagen, du weißt was ich meine. du schreibst ja selber,

    Ausfüllung eines unbestimmten Rechtsbegriffs

    Genau darum geht es. Es ist zwischen streitenden Eltern eben anders ausgfefüllt als zwischen Kindern und ihren Eltern.


    Gruß


    frase

  • ein aktuelles Urteil formuliert es so

    Zitat

    OLG Hamm vom 16.09.2021 - 4 UF 143/19



    Die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruchsübergang nach § 94 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII wegen unbilliger Härte ausgeschlossen ist, beurteilt sich nach öffentlich-rechtlichen Kriterien. Entscheidend hierfür ist, ob aus Sicht des Sozialhilferechts durch den Anspruchsübergang soziale Belange berührt werden, was notwendigerweise voraussetzt, dass der den Härtegrund rechtfertigende Lebenssachverhalt einen erkennbaren Bezug zum Sozialhilferecht oder zu einem sonstigen Handeln des Staates und seiner Organe aufweist (BGH, FamRZ 2018, 1903 Rn. 26; FamRZ 2015, 1467 Rn. 33). Die Härte kann in materieller oder immaterieller Hinsicht bestehen und entweder in der Person des Unterhaltspflichtigen oder in derjenigen des Hilfeempfängers vorliegen. Bei der Auslegung der Härteklausel ist in erster Linie die Zielsetzung der Hilfe zu berücksichtigen, daneben sind die allgemeinen Grundsätze der Sozialhilfe zu beachten. Eine unbillige Härte liegt danach insbesondere vor, wenn und soweit der – öffentlich-rechtliche – Grundsatz der familiengerechten Hilfe, nach dem unter anderem auf die Belange und Beziehungen in der Familie Rücksicht zu nehmen ist, einer Heranziehung entgegensteht (BGH, FamRZ 2018, 1903 Rn. 26 m.w.N.). Dies wäre dann der Fall, wenn die laufende Heranziehung in Anbetracht der sozialen und wirtschaftlichen Lage des Unterhaltspflichtigen mit Rücksicht auf die Höhe und Dauer des Bedarfs zu einer nachhaltigen und unzumutbaren Beeinträchtigung des Unterhaltspflichtigen und der übrigen Familienmitglieder führen würde, wenn die Zielsetzung der Hilfe infolge des Übergangs gefährdet erscheint oder wenn der Unterhaltspflichtige den Sozialhilfeempfänger bereits vor Eintritt der Sozialhilfe über das Maß einer zumutbaren Unterhaltsverpflichtung hinaus betreut oder gepflegt hat (vgl. BGH, FamRZ 2018, 1903 Rn. 26; FamRZ 2015, 1467 Rn. 34; FamRZ 2010, 1888 Rn. 46).


    Eine entsprechende "über das Maß hinausgehende" Betreuung (auch ohne Pflege) kann eine unbillige Härte und Wegfall der Elternunterhaltsansprüche begründen

  • Hallo Meg,


    zu dem Thema unbillige Härte findest du auch etwas im Bereich der Sozialgerichte:


    BSG vom 05.07.2018 - B 8 SO 21/16 R:

    "Der Unterhaltsanspruch geht auch bei geltend gemachter unbilliger Härte auf den SHTr. über, da die abschließende Prüfung des Ausschlusses eines Anspruchsübergangs eine umfassende Abwägung aller Umstände des Einzelfalls erfordert, bei der es neben dem Verhalten des SH-Empfängers gegenüber dem Unterhaltspflichtigen unter Berücksichtigung der sozialen Belange entscheidend auch auf die aktuellen wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse des Unterhaltspflichtigen und es SH-Empfängers ankommt."


    BGH v. 15.09.2010 - XII ZR 148/09:

    "Eine Störung familiärer Beziehungen im Sinne des § 1611 BGB genügt grundsätzlich nicht, um eine unbillige Härte im Sinne des § 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII zu begründen und damit einen Anspruchsübergang auf den Träger der SH auszuschließen.

    Etwas anderes gilt nur dann, wenn der nach § 1611 BGB zu beurteilende Lebenssachverhalt aus Sicht des Sozialrechts auch soziale Belange erfasst, die einen Übergang des Anspruchs nach öffentlich-rechtlichen Kriterien ausschließen."