Immobilienfinanzierung / Leistungsfähig „auf dem Papier“

  • Hi zusammen,


    ich habe die Tage mit Freunden ein Thema besprochen und wollte dies mit Euch diskutieren?.


    Fall:


    1. UHP hat ein Einkommen knapp über TEUR 100

    2. UHP hat eine Immobilie erworben und finanziert (hohe Annuität, Volltilgerdarlehen) bevor überhaupt der Pflegefall eingetreten ist

    3. Die Darlehensannuiten sind entsprechend dem Darlehensvertrag für einen Zeitraum von 10 Jahren nicht änderbar

    4. Durch die hohen mtl. Annuitäten aus dem Darlehen werden etwa 75% des mtl. Nettolohnes verwendet

    5. UHB wird Pflegefall und hat weder Einkommen noch Vermögen

    6. SHT versendet RWA und fordert aufgrund dessen übergeleiteten Unterhalt für den UHB bzw. Übernahme der Pflegekosten


    Problem:


    Auf dem Papier ist der UHP leistungsfähig und müsste grds. Unterhalt leisten.


    Wirtschaftlich ist der UHP jedoch nicht leistungsfähig, da die hohe Darlehensannuität und ein möglicher Unterhalt ihm keine bzw. nicht genügend finanziellen Mittel belassen.


    Mitunter wird er - falls er Unterhalt leisten müsste - selbst zum Sozialfall oder muss ggf. Privatinsolvenz anmelden.


    Fazit:


    ME besteht keine Unterhaltspflicht.


    Frage:


    Wie seht Ihr die Situation?


    Problematik:


    Die Situation entsteht zum einen durch die starre Grenze der TEUR 100, was mE sowieso gleichheitswiedrig ist, und zum anderen das die Zins- und Tilgungsleistungen nicht zu einem neg. Wohnwert oder ein weiteren Berücksichtigung der Tilgungsleistungen führen.


    Vielen Dank vorab für Eure Antworten?

  • ob mit oder ohne Grenze, ist egal,

    denn es gilt zur Abzugsfähigkeit von Kreditraten das Urteil des BGH vom 18.01.2017, AZ: XII ZB 118/16


    a)Neben den Zinsen sind die Tilgungsleistungen bis zur Höhe des Wohnvorteils vom Einkommen des Elternunterhaltspflichtigen abzuziehen, ohne dass dies seine Be-fugnis zur Bildung eines zusätzlichen Altersvorsorgevermögens schmälert.b)Der den Wohnvorteil dann noch übersteigende Tilgungsanteil ist als Vermögens-bildung zu Lasten des Unterhaltsberechtigten im Rahmen der sekundären Alters-vorsorge auf die Altersvorsorgequote von 5% des Bruttoeinkommens des Eltern-unterhaltspflichtigen anzurechnen.



    so hat dies die Rechtsprechung endeutig festgelegt, bedarf keiner weiteren Diskussion

  • Ich hätte da noch eine Frage: Was ist wenn der UHP verheiratet ist und seine Frau auch ordentliche Einkünfte erzielt?

    wenn der Unterhaltspflichtige über der Grenze liegt,


    dann gelten die üblichen unterhaltsrechtlichen Regelungen des Elternunterhalts, wie jeweiliger Selbstbehalt, Einbeziehung des Ehepartners, Schulden, etc. und auch die Vermögensprüfung

  • Ja, wenn ich mich richtig erinnere ist es dem UHP nicht möglich auf Kosten des Bedürftigen ein Vermögen aufzubauen und so seine Unterhaltspflicht zu senken. Das würde ich in dem geschilderten Fall aber so sehen.


    VG frase

  • Hi Unikat :-)


    vielen lieben Dank für deinen Hinweis.


    Das genannten Urteil von Dir (es ist genaugenommen ein Beschluss) hatte ich auch im Hinterkopf.


    Nur muss man eines hierbei beachten, es wird nur über den Wohnwert hinausgehende Tilgungsleistungen als Abzugsposten bei der Altersvorsorge von max. 5% des Bruttoeinkommens berücksichtigt (also bei einem Einkommen von TEUR 101 rd. EUR 5.000 p.a. bzw. EUR 417 mtl.) - mehr jedoch nicht (!!).


    Genau letzteres ist mE aber das akute Problem.


    Ich habe kurz Berechnungen angestellt um dies etwas näher zu erläutern.


    Wenn ein UHP TEUR 101 brutto p.a. an Einkommen hat (was das "Worst-Case" Szenario für den Fall nach dem Angehörigen-Entlastungsgesetz wäre), hat er EUR 54.600 p.a. netto nach Abzug der Sozialabgaben und Steuern (ohne jegliche WK-Abzüge).


    Dies bedeutet EUR 4.550 netto im Monat.


    Nehmen wir im weiteren an das die Finanzierungsannuität bspw. EUR 2.500 ausmacht, was in der aktuellen Preislage der Immobilien und der Voraussetzungen der Banken nicht unüblich ist, hat er noch 2.050 netto mtl. übrig.


    Wenn nun der Pflegefall eintritt und eine Inanspruchnahme des UHP droht, dann wird der Wohnwert der erworbenen Immobilie zunächst mit Zins und Tilgungsleistungen verrechnet.


    Hierbei kommt es sodann wesentlich auf die Bestimmung des Wohnwertes (evtl. vergleichbar einer Miete) an.


    Würde man hierbei bspw. eine Warmmiete von EUR 1.500 als entsprechenden Wohnwert annehmen, würde von der Annuität noch EUR 1000 verbleiben, wovon (!) nur 417 im Rahmen des Abzugs zur sekundären Altersvorsorge zulässig wären; der Restbetrag (!) EUR 683 würde nicht unterhaltsmindernd - trotz positiver BGH-Rechtsprechung - berücksichtigt werden.


    Dies bedeutet für Unterhaltszwecke hat der UHP nicht (nur) 2.050 netto übrig (was wirtschaftlich der Fall wäre) sondern EUR 2.733 (EUR 2050 + 683 EUR). sodass er abzgl. des Selbstbehaltes von 1.800 EUR und die Hälfte des überschießenden Betrag (2.733 EUR - 1.800 EUR = 933 EUR davon 1/2 = EUR 467 Unterhalt leisten müsste.


    Im Ergebnis hat der UHP damit (wirtschaftlich) nur noch EUR 1.583 mtl. zur Verfügung.


    Dies kann mE nicht sachgerecht sein.


    Lass die Annuität des Darlehens nun noch höher steigen weil der UHP - wirtschaftlich richtig und sinnvoll - ein Volltilgerdarlehen abgeschlossen hat um die laufenden Zinsen gegenüber der Bank zu minimieren; dann muss er das was er sodann gegenüber der Bank gespart hat als Unterhalt gegenüber der SHT bezahlen.


    Das ist in meinen Augen nicht fair und mE auch nicht korrekt.


    Wesentlicher Knackpunkt dessen ist, dass es die TEUR Grenze 100 mit Fallbeileffekt gibt und das der BGH über die sekundäre Altersvorsorge nur max. 5% des Bruttoeinkommens zugelassen hat - mehr aber nicht.


    Was meint Ihr dazu?

  • Wenn ein UHP TEUR 101 brutto p.a. an Einkommen hat

    dann kann er von dem genannten Brutto noch die steuerlich anerkannten Werbungskosten abziehen, liegt damit unter der Grenze

    Folge: keine Unterhaltspflicht

  • dann kann er von dem genannten Brutto noch die steuerlich anerkannten Werbungskosten abziehen, liegt damit unter der Grenze

    Folge: keine Unterhaltspflicht

    Hi Unikat,


    diese Möglichkeit besteht, aber wenn die TEUR 101, was der "Worst-Case-Fall" ist bereits nach WK Abzug vorliegen besteht Unterhaltspflicht.


    Daher meine rechtlichen Bedenken zu dieser "Grenze"; es ist ein "Fallbeileffekt", bist Du ein Euro darüber, unterliegst Du der Unterhaltspflicht.


    Das kann nicht gerecht sein - Stichwort: Gleichheitsgrundsatz.

  • das nUrteil ist eindeutig, daran läßt sich nicht rütteln, ist daher aus meiner Sicht müßig, darüber zu diskutieren

    Das Urteil ist gerade hin so eindeutig das die Tilgungsbeiträge die über die 5%-Altersvorsorgequote hinausgehen (!) NICHT abzugsfähig sind.


    vgl. Rz. 39 der Begründung.


    39(3) Die den Wohnwert und eine zusätzliche Altersvorsorgequote von 5 % des Bruttoeinkommens übersteigende Tilgungsleistungen sind demgegenüber grundsätzlich nicht absetzbar. Denn insoweit steht der durch die Vermögensdisposition und die später hinzugekommene Unterhaltspflicht bedingte Einschränkung des Lebensstandards eine entsprechende höhere Alterssicherung gegenüber. Ob etwas anderes gilt, wenn dadurch die Immobilienfinanzierung gefährdet wäre oder sich der Unterhaltspflichtige aus einem vor Bekanntwerden seiner Unterhaltspflicht zusätzlich abgeschlossenen Altersvorsorgevertrag nicht lösen bzw. diesen nicht beitragsfrei stellen kann (vgl. dazu Senat, BGHZ 154, BGHZ Band 154 Seite 247 = NJW 2003, NJW Jahr 2003 Seite 2306 = FamRZ 2003, FAMRZ Jahr 2003 Seite 1179 [FAMRZ Jahr 2003 1181 f.]), braucht im vorliegenden Fall mangels entsprechender Feststellungen nicht entschieden zu werden.


    Der Unterschied ist nur der BGH musste diese über die 5%-Altersvorsorgequote hinausgehenden Tilgungsbeiträge nicht entscheiden.


    Daher ist es mE auch nicht nicht final gerichtlich entschieden.


    Dies betont der BGH ja selbst im Beschluss.

  • Der Unterschied ist nur der BGH musste diese über die 5%-Altersvorsorgequote hinausgehenden Tilgungsbeiträge nicht entscheiden.

    das Urteil aus dem Jahre 2017 ersetzt die Vorherigen

    mit der alten Argumentation erleiden die Unterhaltspflichtigen Schiffbruch

  • Daher meine rechtlichen Bedenken zu dieser "Grenze"; es ist ein "Fallbeileffekt", bist Du ein Euro darüber, unterliegst Du der Unterhaltspflicht.


    Das kann nicht gerecht sein - Stichwort: Gleichheitsgrundsatz.

    ich sehe das zwar völlig anders, denn harte Grenze gibt es im Unterhaltsrecht reichlich, und ist kein Verstoß gegen ......

  • das Urteil aus dem Jahre 2017 ersetzt die Vorherigen

    mit der alten Argumentation erleiden die Unterhaltspflichtigen Schiffbruch

    Hi Unikat :),


    ein bischen bin ich nun irritiert ??


    Das vorherigen Zitat aus dem BGH Beschluss war aus der aktuellen Entscheidung 2017.


    Wie meinst Du das konkret?


    Welche alte Argumentation meinst Du?

  • ich sehe das zwar völlig anders, denn harte Grenze gibt es im Unterhaltsrecht reichlich, und ist kein Verstoß gegen ......

    Gebe Dir Recht man kann es auch anders sehen.


    Aber belastende Grenzen wie in diesem Fall unterliegen einer besonderen verfassungsrechtlichen Prüfung.


    Es ist auch ein Unterschied wir die Grenze ausgestaltet ist.


    ME ist die Grenze nicht haltbar, denn sie verletzt eklatant den Gleichheitsgrundsatz.


    Sie wäre dann gleich, wenn die TEUR Grenze so angewandt wird, dass das entsprechende Nettoeinkommen was einem Betrag von TEUR 100 entspricht über einen Selbstbehalt außen vor bleiben würde und nur darüber hinaus gehende Einkommensbeträge der Unterhaltsberechnung unterliegen.


    So gehe ich auch davon aus, dass die Grenze früher oder später gerichtlich angegriffen wird oder zumindest ein entsprechend höherer Selbstbehalt gerichtlich geltend gemacht wird.


    Das ist zumindest meine Meinung :)

  • Das vorherigen Zitat aus dem BGH Beschluss war aus der aktuellen Entscheidung 2017.


    Wie meinst Du das konkret?

    das Zitat aus dem Urteil bezieht sich auf die alten Urteile

    das Urteil aus dem Jahr 2017 begrenzt eindeutig die alten Urteile


    dein Ansatz würde aus meiner Sicht bereits gemäß der alten Urteile keine Unterstützung finden, und darum erst recht nicht gemäß des neuen Urteils


    es bleibt jedem überlassen, den Versuch vor Gericht zu wagen

  • So gehe ich auch davon aus, dass die Grenze früher oder später gerichtlich angegriffen wird oder zumindest ein entsprechend höherer Selbstbehalt gerichtlich geltend gemacht wird.

    die Grenze anzugreifen halte für sinnloses Unterfangen, kein Gericht würde die Grenze "kippen", dann würde sich das Gericht an die Stelle des Gesetzgebers setzen, und dies ist verfassungswidrig

    und kein Gericht wird von sich auf Antrag des Unterhaltspflichtigen auf Erhöhung des Selbstbehalts akzeptieren

    die Höhe des Selbstbehalt ist keine Angelegenheit eines einzelnen Gerichts

  • Hi Unikat,


    vielen Dank nochmals, dann schaue ich das Urteil nochmals genauer durch :-)



  • prinzipiell hast du Recht,

    ob und wie und wann das Gericht darüber entscheidet, würde ich nicht sagen können


    s. auch Angehörigen-Entlastungsgesetz, "100.000 Euro"-Grenze, Entwurf: die Angehörigen der Grundsicherung-Empfänger werden schlechter gestellt?, teile davon was du "forderst" würden auch kein hohes gerichtliches Urteil brauchen

  • Hi Unikat,


    vielen Dank nochmals, dann schaue ich das Urteil nochmals genauer durch :-)

    Hi Unikat,


    ich habe die BGH Entscheidung nun nochmals angeschaut und alternative Literatur zu Rate gezogen (Fachzeitschriften, Kommentare etc.)


    ALLE Kommentare der Autoren der Fachzeitschriften und die aktuellen Kommentare schreiben, dass der BGH eben nicht entschieden hat das ein über die Altersvorsorgequote hinausgehender Tilgungsaufwand für Unterhaltszwecke abzugsfähig ist.


    Damit ist ein Abzug von Tilgungsleistungen über die 5%-Grenze des AVV - Stand jetzt - eben (!!) nicht möglich.


    Sie schreiben aber das der BGH in einem Nebensatz meinte, wenn durch die Zahlung von Tilgungsleistungen und Elternunterhalt die Finanzierung der Immobilie gefährdet sei, müsste ggf. anders entschieden werden; er musste es im entschiedenen Fall nur nicht entscheiden.


    Insoweit ist ein solcher Fall auch erst einmal vor den BGH zu bringen, um final hierüber Klarheit zu haben.

  • Insoweit ist ein solcher Fall auch erst einmal vor den BGH zu bringen, um final hierüber Klarheit zu haben.

    bis zum BGH ist ein weiter Weg


    erst das Amtsgericht, dann das zuständige OLG, ob dann seitens des OLg überhaupt ein Sprung zum BGH ermöglicht wird .... ?

    vor dem BGH wird ein spezieller BGH Anwalt benötigt, der normale Anwalt hat dort kein Vertretungsrecht