Rückforderungsbescheid - und nun?

  • Guten Tag!


    Vorab möchte ich mich schon einmal recht herzlich für die informativen Beiträge der engagierten Nutzer hier bedanken. Ich habe schon einiges gelesen und möchte nun meinen Fall darstellen - in der Hoffnung auf Ratschläge bzgl. des weiteren Vorgehens mit dem Amt:


    Mein Vater hat seit 06/18 Hilfe zum Lebensunterhalt (HzL) erhalten. Es wurden zunächst ca. 300 Euro gezahlt, aufgrund von Umzug und Überzahlung aufgrund eines Rechenfehlers des Sozialamtes wurde die HzL jedoch bis auf 170 Euro gekürzt. Im April 2019 wurde ein Antrag auf Gewährung von Grundsicherung gestellt, dieser wurde im November 2019 positiv beschieden.


    Nun fordert das Amt von mir für den Zeitraum 06/18 - 9/12 monatlich 160 Euro.

    Da ich hier seit einiger Zeit stiller Leser bin, möchte ich nicht so sehr auf das Höhe der Berechnung eingehen, da sehe ich nicht die Knackpunkte. Meine Belastungen wurden überwiegend anerkannt.


    Meine Fragen:


    1. Aus dem Rückforderungsbescheid geht hervor, dass monatlich über den gesamten Zeitraum der eingangs festgesetzte Betrag von 300 Euro gezahlt worden ist. Da jedoch sukzessive eine Verringerung stattfand, ist das nicht zutreffend. Trotzdem liege ich mit den monatlich von mir geforderten 160 Euro noch unter den tatsächlich teilweise gezahlten 170 Euro. Ist das trotzdem relevant?


    2. In 08/18 erhielt ich die Rechtswahrungsanzeige (RWA) und erteilte Auskunft. 02/19 forderte das Amt weitere Lohnabrechnungen an, die ich umgehend zuschickte. Am 06.03.2020 erhielt ich nun den Rückforderungsbescheid (Brief datiert auf 26.02.2020, allerdings wegen fehlerhafter Adressierung / Nachadressierung der Post erst am 06.03.2020 zugestellt).

    Gemäß BGH-Urteil vom 23.10.2002 (XII ZR 266/99) nehme ich an, dass wegen illoyalverspäteter Rechtsausübung die Unterhaltsansprüche, die im März 2020 länger als ein Jahr zurücklagen, nach allgemeinen Grundsätzen verwirkt sind (s. §§ 1585b III, 1613 II Nr. 1 BGB). Liege ich da richtig?


    3.

    In 04/19 wurde ein Antrag auf Gewährung von Grundsicherung für meinen Vater gestellt. Dieser wurde 11/19 positiv beschieden, so dass meinem Vater nunmehr Grundsicherung nach Kap. 4 SGB XII gezahlt worden ist. Für diese Leistungen galt bereits vor der Gesetzesnovelle vom 01.01.2020 die „Bruttoeinkommensgrenze von 100.000 €“ i. S. d. § 16 SGB IV, so dass ich mich ab April 2019 nicht mehr in der Unterhaltspflicht sehe. Vom Amt werden jedoch Rückforderungen bis einschl. 01.12.2019 gestellt. Aufgrund der Bearbeitungsdauer bis wurde bis 11/19 auch noch HzL gezahlt. Er erhielt allerdings eine Nachzahlung wegen des gestiegenen Bedarfs. Ist bereits der Zeitpunkt der Antragsstellung 04/19 bzgl. der Rückforderung maßgeblich oder erst der positive Bescheid 11/19?


    4.

    Ich habe den "Antrag auf Sozialhilfe" 2018 gemeinsam mit meinem Vater beim Sachbearbeiter gestellt. Bei unserem Antrag wurden wir nicht entsprechend §§ 13, 14 SGB I und insbesondere § 11 SGB XII beraten, dass aufgrund der gesundheitlichen Umstände meines Vaters (Schwerbehinderung + Pflegegrad 1) ein Anspruch auf Grundsicherung nach dem 4. Kapitel besteht, auch über die dadurch entstanden Entlastung meiner Unterhaltspflicht wurden wir nicht aufgeklärt. Andernfalls wären die Leistungen von Beginn an anders festzustellen gewesen. Hilft mir das weiter?


    Ich weiß, dass meine Fragen recht speziell sind. Vielleicht gibt es hier jemand, der schon einmal in einer ähnlichen Situation war und mir weiterhelfen kann.


    Dankeschön und liebe Grüße!



  • Mein Vater hat seit 06/18 Hilfe zum Lebensunterhalt (HzL) erhalten.

    dies ist nicht der Beginn der Unterhaltspflicht, sondern

    In 08/18 erhielt ich die Rechtswahrungsanzeige (RWA) und erteilte Auskunft

    erst mit Erhalt der Rechtswahrungsanzeige kann gemäß § 94 Abs. 4 SGB XII kann Unterhalts gefordert werden:


    (4) Für die Vergangenheit kann der Träger der Sozialhilfe den übergegangenen Unterhalt außer unter den Voraussetzungen des bürgerlichen Rechts nur von der Zeit an fordern, zu welcher er dem Unterhaltspflichtigen die Erbringung der Leistung schriftlich mitgeteilt hat.


  • Gemäß BGH-Urteil vom 23.10.2002 (XII ZR 266/99) nehme ich an, dass wegen illoyalverspäteter Rechtsausübung die Unterhaltsansprüche, die im März 2020 länger als ein Jahr zurücklagen, nach allgemeinen Grundsätzen verwirkt sind (s. §§ 1585b III, 1613 II Nr. 1 BGB). Liege ich da richtig?

    grundsätzlich ja, die Frist ist jedoch verdammt eng, da wage ich keine klare Aussage

  • In04/19 wurde ein Antrag auf Gewährung von Grundsicherung für meinen Vatergestellt. Dieser wurde 11/19 positiv beschieden, so dass meinem Vater nunmehrGrundsicherung nach Kap. 4 SGB XII gezahlt worden ist. Für diese Leistungengalt bereits vor der Gesetzesnovelle vom 01.01.2020 die „Bruttoeinkommensgrenzevon 100.000 €“ i. S. d. § 16 SGB IV, so dass ich mich ab April 2019 nicht mehrin der Unterhaltspflicht sehe. Vom Amt werden jedoch Rückforderungenbis einschl. 01.12.2019 gestellt. Aufgrund der Bearbeitungsdauer bis wurde bis 11/19 auch noch HzL gezahlt. Er erhielt allerdings eine Nachzahlung wegen des gestiegenen Bedarfs. Ist bereits der Zeitpunkt der Antragsstellung 04/19 bzgl. der Rückforderung maßgeblich oder erst der positive Bescheid 11/19?

    es gilt das Datum des gestellten Antrags auf Grundsicherung

  • Ich habe den "Antrag auf Sozialhilfe" 2018 gemeinsam mit meinem Vater beim Sachbearbeiter gestellt. Bei unserem Antrag wurden wir nicht entsprechend §§ 13, 14 SGB I und insbesondere § 11 SGB XII beraten, dass aufgrund der gesundheitlichen Umstände meines Vaters (Schwerbehinderung + Pflegegrad 1) ein Anspruch auf Grundsicherung nach dem 4. Kapitel besteht, auch über die dadurch entstanden Entlastung meiner Unterhaltspflicht wurden wir nicht aufgeklärt. Andernfalls wären die Leistungen von Beginn an anders festzustellen gewesen. Hilft mir das weiter?

    Leistungen der Grundsicherung bzw. HLU beruhen nicht auf Themen der gesundheitlichen Umstände, sondern

    wenn der Unterhaltspflichtige über der 100.000 € lag, dann wird keine Grundsicherung, sondern HLU geleistet

    die Frage in diesem Zusammenhang stellt sich auch, wie alt war der Vater zum Zeitpunkt der Antragsstellung

  • Leistungen der Grundsicherung bzw. HLU beruhen nicht auf Themen der gesundheitlichen Umstände, sondern

    wenn der Unterhaltspflichtige über der 100.000 € lag, dann wird keine Grundsicherung, sondern HLU geleistet

    die Frage in diesem Zusammenhang stellt sich auch, wie alt war der Vater zum Zeitpunkt der Antragsstellung

    Danke für die Antworten!

    Mein Vater liegt immer noch unterhalb des Renteneintrittsalters. Grundsicherung wurde aufgrund einer Erwerbsminderung durch mich 04/19 (als ich etwas schlauer war und von den Unterhaltspflichten erfuhr) explizit beantragt. Diese lag m. M. n. aber auch schon 2018 vor und hätte dem Sachbearbeiter auffallen müssen.

  • Mein Vater liegt immer noch unterhalb des Renteneintrittsalters. Grundsicherung wurde aufgrund einer Erwerbsminderung durch mich 04/19 (als ich etwas schlauer war und von den Unterhaltspflichten erfuhr) explizit beantragt. Diese lag m. M. n. aber auch schon 2018 vor und hätte dem Sachbearbeiter auffallen müssen.

    wenn sich zwischen 2018 und dem Antrag auf Grundsicherung keine Änderung ergeben hat, dann stellt sich mit Recht die Fragestellung, warum wurde nicht gleich Grundsicherung geleistet, sofern der Unterhaltspflichtige finanziell unter der Grenze lag

    einen rechtswirksamen Bescheid anzufechten, nicht so einfach, aus Sicht des Sozialhilferechts

    aus Sicht des Unterhaltsrecht ja, denn Grundsicherung geht vor HLU, sofern die Voraussetzungen gegeben waren, so sieht dies die Rechtsprechung der Zivilgerichte,

    und die sind für diese Fragestellung rechtlich zuständig

  • P.S.: Ich liege (deutlich) unter den 100.000, bei mir greifen die 1.800 bzw. 2.000 Selbstbehalt.

    nach altem (Grundsicherung) und auch bei neuem Recht (alle Leistungen der Sozialhilfe) zählt zuerst die 100.000 € Grenze, die Selbstbehalte werden für die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit herangezogen, sofern über der Grenze

  • wenn sich zwischen 2018 und dem Antrag auf Grundsicherung keine Änderung ergeben hat, dann stellt sich mit Recht die Fragestellung, warum wurde nicht gleich Grundsicherung geleistet, sofern der Unterhaltspflichtige finanziell unter der Grenze lag

    einen rechtswirksamen Bescheid anzufechten, nicht so einfach, aus Sicht des Sozialhilferechts

    aus Sicht des Unterhaltsrecht ja, denn Grundsicherung geht vor HLU, sofern die Voraussetzungen gegeben waren, so sieht dies die Rechtsprechung der Zivilgerichte,

    und die sind für diese Fragestellung rechtlich zuständig

    Okay. Ich habe sogar in der "Terminvereinbarungsmail" mit dem Sozialamt um einen "Termin zu Beantragung von Grundsicherung" gebeten. Leider wurde mir erst einige Monate später klar, dass HzL nicht gleich Grundsicherung ist und ich bei meinem Einkommen bei HzL unterhaltspflichtig bin und bei der Grundsicherung nicht.

  • aus Sicht des Unterhaltsrecht ja, denn Grundsicherung geht vor HLU, sofern die Voraussetzungen gegeben waren, so sieht dies die Rechtsprechung der Zivilgerichte,

    und die sind für diese Fragestellung rechtlich zuständig

    siehe § 94 SGB XII, Übergang von Ansprüchen:


    "Über die Ansprüche nach den Absätzen 1, 2 bis 4 ist im Zivilrechtsweg zu entscheiden."

  • Leider wurde mir erst einige Monate später klar, dass HzL nicht gleich Grundsicherung ist und ich bei meinem Einkommen bei HzL unterhaltspflichtig bin und bei der Grundsicherung nicht.

    ein Laie kann den Unterschied nicht kennen, deswegen auch meine Anmerkung,

    Grundsicherung geht immer vor, zivilrechtliche Rechtsprechung

  • Grundsicherung geht immer vor, zivilrechtliche Rechtsprechung

    aus Urteil des BGH vom 08.07.2015, AZ: XII ZB 56/14



    a) Für den Unterhaltsberechtigten besteht grundsätzlich die Obliegenheit zur Inanspruchnahme von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (§§ 41 ff. SGB XII); eine Verletzung dieser Obliegenheit kann zur Anrechnung fiktiver Einkünfte in der Höhe der entgangenen Leistungen führen.


  • siehe § 94 SGB XII, Übergang von Ansprüchen:


    "Über die Ansprüche nach den Absätzen 1, 2 bis 4 ist im Zivilrechtsweg zu entscheiden."

    Dankeschön, super! Das sind für mich wichtige Punkte, dich mich ermutigen, die Zahlungsaufforderung nicht einfach so hinzunehmen. Ich würde dem Amt dann meine Einwände schriftlich darlegen und auf weitere Schritte seitens des Amts (ggf. Bestreiten des Zivilrechtsweges) warten?

  • Ich würde dem Amt dann meine Einwände schriftlich darlegen und auf weitere Schritte seitens des Amts (ggf. Bestreiten des Zivilrechtsweges) warten?

    so würde ich handeln, ja


    dann abwarten, wie die Reaktion des Sozialamts ist, entweder sie ziehen die Forderung zurück, oder sie reichen Klage ein

  • Ich weiß nicht, ob das Thema hier richtig ist oder auch bereits behandelt wurde.....aber vielleicht passt es ja doch hier herein:


    Rückforderung des Sozialamts von der Enkelin?


    Mein Vater ist im Pflegeheim und die Rente meiner Mutter und meines Vaters reichen nicht zum Leben aus bzw gerade nur zur Tilgung des Eigenanteils an Heimkosten. Daher haben wir nun Sozialhilfe beantragt.

    So weit so gut. Jedoch haben meine Eltern meiner Tochter letztes Jahr ein zinsloses Darlehen in Höhe von 4000€ gewährt, da sie sich ein Grundstück gekauft hat. Zudem hat meine Tochter letztes Jahr zu ihrem Doktortitel von meinen Eltern ebenfalls einen ähnlichen Betrag als Geschenk erhalten. Das Sozialamt fordert nun das gesamte Geld von meiner Tochter direkt zurück. Sie soll das Geld direkt an das Sozialamt zurückbezahlen.

    Meine Frage daher: Laut BGB § 534 sind jedoch Anstandsgeschenke nicht zurückforderbar seitens des Sozialamts oder? Das zinslose Darlehen ist klar, dass meine Tochter zurückbezahlt, jedoch auch nicht im ganzen sofort, sondern eben wie vereinbart in Raten. Kann das Sozialamt den Betrag im Vollen sofort zurückfordern, sodass meine Tochter ggf ein Bankdarlehen aufnehmen müsste? Wie ist es mit dem Doktorgeschenk? Kann man hier gegen das Sozialamt vorgehen? Darf das Sozialamt überhaupt die Daten meiner Tochter einfordern (Gehalt etc.)?

    Vielen Dank für eure Hilfe!

    Man will ja dem Staat nichts schenken ?

  • ob das Thema hier richtig ist

    Ich würde sagen, dieses Thema gehört in einen separaten Thread



    Das zinslose Darlehen ist klar, dass meine Tochter zurückbezahlt, jedoch auch nicht im ganzen sofort, sondern eben wie vereinbart in Raten. Kann das Sozialamt den Betrag im Vollen sofort zurückfordern

    Die Tochter sollte dem SHT mitteilen, dass sie die vereinbarten Raten zahlen wird. Falls der SHT die komplette Summe sofort zurückfordern sollte, wäre die Begründung wichtig, um zu verstehen, warum sich der SHT auf diese Position stellt




    Darf das Sozialamt überhaupt die Daten meiner Tochter einfordern (Gehalt etc.)?

    Falls der SHT sowas einfordert, wäre auch die Begründung wichtig.

    Ob die Tochter sich etwa z.B. auf §529 (2) BGB berufen will:

    "der Beschenkte bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, das Geschenk herauszugeben, ohne dass sein standesmäßiger Unterhalt oder die Erfüllung der ihm kraft Gesetzes obliegenden Unterhaltspflichten gefährdet wird"

  • vielen Dank schon mal an Meg für die Antwort...aber wie siehts damit aus:

    "Laut BGB § 534 sind jedoch Anstandsgeschenke nicht zurückforderbar seitens des Sozialamts oder?" Kennt sich jemand hier im Forum mit diesem § aus? Wer hat Erfahrung damit?

    Vielen lieben Dank.

    (Sorry, wie/unter welchem Titel soll ich ein neues Thread aufmachen?)

  • ...in Höhe von 4000€ ... Zudem hat meine Tochter letztes Jahr zu ihrem Doktortitel von meinen Eltern ebenfalls einen ähnlichen Betrag als Geschenk erhalten


    der SHT wird bestreiten, dass es ein "Anstandsgeschenk" war

    Zitat

    Haufe

    ...ein Widerruf der Schenkung bei Verarmung des Schenkers gem. § 528 BGB ausgeschlossen, somit auch eine Überleitung von Rückforderungsansprüchen. Anstandsschenkungen sind kleinere Zuwendungen wie übliche Gelegenheitsgaben zu bestimmten Anlässen