Kindesunterhalt und Anrechnung von Tilgungsleistungen

  • Hallo zusammen,


    ich habe da eine ziemlich spezifische Frage. Derzeit befinde ich mich in Korrespondenz mit dem Jugendamt Oberhausen, zwecks Unterhaltsneuberechnung. Hinsichtlich der Berechnung hatte ich auf die aktuelle Rechtsprechung "OLG Frankfurt a. M. in / Beschluss vom 14.06.2019 an (8 UF 25/18)" verwiesen. Dort wurde festgelegt, dass Tilgungsleistungen bis hin zur vollen Höhe des Wohnvorteils bei der Berechnung des Nettoeinkommes abzuziehen sind.


    Nun beruft sich das Jugendamt darauf, dass das OLG Frankfurt nicht das OLG Düsseldorf ist. Entsprechend will das Jugendamt diese Rechsprechung nicht anerkennen. So ein Fall wurde ganz offensichtlich erstmals vor dem OLG Frankfurt verhandelt, und bisher noch nicht vor dem OLG Düsseldorf. Die Frage die ich mir stelle: Entscheiden die OLGs tatsächlich verschieden? Order orientieren sie sich bei den Urteilen an denen der anderen OLGs? Letztlich hat das OLG Frankfurt diese Entscheidung auf Basis einer BGH Entscheidung getroffen. Entsprechend sollte doch das OLG Düsseldorf zum selben Ergebnis kommen?


    Danke vorab für jedes konstruktive Feedback dazu.


    Grüße

    Markus


    Bisherige Rechtslage:

    Da eine Vermögensbildung auf Kosten des Unterhaltsberechtigten grundsätzlich nicht stattfinden soll, durfte der Tilgungsanteil nicht vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen abgezogen werden.


    Entwicklung:


    1) 2017 wurde diese Rechtsprechung für den Elternunterhalt aufgelockert (BGH, Beschluss vom 18.1.2017 – XII ZB 118/16 (NJW 2017, 1169)).

    2) Eine weitere Lockerung für den Ehegattenunterhalt wurde im Juli 2018 angedeutet (BGH, Beschluss vom 4.7.2018 – XII ZB 448/17 (NJW 2018, 2638)).

    3) OLG Frankfurt a. M. in / Beschluss vom 14.06.2019 an (8 UF 25/18): Der vom Bundesgerichtshof zum Elternunterhalt aufgestellte Grundsatz, neben den Zinsen auch die Tilgungsleistungen bis zur Höhe des Wohnvorteils vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen abzuziehen, ohne dass dies seine Befugnis zur Bildung eines zusätzlichen Altersvorsorgevermögens schmälert, gilt auch beim Kindesunterhalt, solange und soweit der Mindestkindesunterhalt gedeckt ist.

  • Hallo Markus,


    Nun beruft sich das Jugendamt darauf, dass das OLG Frankfurt nicht das OLG Düsseldorf ist.

    Ein Fakt, der leider zutreffend ist. Auch die Richtlinien der OLG in Deutschland weichen teilweise ab.

    Daher wird dir gegen die Neuberechnung nur eine Klage helfen, die sicher auch Aussicht auf Erfolg haben sollte.

    Ich kenne nicht genau den Juristischen Wert einer Neuberechnung, sollte hier ein Einspruch möglich sein, so geht ab da der Weg, bis zum OLG-Endscheid.


    VG frase

  • Hi,


    in der Tat haben wir unterschiedliche Ansichten von Oberlandesgerichten in den verschiedenen Gerichtssprengeln. Und bitte nicht vergessen, dass diese Entscheidungen immer Einzelfallentscheidungen sind. Ich halte es immer für brandgefährlich, nur die Leitsätze aus einer Einzelfallentscheidung heraus zu nehmen und diese blind auf andere Fälle zu übertragen.


    Gerade rechtsdogmatisch ist der Familienrechtssenat des OLG Frankfurt nicht unproblematisch. Vorsichtig formuliert. Ich habe in dieser Problematik sowieso einen anderen Ansatzpunkt, der m.E. sauberer ist, aber konsequent nur vom OLG München durchgezogen wurde. Nämlich das über Mehrbedarf laufen lassen und dann auf den Einzelfall zu gucken. Und da können dann natürlich regional bedingt erhebliche Unterschiede da sein. Der Mietspiegel/die Hauspreise sind in Nahbollenbach nun mal anders als in München Centrum oder Frankfurt am Main.


    In einer Hinsicht sind sich allerdings alle OLGs einig. Eigentumsbildung darf nicht zu Lasten eines Kindes erfolgen. Wobei diesbezüglich einen Einfluß haben kann, wann dieses Eigentum erworben wurde, ob es schon während des Zusammenlebens mit dem Kind lebensstandartprägend war. Da spielen also ganz viele Faktoren rein. Und - noch eine Überlegung: letztlich geht es in diesen Fällen häufig nur um eine Gehaltsstufe, also um einen Betrag in zweistelliger Höhe monatlich. Da lohnt sie der Aufwand kaum.


    Herzlichst


    TK

  • Danke für eure Sichtweisen dazu.


    Wobei ich annehme, dass es je nach Höhe des Wohnvorteils, welcher Zugrunde gelegt wurde, um durchaus mehr gehen kann, als nur eine Unterhaltsstufe.


    Letztlich bedeutet Unterhalt durchaus einiges an Geld, was da monatlich fließt. Manchmal frage ich mich, ob das tatsächlich alles zu 100% meiner Tochter zugute kommt, oder ein "überschüssiger" Teil in beispielsweise die Finanzierung des Eigenheims der neuen Familie fließt (quasi dann die eigene Vermögensbildung). Soweit ich das beurteilen kann, fehlt es meiner Tochter dort an nichts, was aber eben nicht zwangsläufig bedeuten muss, dass alles an Unterhalt auch für sie investiert wird.


    Ohnehin ist diese Frage leider rein hypothetisch und de-fakto müßig - denn eine transparente Antwort darauf werde ich auch nicht erhalten, sollte ich diese Frage jemals aussprechen. Derjenige bei dem das Kind nicht lebt hat zu zahlen, nach Tabelle - und der Elternteil der den Unterhalt erhält kann darüber nach eigenem Ermessen verfügen. Und je höher der Unterhalt ausfällt, umso höher ist nunmal die Warscheinlichkeit, dass monatlich vom Unterhalt etwas "übrig" bleibt. Ob das Geld wirklich zu 100% dem Kind zukommt interessiert die Justiz leider nicht.


    Grüße

    Markus

  • Hi,


    ich gehöre zu den Elternteilen, die die Kids alleine aufgezogen haben und auch finanziell für die Kids alleine aufgekommen sind. Ich denke, ich kann mir ein Bild davon machen, was Kinder so kosten. Es geht ja nicht nur um Klamotten, Ernährung, Vereinsbeiträge u.s.w., sondern auch um Kalt- und Warmmiete, Strom ...... Ich erinnere mich mit Schrecken an das eine Jahr, in welchem mein Großer durch 3 Schuhgrößen gewachsen ist. Zur normalen Ausstattung kamen da noch die Fußballschuhe dazu. Oder das Jahr, in welchem der Große auf Klassenfahrt in London war, der Kleine in Berlin im Sommer, zum Ski-Fahren im Winter. Obwohl ich immer gearbeitet habe, keine Elternzeit genommen habe, kam der Karrieresprung erst, als der Jüngste so etwa 12 war. Die erforderliche Flexibilität war vorher nicht da. Zu all dem dann noch Betreuungskosten, Horte waren nicht so verbreitet wie heute, und es stand auch immer jemand zur Verfügung, der im Notfall einsprang, natürlich gegen Bezahlung.


    Als die Kinder dann studiumbedingt das Elternhaus verließen, da hatte ich zunächst Angst, wie ich das finanziell stemmen sollte. Ganz ehrlich, da habe ich erst gemerkt, wie viel Kinder kosten. Ich konnte mich wohnungsmäßig verkleinern, näher an meinen Dienstort ziehen, und ja, die Finanzierung des Studiums von beiden fiel mir nicht schwerer als die Rundumversorgung zu Hause.


    Ich denke, dieses Rundumpaket wird kostenmäßig häufig unterschätzt. Man merkt es erst hinterher, wenn sie nicht mehr zu Hause leben.


    Deshalb finde ich die Diskussion über Nachweise wie das Unterhaltsgeld ausgegeben wird, ziemlich müßig.


    Herzlichst


    TK

  • Hallo Markus,


    bedenke auch, das die "Vermögensbildung" der Mutter ja auch nicht zum Nachteil deines Kindes sein muss.

    Ich konnte mich damals mit der Mutter meiner Kinder darauf einigen, einen kleinen Teil des Unterhaltes für die Kinder anzulegen.

    So hatten Sie mit 18 ein kleines Startkapital für Fahrerlaubnis, erstes Auto, erste Wohnung oder was auch immer.

    Das gab mir das Gefühl, über den Einsatz eines Teils meines zu zahlenden Unterhaltes, zu verfügen.

    Da muss man halt drüber reden und es bedarf auch eines guten Vertrauensverhältniss.


    VG frase

  • Hallo,


    ich denke wesentlich gewichtiger als das Urteil des OLG ist das Urteil des des BGH und hier insbesondere die Begründung.


    Hier wird (endlich) einmal das Gesetz so angewendet wie es geschrieben ist! Häufig wird nur von einer einseitigen Vermögensbildung gesprochen und diese sei unzulässig. Das gibt das Gesetz aber nicht her. Diese ist grundsätzlich nicht untersagt, solange ein Unterhaltspflichtiger (UP) der Unterhalt nach seinem Einkommen zahlt. Warum sollte ein UP kein Vermögen bilden dürfen, welches er sogar in schlechten Zeiten für den UB einsetzen müsste?!?

    Das Gesetz sagt eindeutig, eine Vermögensbildung „zu Lasten“ des Unterhaltsberechtigen ist nicht zulässig. Das ist eine gänzlich andere Aussage, die bisher schlicht - wie vieles im Familienrecht - falsch ausgelegt wurde.


    Dazu kann der fiktive Wohnwert eigentlich nie als reale Einnahme erreicht werden.


    Einfache Beispiele:


    1. Die gemietete Wohnung wird zum Kauf angeboten. Miete kalt war Eur 600; Annuität wäre Eur 600. Instandhaltung zahlt UP oben drauf und wird nicht berücksichtigt. Bei gleichen Kosten soll UP nun mindestens 1 Stufe mehr zahlen - bei zwei Kindern inmerhin Eur 50 pro Monat. Warum?


    2. UP erbt bezahltes Haus der Eltern. Marktmiete 1.800 Eur. Es geht bis zu 6 Stufen nach oben, obwohl UP 1.800 Eur gar nicht realisieren kann. Denn in Deutschland ist es üblich Einnahmen zu versteuern und der Höchstsatz von 42% ist bei zusätzlich Mieteinnahmen schnell erreicht. Es wird aber gar kein Steuersatz in der Fiktion berücksichtigt, so das der Wohnvorteil IMMER zu mehr Einkommen führt, als realisiert werden kann.

    3. (Mir bekannter Fall durch ausgedachte Werte ersetzt): UP kann günstig aus der Familie ein Mehrfamilienhaus erwerben (teilw. vorgezogenes Erbe). Mieteinnahmen im Monat 10.000, Zinsen 1.000, Tilgung 4.

    000, Steuern 3.000, Instandhaltung 1.000). Sein Einkommen müsste sich um 1.000 Eur erhöhen, was eine sehr gute Rendite des Erbteils wäre und den Unterhalt auch entsprechend erhöhen würde.


    Es erhöht sich aber nach bisheriger Rechtsprechung um mindestens 5.000 Eur, weil auch die Instandhaltungen nur teilweise herangezogen werden sogar darüber.

    Fazit: Erbe konnte nicht angetreten werden, weil die zu erwartende Unterhaltslast nicht zu stämmen gewesen wäre.


    In keinem dieser Fälle wäre es zu einer Vermögensbildung zu Lasten des UB gekommen, da den Tilgungsleistungen Einnahmen gegenüberstehen. In allen Fällen wäre auf mittlere und erst recht auf lange Sicht der UB zusätzlich abgesichert und es hätte ggf. zu einer angemessenen Erhöhung des Unterhalts geführt.


    Und genau das, und nichts anderes, hat der BGH entschieden und das war lange überfällig. Was in der bisherigen Rechtsprechung verlangt wurde war schlicht eine Unterhaltszahlung aus negativem Vermögen.


    Im Übrigen hat auch das OLG Ddorf seine Unterhaltsrechtlichen Leitlinien angepasst. Allerdings wie zu erwarten war völlig wirr!

    Erst heisst es Annuitäten (und das ist IMMER Zins und Tilgung) sind bis zum Wohnwert/ Mieteinnahmen zu berücksichtigen. Im Verlauf wird dann wieder von Zins und Tilgung nur bei nicht einseitiger Vermögensbildung gesprochen.

    Es scheint fast so, als hätten sie die den Paradigmenwechsel einfach über den alten Passus gelegt.

    Ich würde klagen!


    VG