Die neue Düsseldorfer Tabelle ab 2021

  • Verwandtenunterhalt und Unterhalt nach § 1615 I BGBI. Angemessener Selbstbehalt gegenüber den Eltern:

    Dem Unterhaltspflichtigen ist der angemessene Eigenbedarf zu belassen.Bei dessen Bemessung sind Zweck und Rechtsgedanken des Gesetzes zur Entlastungunterhaltspflichtiger Angehöriger in derSozialhilfe und in der Eingliederungshilfe (Angehörigenentlastungsgesetz) vom 10.Dezember 2019(BGBl I S. 2135) zu beachten


    siehe hier


    eines muss man den Richtern lassen, sie haben Humor :thumbsup:


    damit ist der Kleinkrieg eröffnet, nichts ist mehr, wie es mehr war, alles ist offen

  • Hallo Unikat,


    viel mehr Spielraum für die Kommunen als gedacht, wenn man es negativ auslegen wollte.

    Ich bin gespannt welche Blüten das treibt und auch was dann ANGEMESSEN ist.

    Man kann also nur hoffen, dass eigene Einkommen bleibt unter der Grenze.

    Wer darüber liegt, kann schonmal einen fähigen Juristen suchen.


    Gruß


    frase

  • Hallo Ihr beiden,

    ich hab mich ja aus dieser Diskussion weitestgehend raus gehalten. Ich habs mal angedeutet: ich halte das Gesetz von 2019 für verfassungsrechtlich bedenklich. Offensichtlich bin ich nicht die einzige ......


    Wir müssen wissen, dass wir bei dem überwiegenden Teil unbestimmte Rechtsbegriffe auf der Tatbestandsseite haben, die eben noch auszufüllen sind. Anders geht es rechtsdogmatisch gar nicht. Und, es bleibt ja immer der Hinweis in der DT, dass sie kein Gesetz ist, also keine Rechtskraft entfaltet. Und der Hinweis, dass die Gesetze eben durch die DT nicht ausgehebelt werden.


    Herzlichst


    TK

  • Naja, ob das Gesetzt verfassungsrechtlich bedenklich ist, will ich nicht beurteilen.

    Seit Einführung der GS gilt die Grenze ja schon und diese wurde jetzt nur auf die meißten Sozialfälle ausgeweitet.

    Da sehe ich eher ein Problem in dem Begriff der Angemessenheit der Selbstbehalte.

    Es war ja klar, das die bisher geltenden 2.000€ völlig an der Realität vorbei waren!

    Man hat sich nur nicht getraut den SB deutlich höher zu beziffern.


    Gruß


    frase

  • Na ja, aber ich erlaube mir, das zu beurteilen. Ich hab das Thema jetzt mal als Prüfungsarbeit (Hausarbeit) für einen Studenten ausgegeben. Ich bin gespannt. Die Ungleichbehandlung verschiedener Geldquellen, das "Alles oder Nichts" Prinzip, all das geht doch nicht.


    Sobald wieder ernsthaft an der Hochschule gelehrt werden kann, werd ich das Thema in einem Seminar aufgreifen. Hoffentlich nächstes Sommersemester. Schaun mer mal.


    Herzlichst


    TK

  • Guten Morgen zusammen,


    der Landkreistag NRW prüft zurzeit tatsächlich, ob das AEG verfassungsgemäß ist.

    Grund ist der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus August 2020 zum Bildungspaket für Kinder und Jugendliche, wonach dieses nicht ohne finanziellen Ausgleich den Kommunen übertragen werden durfte.


    LKT NRW begrüßt Urteil zur Stärkung der kommunalen Finanzhoheit - brilon-totallokal.de (brilon-totallokal.de)


    Ich bin jetzt mal gespannt, ob die Leitlinien der Oberlandesgerichte die Düsseldorfer Tabelle konkretisieren.


    Wenn der Selbstbehalt deutlich erhöht wird, nehme ich an, dass im Gegenzug keine Belastungen mehr berücksichtigt werden.

    Das würde die Unterhaltsberechnung dann wiederum deutlich vereinfachen.

  • Ich bin zwar hier im Forum ein Neuling, beschäftige mich jedoch seit langem mit dem Thema Elternunterhalt, insbesondere seit die 100.000 Grenze ins Gespräch kam. Liege im Gegensatz zu meiner Schwester über der Grenze, beide betagten Elternteile beziehen noch keine Sozialhilfe, aber wer weiß was kommt.


    Warum das Angehörigen-Entlastungsgesetz verfassungsrechtlich bedenklich sein soll, kann ich nicht nachvollziehen. Dann wäre nach Meinung meines Anwalts (Sozialrechtler) bereits die Grundsicherung ein Verstoß gegen die Verfassung, denn beides ist rechtlich identisch.

    Kein Gericht ist auf die Idee gekommen, die Grundsicherung als nicht verfassungsgemäß anzusehen, denn Gerichte können bei Zweifeln das Bundesverfassungsgericht anrufen, ist jedoch nicht passiert.


    Bisher wurden hier im Forum auch keine konkreten Gründe genannt, ich würde sie dann gern meinen Anwalt vorlegen

  • Hallo Amadeus,


    hast du den Artikel gelesen?

    Der Bund kann den Ländern oder - wie in diesem Fall - den Kommunen nicht einfach Aufgaben per Gesetz auferlegen, ohne die Finanzierung sicher zu stellen.

    Genau das ist beim Elternunterhalt passiert. Der Übergang des Unterhaltsanspruchs auf den SH-Träger wurde per AEG so gut wie ausgeschlossen, was für die Kommunen mit Einnahmeverlusten und - dank gestiegener Fallzahlen - mit Mehrausgaben verbunden ist.

    Im Fall des Bildungspakets wurde genau dieses Vorgehen als verfassungswidrig erklärt.


    Warum das bei der Grundsicherung nicht so ist, ist einfach zu erklären:

    Die Kosten werden durch den Bund erstattet.


    Was es bedeuten würde, wenn das AEG tatsächlich verfassungswidrig ist? Ich denke mal: eine finanzielle Kompensation an die Kommunen aus Steuermitteln.

    Zumindest läuft schon eine Datenerhebung des LKT bei den Kommunen über die Höhe der Einnahmeausfälle.

  • Ich habe einen ganz anderen Ansatzpunkt. Nämlich die Ungleichbehandlung von Kindern, die direkt zahlen und denen, die gegebenenfalls über das Sozialamt in Anspruch genommen werden. Dann die starren Grenzen, da gibt es ganz viel, wo ich Bedenken habe.


    Und die Anmerkungen zur Düsseldorfer Tabelle zeigen doch, dass ich da nicht alleine bin.


    Herzlichst


    TK

  • Noch in Ergänzung: man sollte sich die Entwicklung der Sozialleistungen mal anschauen. Als unter Schröder die SGBs eingeführt wurden, wurde das ganze System geändert. Vorher hab es nur Sozialhilfe ("Stütze"), die sich aus zwei Komponenten zusammen setzte: den Wohnkosten und einen monatlichen Festbetrag. Behandlungskosten/Krankenhaus kamen noch dazu. Die Unterstützten liefen als Privatpatienten, waren deshalb bei Ärzten außerordentlich beliebt. Alle Bemühungen, die Betroffenen in die preiswertere GKV zu bekommen, scheiterten. Das war im Zusammenhang mit dem oft jahrelang gezahlten ALG I ein Grund, dieses ganze Paket neu zu strukturieren.


    ALG II wurde erfunden, um die Arbeitsagentur in Nürnberg zu entlasten. Da es sich um eine Arbeitslosenleistung handelte, fielen nicht arbeitsfähige aus dem System, blieben beim Sozialamt. Es kam die große finanzielle Entlastung der Kommunen, allerdings blieben die Kosten der Unterkunft in allen Fällen an den Kommunen hängen. Im Gegenzug wurden den Kommunen allerdings erhebliche Mehrausgaben in anderen Gebieten aufgelastet, so dass es seinerzeit im Prinzip bei der "Null-Nummer" blieb. Das geriet beim Bund jedoch so nach und nach in Vergessenheit. Es wurden immer mehr Verpflichtungen geschaffen und auf die kommunale Ebene oder auch die der Länder verschoben, was eigentlich mit dem ursprünglichen Konzept nichts mehr zu tun hatte.


    Ein Beispiel sind die Aufgaben nach dem SGB VIII. Die Jugendämter sind in vielen Kommunen die den Haushalt am stärksten belastenden Ämter.


    Die Bedenken vieler Juristen sind durchaus berechtigt. Wir leben im Föderalismus. Der Grundgedanke ist, dass jedes Land/jede Kommune letztlich in ihrem Kompetenzbereich über die Ausgaben seiner Gelder selbst entscheiden kann. Mal übertragen aufs Zivilrecht: es gibt nur in Ausnahmefällen Verträge zu Lasten Dritter. Also, ich kann mich nicht mit @ frase wirksam dahingehend einigen, dass meine Schulden bei ihm meine Nachbarin abträgt.


    Und dieses Modell wählt der Bund zunehmend. Das mag zwar Wählerstimmen bringen, bringt Leute wie mich aber ins Grübeln. Aber ich halte das Gesetz auch aus anderen Gründen für verfassungswidrig.


    Ich bin ja nun ein Freund unseres Grundgesetzes. M.E. wird es zunehmend weniger beachtet. Hat auch an den Hochschulen nicht mehr den Stellenwert, den es ausbildungstechnisch haben sollte. Sehr schade, das alles.


    Herzlichst


    TK

  • Zur Erinnerung,


    die Zustimming der Bundesländer stand auf der Kippe. Erst die Zusage, das nach einer umfassenden Analyse der Kostenentwicklung auch der Bund bereit sein würde, größere Diskrepanzen abzufedern, ließ einige Länder überzeugen und das Gesetz ging durch den Bundesrat.

    Im Sommer 2020 gab es einen Versuch von Spahn, die Pflegeversicherung umzubauen, Ergebnis offen.

    Der laufende Prozess entspricht also genau den Anmerkungen und es bleibt abzuwarten, wie und ob sich der Bund beteiligt.


    Was generell die Finanzierung der Sozialhilfe angeht, sehe ich die "Besserverdiener" schon gut einbezogen.

    Es kann mir ja auch keiner erklären, warum ich eine steigende Steuerlast tragen soll und dann noch für die Unterdeckung der ständig steigenden Heimkosten aufkommen darf.

    Also, ich kann mich nicht mit @ frase wirksam dahingehend einigen, dass meine Schulden bei ihm meine Nachbarin abträgt.

    Alles eine Frage der Umverteilung.


    Gruß


    frase

  • frase, es bleibt trotzdem dabei, dass in Fällen wie der Heimunterbringung eben eine Regelung zu Lasten Dritter getroffen wurde. Die Länder hatten Bedenken, aber, es ging ja auch nicht um das Geld der Länder, sondern um das der Kommunen.


    Und meine Ansatzpunkt ist ja nicht nur diese Regelung zu Lasten Dritter.


    Herzlichst


    TK

  • Ach du Fee, hab ich wenigstens einen Fan. Du bist mir außerordentlich sympathisch.


    Hier mal nur als Gedankenspiel, wie es m.E. hätte laufen können: Bund erlässt Rahmengesetz, aus welchem sich ergibt, unter welchen Voraussetzungen welche Kosten übernommen werden. So, dann wären wir auf der Landesebene, die Länder müssten sich dann mit den Kommunen zusammen setzen, und da für eine Aufteilung sorgen. Da könnte ich mir eine gemeinsame Verordnung vorstellen, die die finanziellen Vorgaben des Bundes ergänzt, oder hier auf der Ebene auch ein Gesetz. Und erst dann kommen wir in die Kommunen. Das wäre das öffentlich-rechtliche Gerüst. Ob wir dann die familienrechtliche Seite auch durch Gesetz regeln, und wie die Verlinkung sein sollte, dazu, falls hier Interesse besteht, später noch was.


    Herzlichst


    TK

  • Hallo Amadeus,


    hast du den Artikel gelesen?

    Der Bund kann den Ländern oder - wie in diesem Fall - den Kommunen nicht einfach Aufgaben per Gesetz auferlegen, ohne die Finanzierung sicher zu stellen.

    Gartenfee,

    ich habe den Artikel und auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts dazu gelesen

    ich kann durchaus verstehen, wenn die Kommunen sich über die finanzielle Mehrbelastung beklagen, jedoch geht aus dem Urteil eindeutig hervor, es ging um Erweiterung von Aufgaben, dies sei nicht verfassungsgemäß


    durch das Angehörigen-Entlastungsgesetz werden die Aufgaben nicht erweitert, die bleiben wie vorher

    aus dem Urteil

    Die angegriffenen Regelungen haben den materiellen Inhalt der Zuweisung jedoch grundlegend verändert und stellen sich insoweit überwiegend als Zuweisung neuer Aufgaben dar. Das überschreitet die dem Bund nach Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG verbleibende Anpassungskompetenz.


    darum kann ich das Urteil nicht auf die heutige Regelung des Elternunterhalts übertragen


    ist zwar ein interessantes Thema,

    mich interessiert jedoch mehr als potentieller Betroffener, was das Düsseldorfer OLG konkret meint,

    ich werde mal heute Abend meinen Anwalt befragen, bin gespannt auf seine Meinung zur neuen Düsseldorfer Tabelle


  • Amadeus, wir kommen in dem von euch aufgezeigten Bereich in die Lehre vom Streitgegenstand rein. Man müsste m.E. prüfen, ob der Charakter der Zahlungen eben durch das neue Gesetz ein anderer geworden ist. Aber, ich sehe noch etliche andere Punkte, die mich sehr nachdenklich stimmen.


    War schon der Fall, als hier im Forum die Wellen diesbezüglich hoch schlugen. Niemand wollte das hören, ich wurde niedergemacht. Nun ja, jetzt werden meine Bedenken doch von Menschen geteilt, deren jur. Meinung man ernst nehmen sollte.


    Herzlichst


    TK

  • Wir reden hier immer über die neue Höhe des Selbstbehalts nach dem AEG.


    Das AEG regelt aber nur den Anspruchsübergang auf die SH-Träger:

    Erst ab einem Brutto-Einkommen von mehr als 100.000,-- € geht der Unterhaltsanspruch überhaupt auf den jeweiligen SH-Träger über.

    Es wird aber lt. Gesetz vermutet, dass das Einkommen unter der Grenze liegt, so dass kein Anspruchsübergang erfolgt.


    Zu der nach einer Widerlegung der Vermutung vorzunehmenden Unterhaltsberechnung, deren Systematik und der Höhe des Selbstbehalts macht das Gesetz keinerlei Aussage. Das wird wieder einmal Angelegenheit der Gerichte. Die Aussage der Düsseldorfer Tabelle, dass bei der Bemessung des angemessenen Selbstbehalts gegenüber den Eltern "Zweck und Rechtsgedanke" des AEG zu beachten sind, ist mir vieeel zu schwammig. Was weiß ich, was der Gesetzgeber damit will? Da gibt es viele Möglichkeiten (keiner soll mehr zahlen; alle über der Grenze sollen mit den ganzen Einkommen zahlen; alle über der Grenze sollen mit dem Einkommen über der Grenze zahlen etc.).

    Natürlich plädieren die Unterhaltspflichtigen dafür, nur aus dem Einkommen über der Grenze zahlen zu müssen, aber dafür sehe ich in dem Gesetz keinerlei Anhaltspunkte.

    Bis wir ein höchstrichterliches Urteil haben (BGH), wird es dauern. Bis dahin wurstelt jeder SH-Träger vor sich hin.


    Daher bin ich sehr gespannt, ob die Leitlinien der Oberlandesgerichte konkreter werden. und Beträge etc. nennen. Im Januar sind wir da schlauer.



    Amadeus,

    stell dir vor, dein Nachbar erhöht die Miete, die du ab nächstem Monat an deinen Vermieter zahlen musst. Keine Alternative, Umzug etc. möglich.

    Dein Nachbar (Bund) würde mit den Schultern zucken - er muss es ja nicht zahlen. Dein Vermieter (Unterhaltspflichtiger) freut sich.

    Was würdest du als Mieter (Kommune) wohl davon halten?

  • Unterhaltsrechtliche Leitlinie des OLG Koblenz für 2021 zum Elternunterhalt:

    siehe hier

    21.3.3. Gegenüber Eltern beträgt der Selbstbehalt monatlich mindestens 2.000 € (einschließlich 700 € Warmmiete) zuzüglich der Hälfte des darüber hinausgehenden Einkommens.