Wieso mit 100.001 wesentlich schlechter gestellt als mit 70.000?

  • Hallo zusammen,


    Ich bin aktuell aktiv daran, mein Gehalt tunlichst unter 100.00 EUR zu halten. Wie absurd das ist, auch aus Sicht der eigentlichen Befüllung der Sozialkassen, brauch ich sicher nicht erzählen. Warum ich das hier schreibe, das Thema macht mich wahnsinnig. Ich bin 42, meine Frau auch. Wir haben zwei Kids. Wir beide sind fleißig und haben uns alles selbst erarbeitet. Mein Vater ist ein Säufer und Taugenichts. Keine Ahnung, wo der lebt. Er hat unsere Familie verlassen als ich 7 war. Mit dieser Ungewissheit, dass da irgendwann mal das Amt an mein sauer Verdientes ran will, macht mich leider kirre.


    Was ich nicht verstehe ist, wie man es in der Politik verzapft, jemanden mit einem Einkommen von 100.001 € mal eben wesentlich schlechter zustellen, als jemanden mit 70.000€ Das ist doch nicht sozial gerecht. Ich hatte am Anfang immer gedacht, dass nur das was über den 100.000 € liegt teilweise eingefordert werden kann. Dies würde ich auch akzeptieren können. Wenn man mich aber plötzlich schröpft, sobald ich über der Grenze liege, das Gehalt meiner Frau dazu zählt, plötzlich ein Mietvorteil meines hart erarbeiteten Eigenheims dazu kommt usw. usw. dann bekomme ich tatsächlich Wut- und Hassgefühle :cursing:. Ich arbeite ab sofort nur noch 80%. Weitere Karriereschritte sind on-hold, traurig ;(.


    Hier (https://www.n-heydorn.de/elternunterhalt.html) schreibt man zum Beispiel: „Einkommen bis 100.000 € bleiben verschont.“ Das ist doch falsch, oder?


    Irgendwie finde ich zu diesem Thema auch überall andere Infos.


    Viele Grüße Und ein gutes und hoffentlich faires Neues.

    Ich musste mir das einfach mal von der Seele schreiben.


    Steffen

  • Steza

    Hat den Titel des Themas von „Wieso mit 100.001 wesentlich schlechter gestellt als mit 60.000?“ zu „Wieso mit 100.001 wesentlich schlechter gestellt als mit 70.000?“ geändert.
  • Hallo Steffen,


    willkommen zurück hier im Forum.

    Ja, es ist eine ungerechte Lösung.

    Bedenke aber auch, das schon vor dem AEG viele Aspekte als ungerecht betrachtet wurden.

    Das diese Grenze nun eine so große Rolle spielt, ist eben für viele Bürger auch ein Segen.

    Für die deutlich besser Verdienenden bleibt es ja wie vor dem AEG, es hat sich also nichts verändert, könnte man meinen.

    Wir beide sind fleißig und haben uns alles selbst erarbeitet.

    Geanau das Problem sollte mit dem AEG ja gelöst werden, wurde es aber eben leider nicht für alle UHP.

    Wir haben den Prozess der Gesetzgebung hier begleitet.

    Es war in diesem Forum die "Hölle" los, auch schon vorher, als es um die korrekte Berechnung des EU ging, wurden Unmengen an Fragen gestellt und beantwortet. Nach dem 1.1.2020 wurde es hier sehr ruhig, denn nur noch wenige sind von dem Regress betroffen.

    Das hilft dir alles nicht weiter, ich kann deine Verärgerung verstehen.


    Es zeichnet sich aber auch Bewegung bei der Bewertung der Selbstbehalte ab.

    Dazu wurde hier auch diskutiert, denn die Richtlinien der OLG sind noch fragiler geworden.


    Ich sehe es durchaus als Option, sich auf den möglichen Ernstfall vorbereiten zu können.

    Da jeder Fall aber eine Einzelfallentscheidung bleibt, gibt es keine universelle Lösung.


    Gruß


    frase

  • Hey frase,


    Danke für deine Antwort. Auf der eine Seite und für alle UHP unter 100.000 ist es tatsächlich ein Segen. Würde ich 200.000 verdienen, dann wäre es zwar bitter wenn ich sehr viel beisteuern muss aber noch eher verschmerzbar.


    Bei 100.000 in München ist es faktisch nicht mehr lohnend auch nur für 1EUR mehr arbeiten zu gehen. Die Selbstbehalte sind lächerlich niedrig und stehen in keinem Verhältnis zum Einkommen und Lebensstandard. Ich hoffe hier dringend auf Nachbesserung. Auch eine Ehe ist eine Strafe für die Frau bzw. das Schwiegerkind.


    Eigentlich war ich ja immer stolz auf unseren Sozialstaat. Das was man hier abzieht ist aber alles andere als dass. Ich darf nämlich erst einmal für alle bezahlen und dann noch ein zweites Mal und das nicht zu knapp. Dazu kommt, dass dieser ganze Verwaltungsapparat der für mich ausrechnet, was ich bezahlen muss, auch noch von mir bezahlt wird.


    Ganz ehrlich - ich bekomme da ganz böse Gedanken.


    Aber sei es drum ... ich werde mich weiter informieren (müssen) und bestmögliche Vorbereitungen treffen.


    Viele Grüße und alles Gute

    Steza

  • Hi Steza :-),


    die Situation die Du beschreibst ist sehr unschön und ich kann deinen Groll nachempfinden.


    Das wichtigste ist für Dich ist auf einen etwaigen Fall vorbereitet zu sein; sprich die Einnahmen, Ausgaben deiner Familie zu steuern und sich ein tatsächliches Bild deiner Situation im Falle einer möglichen Unterhaltsverpflichtung im Vorfeld zu machen.


    Ein gutes Buch hierzu wäre bspw. von Herrn Jörn Hauss, Elternunterhalt. Vielleicht hilft Dir dies etwas weiter um ggf. gelassener mit der Situation umzugehen. Denn je nach Lebenssituation ist ein möglicher (drohender) Unterhalt ggf. doch final nicht so hoch bzw. besteht mitunter gar nicht. Unterschätze etwaige mögliche Abzugsposition nicht und gerade durch deine beiden Kinder kannst Du ggf. Sonderbedarfe berücksichtigen, die eine Leistungsfähigkeit schmälern können.


    Wichtig wird auch sein wie die OLGs mit neueren Fällen ab 2020 umgehen bei denen ein UHP >TEUR 100 Einkommen hat im Lichte der Selbstbehalte nach dem AEG. Denn hier im Forum wurde diesbezüglich bereits ein neuer Thread eröffnet und es ist auch von Seiten der Gerichte noch offen wie die neue Grenze des Gesetzes bei den Selbstbehalten berücksichtigt wird. Mitunter werden diese zu deinen Gunsten angepasst.


    Viele Grüße


    Scrat

  • Scrat , Danke für deine Antwort.

    Dieses ganze Thema bringt letztlich meine komplette Lebensstrategie aus dem Gleichgewicht. Eigentlich war und ist unser Ziel immer Kredite abzuzahlen, so schnell dies möglich ist. Z.B. den Haus-Kredit. Hier wird man dann ja aber dafür bestraft mit ominösen Mietvorteilen usw. Dass mal eine Heizung nach 15-20 Jahren erneuert gehört und das gleich mal 15 oder 20k kosten kann, nun ja. Auch dass ich mich genötigt fühle meine Karrierebestrebungen zu bremsen, weil es sich einfach nicht lohnt wegen des hohen Risikos. Würde man es tatsächlich so machen, dass man nur das, was über 100k liegt und von diesem netto sagen wir 50%, dann wäre das alles nachvollziehbar und fair. Dann lohnt es sich auch mehr zu tun, denn du hast etwas davon. Auch das was du dir erarbeitet hast, sollte einzig und allein dir gehören.


    Ich prüfe sogar die Möglichkeiten der Auswanderung ... das ist schon sehr bizarr. Aber so ist unser Staat. Gerade die Mitte und obere Mitte wird im Zweifelsfall ausgequetsch bis zum letzten Cent. Mittellose können hier auf meine und aller Steuerzahlerkosten, machen was sie wollen. Den bezahle ich sogar den Anwalt und die Gerichtskosten fü Berufungsverfahren, wenn sie mit dem Ergebnis des ersten Durchgangs nicht zufrieden sind.


    Dafür hasse ich diesen Staat inzwischen - Ist leider echt so aber auch erst in den letzten 2 Jahren so in mir entstanden, sehr sehr bedauerlich.

  • Hallo Steza,


    ich kann deine Verärgerung gut verstehen.

    Hier im Forum werden ja verschieden Ansätze besprochen, das es nicht zum Sozialhilferegress kommen muss.

    Klar ist es für den, der deutlich über der Grenze verdient nicht so einfach, den Regress zu begrenzen.

    Mir ist genau das gleiche passiert, hatte schön mein Eigenheim abbezahlt und dann wurde mit der Wohnwert als Einkommen angerechnet.

    Ehrlich gesagt hatte ich mich aber auf diesen Tag vorbereitet und neben einer weiteren Immobilie, die ich in der Familie verbilligt vermiete noch ein völlig überflüssiges Auto im leasing angeschafft.

    Heute freut sich mein Sohn und meine Enkel, über den günstigen Wohnraum, ich habe mich an das fette Auto gewöhnt.

    Klar wurde jedes Jahr was am Haus gemacht, erst eine neue Heizung, dann das Dach erneuert und auch die Fassade wurde verschönert.

    Bis auf den Stress mit dem Amt, welchen ich dann über eine Anwältin laufen ließ, hat sich mein Leben nicht verschlechtert.


    Welchen Weg du gehst, das kannst du vorher schon überlegen.

    Alles was vor der RWA lief, wurde vom Amt anerkannt, sogar ein Privatkredit in der Familie.

    Vertrag, Zahlungsbelege und das war es dann.


    Gruß


    frase

  • Bei der Null-Zins Politik "lohnt" es sich, vielleicht auch anständig Schulden zu machen und nicht alles gleich ab- oder Sofort-Zahlen. Ich konnte damals (Pre-2020) die geschätzte Leistung dadurch fast halbieren. Und bevor man die 100.000 überschreitet, kann man mit dem richtigen Arbeitgeber auch entgegenwirken. Arbeitszeitverkürzung oder 20-25% Gehalt "ansparen" für ein Sabbatical-Jahr, etc. Karriere ist toll, aber nicht um jeden Preis.