Kindesunterhalt trotz abgelaufener Frist der Anfechtung durch den rechtlichen Vater

  • Hi,


    ich bitte höflich um einen Rat bzgl. folgender Konstellation.


    Mutter noch verheiratet - Scheidung wird im Laufe des Monats November 2021 vollzogen.


    Zur Geburt des Kindes war die Scheidung weder eingereicht noch in anderer Form anhängig. EIngereicht wurde diese erst im Februar 2021.


    Kind ist im Oktober 2021 - 2 Jahre alt geworden. Weder Vater noch Mutter hat bisher Gebrauch vom Recht zur Vaterschaftsanfechtung gemacht - also Frist abgelaufen, da der noch Ehemann am Tag der Geburt bereits wusste, dass er nicht der biologische Vater des Kindes ist / sein kann.


    Nun will die Mutter, den Erzeuger des Kindes nach der vollzogenen Scheidung zur Vaterschaftsanerkennung bewegen um dann Unterhalt (bzw. Unterhaltsvorschuss) zu beziehen.


    Geht das denn überhaupt noch? ...oder setzt der herrschende Rechtsfrieden (weil Ablauf der 2 Jahre Anfechtungsfrist) dies grundsätzlich außer Kraft - und Unterhaltspflichtig ist ohne Wenn und Aber der noch Ehemann der Mutter des Kindes?


    Bedanke mich vorab herzlich um etwas Licht im Dunkel der Problematik.


    Freundliche Grüße


    Povi

  • Hallo TK,


    naja, dann hab ich mich wahrscheinlich falsch ausgedrückt.


    Es geht nicht um eine Rückforderung. Für das Kind wurden noch keine Unterhaltszahlungen geleistet bisher - von niemandem.


    Nur ist jetzt demnächst der Scheidungstermin und danach soll nun die Unterhaltspflicht geklärt werden - mit dem Erzeuger des Kindes.


    Nur hätte der noch Ehemann (als gesetzlicher Vater) doch in den 2 Jahren Frist die Vaterschaft anfechten müssen, richtig? Nur hat er das nie getan.


    Kann da die Mutter jetzt trotzdem noch an den Erzeuger mit Unterhaltsforderungen herantreten?


    FG Povi

  • Hi,


    weil das Thema so spannend ist möchte ich noch etwas detailierter nachfragen.


    Der rechtliche Vater (noch Ehemann) hat die Anfechtungsfrist nicht genutzt und die 2 Jahre sind rum - nun bleibt er der Vater, dass habe ich verstanden.


    Bald sind die Mutter des Kindes und der rechtliche Vater geschieden......und die Mutter möchte nun noch an den Erzeuger des Kindes herantreten und er soll die Vaterschaft anerkennen.


    Nun habe ich gelesen "Eine Vaterschaftsanerkennung ist unwirksam, solange noch eine andere Vaterschaft besteht (Sperrwirkung)"....


    ...da der bisherige rechtliche Vater seine Vaterschaft nicht angefochten hat und nun Rechtsfrieden herrscht, besteht ja nunmal eine Vaterschaft...somit isses doch eigentlich total sinnfrei, dass der biologische Vater nun noch die Vaterschaft anerkennt, richtig? Denn es besteht ja eine Vaterschaft....und diese nun bis frühestens zur Volljährigkeit des Kindes.


    Habe ich das so richtig vesrtanden und zusammengefasst?


    In diesem Zusammenhang möchte ich mich nochmal ganz herzlich für die Mühen der Ratgebenden bedanken. Super, dass es euch gibt!!!


    Grüße Povi

  • Hallo Povi

    da der noch Ehemann am Tag der Geburt bereits wusste, dass er nicht der biologische Vater des Kindes ist / sein kann.

    Es geht hier nicht um den Tag der Geburt, sondern um den Zeitpunkt, an den der "juristische Vater" von seiner "Scheinvaterschaft" Kenntnis erlangt hat.

    Ich verstehe solche Mütter einfach nicht, das Kind wird es ja mal erfahren, dass ist dann immer eine unschöne Situation und bring mächtig Unruhe ins Leben.


    Gruß


    frase

  • um den Zeitpunkt, an den der "juristische Vater" von seiner "Scheinvaterschaft" Kenntnis erlangt hat

    Moin Frase,


    nunja, dies doch aber frühestens ab dem Tag der Geburt, richtig? Also wäre das Kind am 01.10.2019 geboren, ist die Frist zur Anfechtung für mein Verständnis am 01.10.2021 abgelaufen, richtig?


    Und das der juristische Vater und noch Ehemann am 01.10.2019 von seiner Scheinvaterschaft Kenntnis erlangt hat steht unstrittig fest, da seit mehreren Jahren getrennt lebend (aber quasi als Nachbarn - also Schwangerschaft und Geburt hat er mitbekommen) und null Interesse an Intimität - Vaterschaft also ausgeschlossen.


    Ich verstehe solche Mütter einfach nicht, das Kind wird es ja mal erfahren, dass ist dann immer eine unschöne Situation und bring mächtig Unruhe ins Leben.

    Nunja, das Kind hat keinen - also NULL - Kontakt zum juristischen als auch zum biologischen Vater, also hält sich der zu befürchtende "schaden" sicherlich in Grenzen.


    Zur Anfechtung der Vaterschaft kam es nicht, da dies einfach nicht bekannt war, dass es diese Frist überhaupt gibt.


    Juristischer Vater und auch Mutter waren/sind der Meinung, wenn jetzt die Ehe geschieden wird, dann kann ja der biologische Vater die Vaterschaft anerkennen und unterhaltsmäßig zur Verantwortung gezogen werden. Aber dem ist nun nicht mehr so, da die 2 Jahre rum sind, richtig?


    Grüße vom Povi

  • Hallo Povi,

    Juristischer Vater und auch Mutter waren/sind der Meinung, wenn jetzt die Ehe geschieden wird, dann kann ja der biologische Vater die Vaterschaft anerkennen und unterhaltsmäßig zur Verantwortung gezogen werden. Aber dem ist nun nicht mehr so, da die 2 Jahre rum sind, richtig?

    Nun, es kommt manchmal anders als vermutet.

    Stell dir vor, die Mutter und der juristische Vater sind sich einig und kommen auf die Idee, dass die Zweifel an der Vaterschaft doch erst später aufgetaucht sind. Das wollte ich mit meinem Beitrag einstreuen.


    Gruß


    frase

  • Hi,


    die ganze Sache ist etwas komplizierter. Es gibt durchaus Fälle, in welchen trotz Kenntnis die Zweijahresfrist nicht greift. Da nunmehr geschieden wird, ist ja mindestens ein Anwalt im Raum. Und der hat nicht hinsichtlich des Kindes beraten? Eigentlich nicht vorstellbar, denn die erste Frage in so Fällen ist doch, ob Kinder da sind. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir noch nicht alles wissen. Vielleicht ist es ja doch irgendwann einmal noch einmal zu Intimitäten zwischen den Eheleuten gekommen.


    Oder ein anderes abgesprochenes Konzept steht dahinter. Aber, spinnen wir mal den Fall so weiter, wie er hier vorgetragen ist. Mutter macht nach Scheidung Unterhalt für das Kind geltend. Beim biologischen Vater, der kann unter Hinweis darauf, dass er nicht der jur. Vater sei, ablehnen. Dann bei der Unterhaltsvorschußkasse. Die lehnt ab, weil Kind ehelich ist, ein Vater da ist. Also macht sie Unterhalt beim Ex-Ehemann geltend. Wahrscheinlich wird er zahlen müssen, es sei denn, es gibt noch irgendwelche Gründe, die es ihm unzumutbar machen, Unterhalt zu zahlen, obwohl die Zweijahresfrist abgelaufen ist. Wenn man da keinen Grund findet, dann wäre eventuell zu prüfen, ob er im Weg des Schadensersatzes den Unterhalt, den er für das Kind zahlt, über einen Schadensersatzanspruch beim biologischen Vater geltend machen kann. So Konstellationen gibt es durchaus, wenn auch selten.


    Nur, eines wird ganz sicherlich nicht funktionieren: die Mutter marschiert nach Scheidung zum biologischen Vater und macht bei dem erfolgreich Kindesunterhalt geltend.


    Herzlichst


    TK

  • Weil die Frage noch nicht beantwortet wurde: Eine jetzt vorgenommene urkundliche Vaterschaftsanerkennung wäre schwebend unwirksam, solange die Vaterschaft des anderen Mannes besteht (ggf. für immer). Sie dürfte nach einem Jahr urkundlich widerrufen werden.


    Die Anfechtungsfrist nach § 1600b BGB hat so viele Lücken, dass man diese oft umschiffen kann. Es sei z.B. darauf hingewiesen, dass auch das Kind anfechtungsberechtigt ist und dies mithilfe eines gesetzlichen Vertreters auch in der Minderjährigkeit vornehmen dürfte. Z.B. während des laufenden Scheidungsverfahrens über einen Ergänzungspfleger des Jugendamtes. Es sei zudem z.B. auf Absatz 6 der Vorschrift hingewiesen, die die Frist für das Kind erneut auslöst. Auch ist der "Zeitpunkt, in dem der Berechtigte von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen" schon Teil von zahlreichen Gerichtsentscheidungen gewesen, die viel Spielraum bieten.


    Dann kommt noch die Volljährigkeit und die nächste Anfechtungsmöglichkeit des Kindes, verbunden mit dem ggf. eintretenden Scheinvaterregress. Der biologische Vater wird hier niemals eine Sicherheit darüber erlangen, dass er nicht doch für das Kind aufkommen muss.

  • Hi,


    auf die vielen Optionen hatte ich ja auch hingewiesen. Die von dir aufgezeigte Option habe ich nicht einbezogen, weil die Scheidung unmittelbar bevorsteht und, dazu müssten ja alle Beteiligte, also zwei Männer, eine Frau, sich einig sein und zum Jugendamt gehen. Und von Einigkeit habe ich hier nichts gelesen.


    Herzlichst


    TK

  • Hi,


    Nun, es kommt manchmal anders als vermutet.

    Stell dir vor, die Mutter und der juristische Vater sind sich einig und kommen auf die Idee, dass die Zweifel an der Vaterschaft doch erst später aufgetaucht sind. Das wollte ich mit meinem Beitrag einstreuen.

    Wahnsinn, so weit habe ich noch gar nicht gedacht.....=O.


    hm...wenn ich so über eure Worte nachdenke.....naklar...


    ...Frau sagt zum noch Ehemann..."Du spielst mit, sonst zahlst DU den Unterhalt für das Kind"....und schon is der Pakt am Laufen. Und das ist sicherlich nur eine mögliche Konstellation von fiesen und teils unvorhersehbaren Möglichkeiten die "eigentlich klare Angelegenheit" doch noch spannend zu gestalten.


    Angenommen es kommt tatsächlich zu solch einer Situation....MUSS denn nicht in jedem Fall vorab die Anfechtung der Vaterschaft durch den juristischen Vater erfolgen???....aber kommen wir dann nicht wieder an den Punkt, dass sich das Gericht dann aufgrund der agelaufenen Frist gar nicht mehr mit der befassen darf oder wird dies immer erst nach bzw. mit dem Einreichen der Vaterschaftsanfechtung geprüft?


    Beste Grüße


    Povi

  • Hi,


    natürlich erfolgt die Vaerschaftsanfechtung zuvor bzw. die Feststellung, dass der biologische Vater tatsächlich der Vater ist, kann man aber in einem Paket abwickeln. Dann kann sogar die Mutter die Vaterschaft anfechten. Es ist in diesen Fällen immer schwierig, festzustellen, was wirklich war. Oft wissen es die Frauen ja auch nicht so genau, oder glauben es ganz sicher zu wissen, ist dann aber doch nicht richtig. Da gibt es viele Variationen. Und wir haben Fälle, in denen der Vater genau weiß, dass er nicht der Vater ist, es ihm aber erst im Fall der Trennung plötzlich auffällt, dass das Kind nicht von ihm ist. Ich erinnere mich an einen Fall, da fiel dem Vater erst bei der Trennung auf, dass sein Sohn wohl einen Japaner als Vater hatte. Das Kind war 14.


    Zwar juristisch alles nicht schwierig, aber auf der tatsächlichen Seite schon.


    Herzlichst


    TK

  • Hi,


    aber dann frag ich mich als juristisch ungebildeter Mensch, was hat die 2-jährige Anfechtungsfrist überhaupt für einen Sinn??


    Und diese Frage ist wirklich ernst gemeint ?(.


    Gruß Povi

  • Hi,


    du sie hat Sinn. Es geht um Rechtsfrieden und Rechtssicherheit. Mal ein Beispiel, dann wird es vielleicht klarer. Ehemann weiß, dass Ehefrau fremd gegangen ist, das Kind nicht das seinige ist. Er hat jetzt zwei Jahre Zeit, um mit der Situation fertig zu werden. Wenn er sich dafür entschieden hat, in der Beziehung zu bleiben, soll er nicht die Möglichkeit haben, die Frau die nächsten Jahrzehnte unter Druck zu setzen. Oder, anderer Fall. Ehefrau hat Geliebten, sie spurt nicht so, wie der sich das vorstellt. Er versucht sie zu nötigen, indem er erklärt, wenn sie ihren Ehemann nicht verlasse, dann werde er erklären, auch das vor xy Jahren geborene Kind sei von ihm. Das Kind soll also gefestigt und behütet mit der Kenntnis beider Elternteile aufwachsen. Ob der Vater dann auch der biologische Vater ist, ist dann irgendwann einerlei, Vater sein ist eben nicht daran gekoppelt. Und - es sind ja auch gesetzlich durchaus Fälle vorgesehen, in welchen ein möglicher Vater auch binnen der zwei Jahre nicht das Recht hat, die Angelegenheit zu klären. Etwa bei einem ONS einer verheirateten Frau, die ansonsten in einer funktionierenden Ehe lebt.


    So, ich hoffe, nunmehr ist alles etwas klarer.


    Herzlichst


    TK

  • Hallo TK,


    danke für Deine Ausführung....manchmal erschrecke ich selber wie einseitig mein Denken ist.


    Nun ist für mich deutlich mehr Licht im Dunkel dieser Angelegenheit.


    Das war/ist echt ein super Austausch hier, vielen Dank an alle.


    Grüße vom Povi

  • Hallo,


    solange dieser Thread noch aktuell ist, möchte ich diesen noch um eine allgemeine Nachfrage erweitern.


    Das Thema "Rechtsfrieden" - wie funktioniert das?


    Ist "Rechtsfrieden" ein Urteil welches von einem Gericht gesprochen werden muss? Kann/muss man sich Rechtsfrieden bescheinigen lassen?


    ....oder ist Rechtsfrieden einfach ein Zustand in dem man meinen kann, sich zu bewegen, bis einer versucht diesen zu stören und dann jedes Mal festgestellt werden muss, ob dieser "Frieden" dem "Angriff" standhält?


    Beste Grüße


    Povi

  • Hi,


    "Rechtsfrieden," ein Konstrukt, welches gedanklich leider viel zu sehr vernachlässigt wird, auch von Fachleuten und in der Lehre. Ich bringe mal Beispiele: du regst dich furchtbar auf, weil von den überragenden Ästen deines Nachbarn auf dein Grundstück im Herbst immer Pflaumen auf dein schönes gepflegtes Auto fallen. Der Nachbar ist uneinsichtig und du klagst. Hat der Staat ein Interesse an diesem Rechtsstreit, oder warum stellt er seinen teuren von ihm subventionierten Justitzapperat zur Verfügung? Dem Staat ist der Ausgang im "Pflaumenfall" einerlei. Aber, er will verhindern, dass der Streit sich so hochschaukelt, dass einer von euch Streithähnen den anderen verprügelt oder anderweitige Gewalt anwendet und hofft, dass durch seine Entscheidung Ruhe einkehrt.


    Anderes Beispiel aus diesem Bereich: du leihst mir 50.000 €. Als du dein Geld zurück haben willst, bestreite ich, jemals Geld bekommen zu haben. Du verklagst mich. Du kannst nicht beweisen, dass dieses Darlehen existiert. Ich bestreite immer noch, es gibt keine Zeugen oder Dokumente. Du kannst auch vor Gericht nicht beweisen, dass dieses Darlehen existiert hat. Ich gewinne das Verfahren. Gerecht ist dieses Ergebnis nicht. Aber nach den Spielregeln der Beweisführung richtig. Der Rechtsfrieden ist (hoffentlich) wieder hergestellt. Auch wenn für dich das Urteil schwer zu verstehen ist.


    Gerade im Familienrecht, wo Verfahren mit hoher Emotionalität geführt werden, ist eben die Herstellung des Rechtsfriedens so sehr wichtig, im Interesse er Kinder. Ein sich Einfügen der Eltern in die neuen Gegebenheiten. Das müssen die Eltern erst lernen. Auch das Unterscheiden von Partnerebene und Elternebene. Auch eine Form des Herstellens von Rechtsfrieden, wenn hier auch noch andere Fakten reinspielen, meist zumindest.


    Ich hoffe, dass dir dieser Einstieg das alles etwas klarer macht. Wenn nicht, dann frag ruhig weiter. Muss ja nicht in diesem Thread sein. Im Unterforum "Vermischtes" weiter unten kannst du gerne einen eigenen Thread aufmachen, ganz losgelöst von speziellen Fragen, wir antworten gerne. Und ganz speziell mir macht es viel Freude, auch mal etwas grundsätzlicher zu werden.


    Herzlichst


    TK