Am Anfang war ein Urteil: BGH vom 12.02.2014 - XII ZB 607/12.
Ein UHP war der Meinung, dass die Elternunterhaltpflicht verwirkt ist, weil er seit Jahrzehnten keinen Kontakt zum UHB hatte und außerdem vom UHB enterbt wurde. Natürlich war der SHT anderer Meinung, der Fall ging durch alle Instanzen zum BGH. Und BGH hat dem SHT recht gegeben, der UHP musste also Elternunterhalt zahlen. Nichts Ungewöhnliches, so ist eben das Gesetzt u.a. der §1611 BGB bzw. seine Auslegung.
ZitatAlles anzeigenMerkur Erstellt: 13.02.2014Aktualisiert: 24.07.2015
Vor über 40 Jahren hat sich der Vater von seinem Sohn abgewandt. Dennoch muss dieser laut Bundesgerichtshof jetzt für seinen Vater zahlen. Das Urteil stößt auf Kritik.
Erwachsene Kinder müssen die Heimkosten von Mutter und Vater selbst dann tragen, wenn die Eltern seit Jahrzehnten jeden Kontakt verweigert haben. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) am Mittwoch entschieden. Ein Beamter aus Bremen muss daher 9000 Euro für das Pflegeheim seines mittlerweile gestorbenen Vaters zahlen. Beide hatten seit über 40 Jahren keinen Kontakt mehr - auf Wunsch des Vaters
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Nach der Scheidung der Eltern 1971 hatten Vater und Sohn noch losen Kontakt. Doch schon das bestandene Abitur des Sohnes ein Jahr später war dem Vater nur ein Achselzucken wert. Annäherungsversuche des Sohnes danach wehrte der Friseur ab, 1998 setzte er schließlich seine Lebensgefährtin als Erbin ein und enterbte sein Kind bis auf den „strengsten Pflichtteil“, wie es im Testament hieß.
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Der Anspruch auf Elternunterhalt sei nicht verwirkt, urteilte der BGH. Der Vater habe sich in den ersten 18 Lebensjahren um sein Kind gekümmert und mit dem Testament nur die ihm zustehenden Rechte wahrgenommen. Die Richter gaben der Stadt Bremen recht, die das Geld eingefordert hatte.
Zu diesem Urteil gab es erwartungsgemäß unterschiedliche Reaktionen
ZitatMerkur Erstellt: 13.02.2014Aktualisiert: 24.07.2015
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach kritisierte den Richterspruch scharf und kündigte eine politische Prüfung an. „Ich persönlich halte dieses Urteil für menschlich nicht nachvollziehbar“, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Donnerstag). Demgegenüber bezeichnete der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Jens Spahn das Urteil als „OK“. Es sei grundsätzlich richtig, wenn Eltern und Kinder füreinander auch finanziell einzustehen hätten.
Also, hat der SHT den Fall gewonnen. Oder har er und die anderen SHT in der Bundesrepublik doch verloren?
Die Politiker der CSU waren der Meinung, dass es so nicht weiter gehen kann.
ZitatBayerische Staatszeitung, 02.09.2016
Bayern will erreichen, dass der Staat erst ab einem Kindeseinkommen von 100 000 Euro zugreifen darf
Als sich die Eltern scheiden ließen, war der Sohn gerade 18 Jahre alt. Ein paar Monate hielt der Vater noch losen Kontakt zu ihm, dann herrschte Schweigen. Jegliche Kontaktversuche seines Sohnes lehnte der Friseur ab. 40 Jahre lang. 1998 verfasste er sein Testament. Darin bedachte er seine neue Lebensgefährtin, den Sohn enterbte er. Dieser solle, so legte der Vater fest, nur den „strengsten Pflichtteil“ erhalten. Einige Jahre später kam der Friseur in ein Pflegeheim, konnte selbst nicht alle Kosten tragen. Darüber wurde auch der Sohn informiert. Allerdings nicht vom Vater, sondern vom Sozialamt Bremen. Ingesamt 9000 Euro Elternunterhalt forderte das Amt, die der Sohn nach mehreren Gerichtsprozessen auch zahlen musste. So hat es vor zwei Jahren und in letzter Instanz der Bundesgerichtshof entschieden. Es war ein Urteil, das in ganz Deutschland für Aufsehen sorgte. „Kinder müssen auch für Rabeneltern zahlen“, lauteten damals die Schlagzeilen in den Zeitungen, gefolgt von heftigen Diskussionen in den sozialen Netzwerken. Die Politik versprach, sich des Themas anzunehmen und das Urteil zu überprüfen. Dabei ist es bisher geblieben.Einen grundsätzlichen Vorstoß unternimmt jetzt jedoch die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU). „Wir wollen mehr Sicherheit für die Angehörigen von Pflegebedürftigen vor finanzieller Überforderung“, sagte Huml der Staatszeitung. „Deshalb wird derzeit eine entsprechende Bundesratsinitiative vorbereitet.“ Ziel sei es, dass sich Kinder von Pflegebedürftigen künftig erst ab einem Jahreseinkommen von mehr als 100 000 Euro an den Pflegekosten beteiligen müssen. „Mit meinem Vorschlag“, so die Ministerin, „unterstützen wir Familien darin, tragfähige Pflegearrangements zu schaffen, indem wir sie von belastenden Fragen des möglichen Sozialregresses und damit verbundenen familieninternen Diskussionen und Sorgen entlasten. Auch Eltern können wir so die Sorgen nehmen, dass sie – sollten sie finanzielle Hilfe in Anspruch nehmen müssen – ihren Kindern auf der Tasche liegen.“
Und so kam es einige Zeit später zum Angehörigen-Entlastungsgesetz. Dieses kann man so und so sehen, manche mögen es, manche kritisieren dieses Gesetz. Fakt ist, dass der SHT Bremen den Fall XII ZB 607/12 zwar gewonnen hat, aber es war ein Pyrrhussieg, weil dieses Urteil dazu geführt hat, dass dieser und andere SHT das Angehörigen-Entlastungsgesetz vor die Nase gesetzt bekommen haben und deren „Elternunterhalt-Einnahmen“ jetzt unterm Strich geringer ausfallen.
Es ist ein Beispiel, wie ein Urteil die Politik und die Gesetzgebung beeinflussen kann. Gerichtsprozesse und Urteile sind wichtig. Die Unterhaltspflichtigen sollen Prozessrisiken behutsam angehen und bewerten. Nicht scheuen aber auch nicht auf gut Glück versuchen. Entsprechende Rechtsschutzversicherung in Betracht ziehen. Sich informieren, nicht die Fassung verlieren. Niederlagen hinnehmen und nochmal und nochmal versuchen.