Unterhalt Kind in Ausbildung

  • Guten Abend,


    folgender Fall. Kind (17 Jahre) ist seit 1.8.22 in Ausbildung. Der bis dato gezahlte Unterhalt (Mangelfall) wurde durch einen gerichtlichen Beschluss festgesetzt und immer bezahlt. Berücksichtigt wurde auch das beim Unterhaltspflichtigen lebende Kind (8 Jahre).

    Eine einvernehmliche Änderung des Unterhalts zwischen den Eltern aufgrund des Ausbildungsbeginn kam nicht zustande. Der Elternteil, bei dem das Kind lebt, schaltete nun das Jugendamt ein und verlangte Auskunft über das Einkommen.


    Die Berechnung ergab einen deutlich höheren Zahlbetrag. Während das Gericht damals einen Wohnvorteil von knapp 13% aufgrund des Zusammenlebens mit dem neuen Partner anrechnete, wurde jetzt ein fiktives hohes Gehalt des Partners angenommen und mit diesem der Unterhaltbedarf des beim Unterhaltspflichtigen lebende Kind deutlich gesenkt. D.h. die Einkommen des Unterhaltspflichtigen und des Partners wurden addiert und der Unterhaltsbedarf prozentual verteilt, sodass der Unterhaltspflichtige nach Abzug des Einkommens des 17jährigen, diesem rund 250 Euro bezahlen muss und dem 8jährigem Kind rund 30 Euro.

    Ist es tatsächlich so, dass der Partner so mit einbezogen wird?


    Bei dem gerichtlichen Beschluss (von 2015), war kein Gehaltsnachweis des Partners nötig. Muss diese Berechnung jetzt so hin genommen werden? Nachvollziehbar ist die unterschiedliche Berechnungsweise nicht.


    Vielen Dank für eine Antwort.

  • Grundsätzlich halte ich die Vorgehensweise in der Berechnung für vertretbar. Sie ist in der gerichtlichen Praxis wenig verbreitet, macht aber inhaltlich Sinn.


    In diesem Fall sehe ich jedoch gute Chancen sich dagegen zu wehren, denn es liegt bereits eine Gerichtsentscheidung vor. Diese kann man nur einvernehmlich oder durch erneute Gerichtsentscheidung abändern. Ein gerichtlicher Antrag ist aber nur zulässig, sofern der Antragsteller Tatsachen vorträgt, aus denen sich eine wesentliche Veränderung der der Entscheidung zugrunde liegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ergibt. Und die sehe ich hier hinsichtlich der Haftungsberechnung für das Kind im Haushalt nicht. Die dortigen Verhältnisse haben sich wahrscheinlich nicht geändert, sodass sie auch nicht neu verhandelt werden könnten. Man spricht von sogenannten präkludierten Tatsachen. Das kann man ruhig auch außergerichtlich schon mal andeuten.


    Lediglich über die Schiene "rechtliche Verhältnisse" sehe ich Chancen auf eine Änderung. Denn es gibt durchaus jüngere Gerichtsentscheidungen, auf die man sich dazu berufen könnte.


    Es ist relativ unwahrscheinlich, dass sich das Jugendamt kurz vor der Volljährigkeit auf diesen gerichtlichen Abänderungsantrag einlässt, insbesondere weil der Unterhaltsanspruch ab der Volljährigkeit durch Einkommensanrechnung wahrscheinlich vollständig entfällt. Das volljährige Kind dürfte recht wenig Interesse daran haben, ab seinem 18. Geburtstag zu einem Anwalt zu gehen und ein von der Mutter und dem Jugendamt angezetteltes Gerichtsverfahren fortzuführen, in dem es nur um ein paar Euro aus der Minderjährigkeit geht, welche dann auch noch an die Mutter abgetreten werden müssen.


    Es ist aber natürlich auch nicht vollständig ausgeschlossen. Wenn ein solcher Antrag einmal gestellt ist, muss man sich selbst einen kostenpflichtigen Anwalt nehmen, um sich dagegen zu wehren. Nur im Falle des vollen Obsiegens hätte man dann am Ende keine Kosten zu erwarten.

  • Ergänzend zu Tabula rasa:

    Unabhängig von der Präklusion sehe ich für die Anrechnung eines fiktiven Gehaltes der Ehefrau keine Grundlage, da die Partnerin keine gesteigerte Erwerbsobliegenheit trifft und Kinder die Lebensverhältnisse ihrer Eltern teilen.

    Der Unterhaltsanspruch und die Haftungsanteile der Eltern gegenüber dem gemeinsamen Kind sind aus dem tatsächlichen Einkommen der Eltern zu ermitteln.

    Es gibt zwar keine Grundlage dafür, dass die Partnerin Angaben zu ihrem Einkommen machen muss, für eine realistische Ermittlung des Unterhaltsanspruchs des gemeinsamen Kindes wäre dies jedoch sinnvoll.

    Das hier angesetzte fiktive Einkommen der Partnerin müsste ja einem Vielfachen des Einkommens des KV entsprechen.

  • Eine Änderung der rechtlichen Verhältnisse sehe ich hier übrigens nicht.

    Nur weil verschiedene Jugendämter nun begonnen haben, die Ansprüche der Kinder des Pflichtigen mit seiner neuen Partnerin auf Grundlage der längst bestehenden gesetzlichen Grundlagen zu berechnen, was schon immer möglich gewesen wäre, kommen solche Fälle ja nun vor Gericht. Dass die Gerichte solche Fälle in der Vergangenheit anders entschieden hätten, möchte ich anzweifeln.

  • Es darf davon ausgegangen werden, dass der Beistand eigenes Einkommen des Kindes berücksichtigen würde, sofern solches erzielt würde.

    Dass mit Eintritt der Volljährigkeit eine Neuberechnung verlangt werden kann, hatte Tabula rasa schon geschrieben.