Schulwahlrecht einmal für immer oder neu?

  • Zu den Schulen:


    In den meisten Ländern hat man insoweit kein freies Wahlrecht, die Grundschule, die in der unmittelbaren Nähe der Wohnung liegt, da ist das Kind anzumelden, bzw. wird von Amts wegen angemeldet. Ausnahmen sind insoweit Privatschulen.


    Ab der 5. Klasse bzw. der 7. Klasse können dann die Eltern mitreden bzw. mitentscheiden. Wir haben zwar insoweit noch in allen Ländern Schulpflicht, klar, aber, die weiterführenden Schulen müssen in der Regel nicht jeden Schüler aufnehmen. Insoweit gibt es landesrechtlich Unterschiede. Deshalb gibt es ja auch die sog. Auffangschulen. Eben, um im Rahmen der Schulpflicht zwar den gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen, aber auch vernünftige, dem Kindeswohl entsprechende Regelungen zu finden, für die es z.B. mehr Zeit braucht.


    Privatschulen, da habe ich ein etwas gespaltenes Verhältnis zu. Einerseits, die Existenz ist durch das Grundgesetz abgesichert, es gibt ganz hervorragende, die eine wichtige Funktion haben. Prima. Aber, es gibt eben auch die anderen mit zweifelhaften Konzepten. Etwa, wenn sich ein Schüler verpflichten muss, mindestens einen Gleichaltrigen aus seinem Umfeld im Zeitraum xy zu missionieren. Oder wenn sich eine Einrichtung nicht von ihrem Gründer distanziert, auch nicht von dessen Lehre, dass vom Rang her der Jude immerhin gleich nach dem deutschen Schäferhund kommt.


    Gerade bei getrennten Eltern sollte man sich auch mit dieser Problematik befassen, gerade wenn vielleicht ein Wechsel zu einer Privatschule ansteht.


    TK

  • Ich empfinde den Wunsch nach Dauerhaftigkeit von Gerichtsentscheidungen als überdehnt, wenn sich die Dauer nicht nur auf den im Gericht beleuchteten Sachverhalt erstreckt, sondern darüber hinaus auch auf einen bei Gericht gar nicht näher betrachteten weiteren Sachverhalt

    Die Lösung für deine Fragen ergibt sich aus zivilrechtlichen Verfahrensgrundsätzen. Und zwar zuvorderst das sog. Prinzip der Parteiherrschaft. Anders als in anderen Rechtsbereichen, entscheidet in diesen Verfahren nicht etwa das Gericht, sondern zunächst die Parteien selbst über Beginn, Gegenstand, Umfang, Verlauf und Beendigung des Verfahrens. Oder vereinfacht gesagt: "Wo kein Kläger, da kein Richter." Das Gericht legt dann den Sachverhalt zugrunde, den die Parteien vortragen, selbst wenn es eigene Zweifel an der Richtigkeit hat. Was von der Gegenseite nicht bestritten wird, gilt als wahr/unstreitig. Wenn also bei einer Meinungsverschiedenheit in einem 1628er-Verfahren beantragt wird, einem Elternteil die Entscheidung zur Schulwahl zu übertragen und die Gegenseite bestreitet dies nicht, dann darf das Gericht nicht aus eigenem Empfinden heraus diesen Antrag auf die gerade anstehende Schulwahl begrenzen, selbst wenn es dies für richtig halten würde. Die Gegenseite müsste dies explizit einwenden und dann erst dürfte das Gericht darüber entscheiden.


    Eine aus Sicht einer Partei schlechte Entscheidung basiert daher fast immer auf eigenem verfahrensrechtlichen Fehlverhalten und nicht auf einer fehlerhaften Annahme des Gerichts.


    Das Gericht trifft in diesen Fällen ohnehin keine Sachentscheidung. Es entscheidet bei ausbleibender Einigung lediglich darüber, welchen Elternteil es für besser geeignet hält, die streitige Entscheidung zu treffen und überträgt diesem dann die Entscheidungskompetenz. Die Übertragung kann mit Beschränkungen oder mit Auflagen verbunden werden (z.B. einer Befristung), darf jedoch dadurch nicht zu einer Sachentscheidung werden (z.B. Übertragung der Kompetenz auf einen Elternteil und gleichzeitiger Anordnung der zu wählenden Schule).

  • Hallo zusammen,


    auf die Gefahr der Wiederholung hin: Vielen Dank für die ausführlichen und differenzierten Antworten.


    Für einen Moment habe ich mich über den Vorwurf, mich zu verfransen, geärgert. Aber der Ärger verfloh dann angesichts der Mühe, die Du, timekeeper , der bei der individuellen Erklärung gegeben hast. Und dann der zusätzlichen Formulierung von Tabula rasa , habe ich verstanden, was Du, timekeeper, zuvor mit anderen Worten ausgedrückt hattest und was genau die Antwort auf meine Frage nach dem: "Wo nehmt ihre eure Antwort her?" war: das Prinzip der Parteiherrschaft in zivilrechtlichen Verfahren.


    Wie schon von timekeeper zu Anfang vermutet, der deswegen nach dem Wortlaut fragte, ergibt sich eure Antwort in Abhängigkeit von den gestellten Anträgen und dann der Gesamtwürdigung / Formulierung erst des Beschlusses / Tenors und dann der Gründe.


    Damit hat sich evtl. für Dritte das Thema im Blog gelohnt, denn daraus können Nichtjuristen lernen:

    Beantragt man das Recht, die Grundschule wählen zu dürfen, und bekommt genau dieses Recht, dann ist die spätere Schulwahl wieder Angelegenheit beider Eltern.


    Beantragt und erhält man das "Recht der Schulwahl" ohne zeitliche und inhaltliche Einschränkung und wird einem dieses Recht als ein Teil der Sorge allein übertragen, dann hat man dieses Recht grundsätzlich auf Dauer, und der andere Elternteil hat vier Jahre später erstmal nichts mitzuentscheiden. Dann muss der andere Elternteil, wenn er mit der sich abzeichnenden Alleinentscheidung nicht einverstanden ist, einen triftigen Grund haben - und dann darauf hoffen, dass das Gericht die frühere Entscheidung ändert und ihm das Recht allein überträgt.


    Für den Fall, dass ein Elternteil im Zuge der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts wegzieht, im selben Zuge auch das Recht der Schulwahl beantragt und sich die Zukunft vorstellt, dass er oder sie auch in 4 oder 6 Jahren weit weg von einem Elternteil leben wird, der mit dem Kind auch keine enge Beziehung hat, dann wäre es schlüssig, das "Recht auf Schulwahl" zu beantragen, und ich hätte kein Gefühl der Überdehnung einer gerichtlichen Entscheidung.


    Für den Fall, dass die Eltern sich vielleicht tatsächlich nur über das pädagogische Konzept der Grundschule streiten (z.B. Walldorf vs. Regelschule), ansonsten aber einen vernünftigen Umgang miteinander pflegen und beide eine intakte Beziehung zum Kind haben, dann sollten sie in ihren gerichtlichen Anträgen einschränkend zum Ausdruck bringen, dass sie einzig in der Angelegenheit "Wahl der Grundschule" Meinungsverschiedenheiten haben, sodass dann der alleinberechtigte nach dem Prinzip der Parteiherrschaft auch noch das übertragen bekommt, was eng umgrenzt beantragt und zum Zeitpunkt der Einschulung auch nur seriös hatte behandelt werden können.


    Trotha hatte mich bestätigt - wer hat das nicht gern? Aber aus dem zivilrechtlichen Verfahrensgrundsatz in Kombination mit dem Wortlaut von Beschluss, Gründen (und Protokoll) kann sich für mich jetzt nachvollziehbar das Gegenteil dessen ergeben, was ich zwischenzeitlich gedacht hatte. Denn zu alterst hatte auch ich mich am Wortlaut orientiert, bevor ich nach einigem Nachgrübeln geglaubt hatte, dass der Wortlaut nicht das Gemeinte ausdrückt. Mein Problem: Das Gericht meinte mit seinem Beschluss etwas anderes, als ich in meinem Kopf konstruiert hatte.


    Finaler Dank. Ab jetzt warte ich ab, ob das Gericht dem Antrag auf Änderung der damaligen Entscheidung aus triftigem Grund folgt.

  • Das Sorgerechtsverfahren wird eigentlich von der Amtsermittlungsmaxime geprägt, der Richter muss / sollte prinzipiell das mildeste zweckmäßige Eingriffsmittel wählen.

    Die Parteimaxime tritt in solchen Verfahren hinter die Amtsermittlungsmaxime zurück.


    Ausgehend davon war ich schon etwas überrascht, als ich den Wortlaut der Entscheidung las.

  • Stimmt, der Hinweis ist korrekt. In Sorgerechtsangelegenheiten gilt der Amtsermittlungsgrundsatz. Dieser dürfte sich in 1628er-Verfahren vor allem dadurch kennzeichnen, dass das Gericht die notwendigen Entscheidungsrundlagen durch schriftliche Äußerungen und mündliche Anhörung der Beteiligten zusammenträgt.

  • Das Sorgerechtsverfahren wird eigentlich von der Amtsermittlungsmaxime geprägt, der Richter muss / sollte prinzipiell das mildeste zweckmäßige Eingriffsmittel wählen.

    Die Parteimaxime tritt in solchen Verfahren hinter die Amtsermittlungsmaxime zurück.

    🙏 Danke. Das hatte ich gefühlt/gemeint, als ich meine Zerrissenheit zwischen „Nicht in die Rechte der Eltern eingreifen“ und Dauerhaftigkeit ausdrücken wollte.


    Die beiden Maximen und ihre Bedeutung waren mir nicht bekannt, und damit fehlten mir die zuvor unausgesprochenen Konzepte, aus denen sich die widerstreitenden Einschätzungen ergeben hatten.

  • Tabula rasa :


    Zur damaligen Entscheidung gab es auch noch ein Anhörungsprotokoll (und umfangreichen Vortrag aus der Vorinstanz). Beide Instanzen haben ordentlich Grundlagen zusammengetragen.


    Aus heutiger Perspektive lese ich alles in Kenntnis der tatsächlichen zwischenzeitlichen Veränderungen, die sich teils abgezeichnet hatten und vorgetragen waren. Da gefällt mir heute eine mildere Entscheidung besser, die sich aber aus der Parteimaxime heraus verstehen lässt.


    Bin ich schlauer geworden!

  • Hallo zusammen,


    nach nochmaliger Lektüre des damaligen Antrags des damals erfolgreichen Elternteils („Entscheidungsrecht über die von der Tochter ab 2018 zu besuchende Schule“) müsste der „wirklich gewollte Wille“ ( timekeeper ) des Gerichts gem. der Parteimaxime auch nur die Übertragung dieses begrenzten Rechts der Grundschule gewesen sein, keine dauerhafte.


    Die Amtsermittlungsmaxime ( Tabula rasa ) im Sorgerechtverfahren war damals auf den Aspekt „Kontinuität“ bzgl. Ort und Freundinnen gerichtet; aus anderen Gründen war das Kindeswohl bei der Schulwahl nicht gefährdet. Deswegen müsste das mildeste Mittel nur die Übertragung der Entscheidung für die Grundschule gewesen sein.


    Ich hätte den (etwas streng formulierten) Hinweis, Antrag und Beschluss zu lesen / zitieren, genauer lesen sollen. Wie sagt der Jurist: „Es kommt drauf an“, hier: was geschrieben stand und damit gemeint war.


    Danke nochmals für die wirklich guten Antworten!