Triftiger Grund Änderung Schulwahl

  • Hallo zusammen,


    ich hatte hier schon Hilfe erhalten, zu verstehen, dass die Übertragung des Rechts der Schulwahl eine dauerhafte ist, sofern nicht im Beschluss Einschränkungen hinsichtlich Dauer oder Inhalt enthalten sind - und hoffe auf neuerlich wertvolles Feedback.

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    Ein Elternteil muss (in Niedersachsen i.d.R. nach vier Jahren) einen triftigen Grund haben (§1696 BGB), will er eine Änderung der gerichtlichen Entscheidung aus der Zeit der Grundschulwahl ändern und das Recht nunmehr auf sich übertragen lassen.


    Dazu sei eine einstweilige Anordnung bei Gericht begehrt, und zwar „schulische Belange zu übertragen“, hilfsweise „das Recht zur Anmeldung an der weiterführenden Schule“.


    a) Liegt ein triftiger Grund vor, wenn der bisher wahlberechtigte Elternteil die Anmeldung am Gymnasium beabsichtigt, obwohl die Klassenkonferenz in der Grundschule die in Niedersachsen nur unverbindliche Schullaufbahnempfehlung „Hauptschule“ in das Protokoll des zweiten Beratungsgesprächs aufgenommen hat und der andere Elternteil eine empfehlungsgemäße Anmeldung an einer IGS oder OBS als vergleichbaren Schulformen wünscht?

    Dabei gelte bislang und vorerst weiter die folgende Umgangsregelung für den Elternteil ohne Schulwahlrecht: Mo. mit Übernachtung auf Di., Di. bis 18h + ab Fr. abwechselnd am Wochenende, also (stark) erweiterter Umgang. Der bisher wahlberechtigte Elternteil ist also stärker betroffen, aber von der Schulwahl auch nicht nur allein.


    (Auch) der wahlberechtigte Elternteil zeige sich pro forma informiert, d.h. er kenne die pädagogischen Konzepte beim Namen und könne benennen, dass das Gymnasium nur optionale Nachmittagsbetreuung biete, die anderen Schulen eine verpflichtende. Das Kind sei unselbstständig und nach Auffassung des bislang wahlberechtigten Elternteils daher nur das klassische Gymnasium mit Noten und Druck dessen Lernfortschritt förderlich, die Konzepte der anderen Schulen seien zu weich.


    Dieser seiner Auffassung widerspricht die Klassenlehrerin, jedoch gebe es außer dem Beratungsprotokoll, das gerade diese abgelehnten Schulformen empfiehlt, keine weiteren Belege bei Gericht für ihre Auffassung.


    Beide Elternteile haben sich gegenseitig die Vor-/Nachteile aufgeschrieben, aber eine Einschaltung eines Mediators wie vom Gericht vor Jahren empfohlen (in den Gründen erwähnt) lehne der bislang wahlberechtigte Elternteil ab.


    Der andere Elternteil befürchtet die Überforderung des Kindes, sein Scheitern und einen Schulwechsel bzw. ein Sitzenbleiben nach einem (Halb-)Jahr mit schlechten gymnasialen Noten.


    b) Liegt ein triftiger Grund vor, wenn zusätzlich der bislang wahlberechtigte Elternteil das bisherige Betreuungsmodell ausdrücklich für die schlechten schulischen Leistungen verantwortlich macht und nur eine Förderung des Kindes nachmittags durch sich selbst an mind. 1 Tag pro Woche mehr für erforderlich hält, um das Kind ausreichend für das Gymnasium zu unterstützen?


    In den vorgerichtlich ausgetauschten schriftlichen Argumenten seien auch solche zum Umgang enthalten gewesen. Der eine Elternteil plädiere pro wöchentlichem Wechselmodell, der bislang wahlberechtigte pro Reduzierung des erweiterten Umgangs. Mediation werde wie oben abgelehnt.


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    Ich sehe in beiden Fällen einen triftigen Grund. Ich sehe in beiden Fällen für den hilfsweisen Antrag nicht, dass sich bei Änderung der gerichtlichen Entscheidung und Anmeldung an der IGS/OBS die Lebensumstände stärker ändern würden als bei Anmeldung am Gymnasium. Im Fall b) bei Anmeldung am Gymnasium und begehrter / vorausgesetzter Reduzierung des Umgangs würden sie sich hingegen ändern - denke ich.


    c) Oder wäre schon die Übertragung des Wahlrechts von einem auf den anderen Elternteil ein Wechsel in den Lebensumständen des Kindes?


    Vielen Dank im Voraus!

  • Hi,


    ich habe es doch schon geschrieben. Wir haben es hier mit unbestimmten Rechtsbegriffen zu tun, die konkret im Einzelfall ausgefüllt werden müssen. Und den Einzelfall kennen wir hier nicht.


    Mal ein Beispiel, welches ich sehr genau kenne: Kind hatte Schwierigkeiten in der Grundschule; wurde für allenfalls Realschule empfohlen. Mutter setzte durch, dass das Kind vorübergehend auf eine Förderschule kam. Warum auf das, was man früher Sonderschule nannte? Dort gab es zwei Lehrer auf 15 Schüler. Förderschule bot diesem Kind + drei weiteren Kindern besondere Einzelförderung bzw. Kleingruppenförderung an, incl. Englischunterricht. Nach drei Jahren waren die Klassen deutlich reduziert, denn gerade Gymnasien nehmen ja fast alles auf, die ersten Klassen sind also überfüllt, einfach damit man später in der Oberstufe noch genug Schüler hat für ein reizvolles Oberstufenangebot. Direktor des Gymnasiums war irritiert, von einer Sonderschule hatte er noch nie einen Quereinsteiger angenommen. Das Kind wurde durchgetestet, genommen, ist prima durch die Schule gekommen, hat studiert, arbeitet heute in der med. Forschung. Also, Grundschule hatte sich gründlich verpeilt, alle anderen externen Ratgeber auch. Und das ist ja kein Einzelfall.


    Was die richtige Entscheidung ist, das können wir hier nicht wissen, genauso wenig, wie das Gericht entscheidet.


    Mir fällt allerdings die für das Kind äußerst unruhige Umgangsregelung auf. Wie soll sich da das Kind altersgemäß und ungestört entwickeln, wie ist da bei einem Kind mit Lernschwächen sicher gestellt, dass es kontinuierlich gefördert wird? Ich habe da so meine Bedenken.


    TK

  • Danke, timekeeper .


    Du hattest mir geholfen zu verstehen, wie ich aus dem Wortlaut eines Beschlusses herauslesen kann, ob das Schulwahlrecht nur begrenzt oder unbegrenzt übertragen wurde. Antwort: nur sehr begrenzt, es braucht auch genaue Lektüre der Antragstexte und Kenntnis von Partei- und Amtsermittlungsmaxime.


    Jetzt wollte ich aber wie Du schreibst am Beispiel meines Falles den unbestimmten Begriff Triftigkeit ausdeuten. Deswegen zwei herantastende Fälle a und b.


    a) Hier sehe ich selbst noch keinen überzeugenden Grund, nur einen ganz guten. Wenn beide Eltern das Kind konträr einschätzen, dann ist die der Hinweis auf eine nicht kindeswohlförderliche Abweichung von einer eben nur unverbindlichen Schullaufbahnempfehlung ein schon recht gutes Argument, aber vielleicht noch nicht gut genug für den Anspruch von 1696.


    b) Die auch Dir ungeeignet erscheinende Umgangsregelung kann nicht durch den nichttriftigen Grund geändert werden, das übertragene Schulwahlrecht müsse dem Elternteil zur Umsetzung seiner Schulwahlvorstellung auch die Änderung (Reduzierung) des Umgangs erlauben.


    Deswegen hat der andere Elternteil einen triftigen Grund, nämlich: die Anmeldung an einer empfohlenen Schule ist ohne Änderung der bestehenden Umgangsregelung möglich, die Anmeldung am Gymnasium nicht, da die ausreichende Unterstützung durch den Elternteil zwingend die Änderung der Umgangsregelung voraussetzt.


    Falls Du zu Frage c) noch ein Wort verlieren könntest? Das ist nicht mehr Triftigkeit, aber im Prozess gerade wichtig. Der Richter sagt, die Übertragung des Alleinentscheidungsrecht zur Wahl der Schule vom bisherigen Elternteil auf den anderen Elternteil würde die Lebensumstände des Kindes verändern, damit die Kontinuität und damit das Kindeswohl beeinträchtigen.

    Die Lebensumstände sind wohl auch wieder ein unbestimmter Rechtsbegriff. Würdest Du auch sagen, durch die Übertragung allein ändern sich schon die Lebensumstände?