Entscheidungsbefugnis

  • Guten Abend, ich hätte gerne eine Einschätzung bzgl. den Konsequenzen nachfolgenden Satzes, wenn man diesen selbst beantragen würde "Die konkrete Ausgestaltung des Umgangsrechts wird dabei nach Maßgabe des § 1684 Abs. 3 (Satz 1) BGB in das Ermessen des Gerichts stellt."


    Ist dies üblich? Gibt man damit nicht sein Recht ab selbst zu entscheiden?

    Ist das nicht ein erhebliches Risiko wenn man den Richter und dessen Tendenzen gar nicht kennt.. . Die Frage beläuft sich auch ob weitere Nachteile entstehen können, bspw. ein Einspruchsrecht verloren geht?


    Bitte um Rückmeldung

    Ich bedanke mich. :thumbup:

  • Gerade im Familienrecht bestehen nur sehr allgemeine Regelungen, eben wegen der umfassenden Elternautonomie, welche auch im Grundgesetz verankert ist.


    Die Eltern können sich einigen wie sie wollen. Schaffen sie das nicht, kann jeder Beteiligte selbstverständlich eine gerichtliche Klärung veranlassen. Und im Gericht ist es halt so, dass ein Richter Entscheidungen trifft, wenn die Beteiligten sich auch dort nicht vergleichen können und jemand die Regelung durch das Gericht beantragt hat. Wie sollte es denn sonst sein?


    Gegen eine erstinstanzliche Entscheidung ist das Rechtsmittel der Beschwerde statthaft.

  • Hi,


    hier meine etwas grundsätzlichen Ausführungen.


    Im Zivilrecht haben wir die Parteimaxime. D.h., das Gericht darf nicht über den konkreten Antrag, der gestellt wurde hinaus gehen, wohl aber drunter bleiben. So, davon gibt es Ausnahmen, z.B. im Familienrecht. Da haben wir, zumindest im Kindschaftsrecht, ein eingeschränktes Amtsermittlungsprinzip. Das Gericht kann also unabhängig vom Antrag eigene Ermittlungen einleiten, allerdings sind dem Grenzen gesetzt. Wenn das Kindeswohl nicht gefährdet ist, dann greift wieder die Parteimaxime. D.h., das Gericht ist an die Anträge gebunden. Und Anträge sollten so konkret sein, dass sich das Gericht damit auseinandersetzen kann.


    Die von dir genannte Bestimmung ist eine "kann" Regelung. Das ist von der Systematik her so die weichste Formulierung, die es gibt. Anders ausgedrückt, das Gericht muss überhaupt nicht was auch immer festlegen. Bei einer Umgangsregelung sollte es möglich sein, substantiiert vorzutragen, wie die Gegebenheiten sind, wann es nicht geht, etwa aufgrund von Arbeitszeiten, anderen familiären Verpflichtungen, auch unter Berücksichtigung der Belange des Kindes. Es wäre also töricht, hier keinen konkreten Antrag zu stellen.


    Der Vollständigkeit halber: der Klassiker, in welchem die Entscheidung über die Höhe eines Anspruchs in das Ermessen des Gerichts gestellt werden kann, das sind Schmerzensgeldansprüche. Aber auch dort häufig in Form der Stufenklage: 1. Festzustellen, dass ein Schmerzensgeldanspruch dem Grund nach besteht;

    2. die Höhe wird dann durch das Gericht oder eben nach Entscheidung über 1. durch die Partei formuliert. Der Antrag wird also erst dann konkretisiert.


    TK

  • Gericht ist es halt so, dass ein Richter Entscheidungen trifft, wenn die Beteiligten sich auch dort nicht vergleichen können und jemand die Regelung durch das Gericht beantragt hat. Wie sollte es denn sonst sein?

    Genau aber ich fragte mich, ob es üblich ist, im Umgangsantrag bevor es überhaupt vor Gericht, zu einem Versuch einer Einigung käme, eben direkt die Ausgestaltung von Amtswegen zu beantragen also dies einer Einigung vorzuziehen.



    Gegen eine erstinstanzliche Entscheidung ist das Rechtsmittel der Beschwerde statthaft.


    Gilt dies auch, wenn man das Gericht quasi ja dann selbst als Entscheidungsträger (sieher oben) beantragt hätte?

  • Ich verstehe nicht genau was du meinst. Wenn du es genau wissen willst, dann ist das Umgangsverfahren ein Amtsverfahren und bedarf keines Antrages, sondern nur einer Anregung. Das Gericht ist daher auch nicht an Anträge gebunden, sondern entscheidet selbst über den Gegenstand des Verfahrens. Es ermittelt von Amts wegen den Sachverhalt und hört dazu auch die Beteiligten an. Eine Entscheidung nach Aktenlage ohne Anhörung, nur auf Basis eines Schreibens eines Beteiligten, wird es nicht geben.


    Die Beschwerde steht demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist.

  • Hi,


    TR, im Prinzip sind wir uns ja einig. Nur, das Amtsermittlungsprinzip befreit ja die Parteien nicht davon, einen substantiierten Antrag zu stellen. Außerdem halte Kires Vorstellung für etwas lebensfremd. Wenn ein Elternteil sein Kind regelmäßig sehen will, dann hat er auch Vorstellungen, wann das geschehen soll und was machbar ist. Das Amtsermittlungsprinzip befreit die Parteien nicht davon, substantiierte Anträge zu stellen. Das Amtsermittlungsprinzip dient lediglich im Streitfall dazu, herauszufinden, was am ehesten dem Kindeswohl entspricht. Die Parteimaxime wird dadurch nicht aufgehoben.


    TK

  • Guten Abend,


    Die Komplexität der Rechtsmaterie ist nicht zu unterschätzen daher an der Stelle ein großes Dankeschön für meine Wissenserweiterung und die fachkompetente Auskunft.

  • Gern geschehen. Noch eine kurze Ergänzung: das (eingeschränkte) Amtsermittlungsprinzip im Zivilrecht haben wir dort, wo man aufgrund bestimmter Konstellationen davon ausgehen, dass ein Mensch betroffen ist, der sich alleine nicht helfen kann und letztlich der Staat mit seiner Fürsorgepflicht helfen muss. Das haben wir bei nicht volljährigen Personen, klar, aber auch bei kranken Menschen oder aber alten. Aber auch in all diesen Fällen gilt die Maxime, dass man nur soweit eingreift, wie es sein muss, um das geordnete Leben des Betroffenen sicher zu stellen.


    TK

  • Aber auch dort häufig in Form der Stufenklage: 1. Festzustellen, dass ein Schmerzensgeldanspruch dem Grund nach besteht;

    2. die Höhe wird dann durch das Gericht oder eben nach Entscheidung über 1. durch die Partei formuliert. Der Antrag wird also erst dann konkretisiert.


    TK

    Nein, Schmerzensgeldansprüche werden selbstverständlich nicht im Rahmen einer Stufenklage geltend gemacht, solche Feststellungsanträge sind eine Erfindung der Schreiberin.


    Ins Ermessen des Gerichtes werden diese dann gestellt, wenn man kein Kostenrisiko eingehen will. Man ist dann jedoch auch nicht beschwert, wenn das Gericht deutlich unter den Erwartungen bleibt.

    Häufig werden aber auch konkrete Höhen geltend gemacht, dies dann aber mit dem entsprechenden Kostenrsiko, aber dann auch mit der Möglichkeit, gegen die Entscheidung Rechtsmittel einlegen zu können.

  • Gern geschehen. Noch eine kurze Ergänzung: das (eingeschränkte) Amtsermittlungsprinzip im Zivilrecht haben wir dort, wo man aufgrund bestimmter Konstellationen davon ausgehen, dass ein Mensch betroffen ist, der sich alleine nicht helfen kann und letztlich der Staat mit seiner Fürsorgepflicht helfen muss.


    TK

    diese laienhafte Darstellung hat nun nicht sehr viel mit der tatsächlichen Rechtslage zu tun.


    Das FamFG unterscheidet schon deutlich die Amtsermittlung und die eingeschränkte Amtsermittlung, erste regelt es im Paragraf 26, zweite im Paragraf 127.


    Allerdings unterscheidet Paragraf 26 dann noch zwischen Untersuchungsgrundsatz und Beibringungsgrundsatz, was hier wohl laienhaft als eingeschränkte Amtsermittlung bezeichnet wird.

  • Kire,


    ich antworte hier öffentlich, einfach weil es der Sinn eines Forums ist, eben nicht nur dem Fragesteller zu helfen, sondern auch anderen Menschen mit ähnlichen Problemen. Wenn ich deine private Anfrage richtig verstanden habe, hat der Anwalt zwar einen konkreten Antrag gestellt, aber in einem Zusatz die Entscheidung in das Ermessen des Gerichts gestellt. Damit wollte er Flexibilität signalisieren. Man wird sich also hoffentlich im Gerichtstermin einigen. Damit weiß das Gericht, auf was man hinarbeiten kann.


    TK