Trennungsunterhalt nach neuer Rechtssprechung des BGH

  • Hallo!

    Ich liege mit meiner Anwältin über Kreuz. Sie möchte den Trennungsunterhalt nach der neuesten Rechtssprechung des BGH vornehmen, bei der beim betreuenden Elternteil ein sogenannter Naturalunterhalt, der sich aus der Differenz zwischen Barunterhalt des nicht betreuenden Elternteils und Bedarf nach dem gemeinsamen Einkommen beider Eltern berechnet.

    Einkommen Vater (nicht betreuend ) : bereinigt 2.800 und Mutter frühpensioniert nachweislich bereinigt 5700,- Euro. 5 gemeinsame Kinder. Die 4 Minderjährigen leben bei der Mutter und der Volljährige seit vier Monaten beim Vater.

    Nach der alten Rechtssprechung steht dem Vater ein Trennungsunterhalt von ca. 1500 Euro zu. Nach der neuen 1xx . Nun ist die neue Rechtssprechung heftig umstritten. Einige OLG folgen. Andere nicht. Für meinen Gerichtsbezirk habe ich keine Rechtssprechung gefunden. Meine Anwältin sagt, dass in meinem Gerichtsbezirk nach der neuen Rechtssprechung gerechnet wird.

    Nun meine Fragen, auf die ich von meiner Anwältin - außer "Die rechnen so!" - keine zufriedenstellende Antwort erhalte. Meine Frage betrifft den vergangenen Unterhalt, bei dem alle 5 Kinder noch bei der Mutter gelebt haben.


    In meinem Gerichtsbezirk steht beim Ehegattenunterhalt für 2023


    15. Unterhaltsbedarf


    15.1 Bedarf nach den ehelichen LebensverhältnissenDer Unterhaltsanspruch des Ehegatten wird bestimmt und begrenzt durch den Bedarfnach den ehelichen Lebensverhältnissen, in den Fällen nachehelichen Unterhalts nachdenjenigen bei der Scheidung. Leistet ein Ehegatte Unterhalt für ein Kind und hat diesbereits die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt (vgl. BGH, FamRZ 2012, 281 Rn. 27),wird das Einkommen vorab um den Kindesunterhalt, das ist der Zahlbetrag, also derTabellenunterhalt nach Abzug von Kindergeld, gemindert, soweit sich daraus nicht einMissverhältnis zum wechselseitigen Lebensbedarf der Beteiligten ergibt (vgl. BGH,FamRZ 1999, 367; FamRZ 2003, 363). Wegen der Behandlung von Erwerbseinkünften des unterhaltsberechtigten Ehegattenaus einer nach Trennung oder Scheidung aufgenommenen oder ausgeweiteten Tätigkeitwird auf das Urteil des BGH vom 13.6.2001 (FamRZ 2001, 986) verwiesen.


    Kein Wort zur Anwendung der Rechtssprechung des BGH aus den Jahren davor! Kein Wort zum Bedarf nach dem beiderseitigen Einkommen oder offenem Naturalunterhalt oder Bezug zu den neueren Urteilen. Würde man das anwenden wollen, hätte man es ja schon reinschreiben können?!

    Selbst wenn man diese Formulierung auch auf den Naturalunterhalt analog anwenden will - obwohl es dem Wortlaut widerspricht und hätte man es gewollt, es auch so formulieren können. Dann kommt mein nächstes Argument.

    Weiterhin wird auf die ehelichen Lebensverhältnisse abgestellt. Die waren sicher nicht so, wie es die neuere Rechtssprechung unterstellt. Denn dann haben die Kinder einen Bedarf von um die 1200 Euro, den die Mutter mit 800 pro Kind aufstockt und sich beim Ehegattenunterhalt abzieht. Nun ist sie nahe dem Selbstbehalt und ich sowieso. Es waren nicht die ehelichen Verhältnisse, dass die Kinder monatlich mit 1200,- versorgt wurden und die Eltern sich auf niedrigstem Niveau versorgt haben! Zweitens führt diese Berechnung nicht zu einem Missverhältnis zum wechselseitgen Lebensbedarf der Beteiligten im Sinne der Leitlinien? Kinder mit 1200,- und je Elternteil 1650 und 1700?

    Wie seht Ihr das?


    Weitere Frage zu dem Thema. Ein großer Anteil am Einkommen meiner Ex macht der Wohnvorteil mit mindestens 1600 Euro aus. Dies sind ja keine real vorhandenen finanziellen Mittel. Rechnet man nun nach der neuen Rechtssprechung des BGH und zieht bei ihrem Einkommen ohne Wohnvorteil - also real existierende und vorhandene Barmittel - den offenen Naturalunterhalt ab, bleiben ihr 200-300 euro. Das ist doch Irrsinn?! Sie liegt weit unter selbst dem notwendigen Selbstbehalt und auch dem Existenzminimum, finanziert aber angeblich den Kindern je 1200,- Unterhalt!


    Könnte man hier argumentativ eine Begrenzung des Abzuges von offenem Naturalunterhalt bis zum notwendigen oder angemessenen Selbstbehalt bei meiner Ex mit Erfolg durchsetzen?


    Ich bin echt verzweifelt und finde keine wirkliche Hilfe, sondern eher Desinteresse!


    Dankeschön

  • Hallo Bigbuster,


    dient die Berechnung deiner Anwältin als Grundlage den Unterhalt außergerichtlich mit der Gegenseite zu klären oder das Thema vor Gericht klären zu lassen?


    Für mich wäre die weitere Vorgehensweise wie folgt:


    - Berechnung zu deinen Gunsten (alte Rechtsprechung) durch deine Anwältin als außergerichtliche Verhandlungsgrundlage mit der Gegenseite

    -> sollte deine Anwältin dem nicht entsprechen würde ich mir eine neue Anwältin/Anwalt suchen


    - Berechnung das Thema gerichtlich zu klären, hier hat deine Anwältin tatsächlich die Aufgabe dich dahingehend zu beraten und auch ihre Erfahrungen einzubringen wie das Gericht entscheiden könnte bzw. in der Vergangenheit entschieden hat. Trotzdem muss sie dich vertreten, d.h. auch ggfs vor Gericht mit der "alten Rechtsprechung" zu deinen Gunsten argumentieren. Sollte sie dies nicht wollen, aufgrund der Erfahrung, dass es nicht zielführend ist, könnte ich sie auch verstehen. Sie möchte evtl. ihren Ruf vor Gericht nicht auf deine Kosten verlieren. Hier solltest du dann auch überlegen ob du einen neuen Rechtsbeistand kontaktierst der vor Gericht auf Basis der "alten Rechtsprechung" argumentieren würde.


    Zu deiner Frage "Könnte man hier argumentativ eine Begrenzung des Abzuges von offenem Naturalunterhalt bis zum notwendigen oder angemessenen Selbstbehalt bei meiner Ex mit Erfolg durchsetzen?" wird dir hier sicher niemand eine Antwort geben können.



  • Hallo Grogu!

    Das sehe ich genauso. Sie will auch in die Vergleichsverhandlung mit der neuen Sichtweise gehen. Obwohl die Gegenseite diese bei der Berechnung des Volljährigenunterhaltes für den bei mir lebenden Sohn nicht anwendet. Die rechnen sowieso vollkommen losgelöst von allen Grundsätzen.

    Ich habe genau so argumentiert. In die Vergleichsverhandlung mit der alten Berechnung gehen und sich großzügig zeigen, in der Hoffnung, dass sie nur noch ein wenig verhandeln, weil sie gar nicht um die neue Berechnung wissen.

    Ich frage mich, wo da noch Verhandlungsraum ist, wenn ich mit dieser Berechnung reingehe!? Es ist schon die zweite Anwältin. Die erste hat das Handtuch geworfen, weil ihr die Gegenseite zu streitsüchtig und nicht lösungsorientiert gewesen ist.

    Grundsätzlich verstehe ich den neuen Ansatz der Berechnung. aber doch nicht mit diesen Werten der Düsseldorfer Tabelle und vor allem bei vielen Kindern sieht man doch, dass das Ergebnis absurd ist. Ein Elternteil ist beim Selbstbehalt. Der betreuende Elternteil rechnerisch bei 300,- real existierenden Mitteln für sich. Jedes Kind bei 1200,- +-

    Das ist doch offensichtlich nicht mit dem Wortlaut vereinbar, der auf die ehelichen Verhältnisse abstellt. Beide Eltern zusammen 1900,- netto und jedes Kind 1200,- . Das heisst, jeder Elternteil hat 300,- weniger als die Kinder.

    Was hältst Du von dem Argument mit den ehelichen Verhältnissen, an denen sich das orientieren soll. Das waren doch nicht unsere ehelichen Lebensverhältnisse!

  • Kann mir jemand sagen, ob der Gedanke aus dem letzten Halbsatz aus meinen aktuellen Leitlinien meines Gerichtsbezirkes sich auf meine Situation anwenden lässt

    "......wird das Einkommen vorab um den Kindesunterhalt, das ist der Zahlbetrag, also derTabellenunterhalt nach Abzug von Kindergeld, gemindert, soweit sich daraus nicht einMissverhältnis zum wechselseitigen Lebensbedarf der Beteiligten ergibt (vgl. BGH,FamRZ 1999, 367; FamRZ 2003, 363). "


    Das sich also meine Ex nicht den kompletten offenen Naturalunterhalt abziehen kann, sondern es eine wertende Veränderung geben muss, weil es sonst zu einem Missverhältnis zum wechselseitigen Bedarf der Beteiligten kommt?!

    Danke

  • Hi,


    ein Vergleich ist allgemein definiert als ein Nachgeben auf beiden Seiten bei nicht geklärter Sach- und Rechtslage. Vereinfacht ausgedrückt: wenn jemandem alles klar ist, dann schließt man keinen Vergleich ab bzw. tritt in keine Vergleichsverhandlungen ein. Eine ganz andere (taktische) Frage ist, wie man verhandlungstechnisch anfängt, wenn ein Vergleich angestrebt wird und welches Ziel man für sich definiert. Das muss man individuell mit sich selbst ausmachen und mit seinem Rechtsberater. Deshalb kann/wird es von mir auch insoweit keine Empfehlung geben.


    TK

  • Hallo!

    Ich wollte keinen Rat für die Erstellung eines Vergleiches, sondern ob dieser Halbsatz aus den Leitlinien auf meinen vorgestellten fiktiven Fall mit der neuen Rechtsprechung bezüglich des Abzugs des offenen "Naturalunterhaltes" anwendbar wäre, um diese wahnwitzige Vorstellung zu begrenzen. Im vorliegenden fiktiven Fall mit 5 Kindern, sind dann beide Eltern ein Sozialfall, während die Kinder mit je 1200 Euro versorgt sind. Völlig absurd und zu Zeiten des Zusammenlebens auch nicht so gelebt. Aber nun wird ja aktuell so gerechnet!