Unterhaltsberechnung bei Selbstständigen

  • Hallo zusammen,


    ich helfe einem Freund, der Kindesunterhalt von EK Unterlagen eines Selbstständigen ausrechnen muss, aber keine Erfahrungswerte besitzt und auch noch kein Seminar zu dem Thema besuchen konnte.

    Hat hier jemand gute Erfahrungen zu und Kenntnisse? Ist hier vlt ein Rechtsanwalt anwesend oder ein langjähriger Unterhaltssachbearbeiter aus dem Jugendamt, der da Fragen beantworten könnte?


    Oder gibt es Seiten, wo man Muster-Berechnungen einsehen kann oder Ansprechpartner, die man kostenfrei anrufen kann?

    Wir sind für jede Hilfestellung dankbar.:)


    VG

    J.

  • Soweit es um Kindesunterhalt oder Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB geht, kann man als Gläubiger die Unterhaltsberechnung kostenlos durch das Jugendamt erstellen lassen.


    Einzige Alternative dazu sind kostenpflichtige Anwälte.


    Einkommensunterlagen von Selbstständigen können aber auch für Jugendamt oder Anwalt durchaus kompliziert sein. Kommt auf den Einzelfall an.


    Allgemeine Antworten und Meinungen bekommt man sicher auch in einem Forum wie diesem hier.

  • Hi,


    ich schreibe es immer wieder. Bei Selbständigen können die Mitarbeiter der JÄ nicht unbedingt weiter helfen, weil die Ausbildung nicht entsprechend ist, man muss nicht nur eine Bilanz lesen können, es kommt natürlich auch auf die Größe des Betriebes an; wird nur eine einfache Einnahmen/Überschussrechnung durchgeführt oder was sonst? Welche Rückstellungen sind erforderlich, wie ist also zu rechnen u.s.w.


    Das kann man nicht über ein Forum und über irgendwelche Abrechnungsprogramme aus dem www ermitteln. Deshalb nur einige Hinweise: bei Selbständigen geht es um das Einkommen der letzten drei Jahre, was Basis für die Ermittlung des zu erwartenden Einkommens ist. Dann muss man die Buchhaltung "lesen" können, sie juristisch einordnen können, da sind ab einem gewissen Umsatz auch fundierte betriebswirtschaftliche Kenntnisse erforderlich, wirtschaftsjuristische, und auch steuerrechtliche.


    Was folgt daraus? Man sollte sich einen Anwalt suchen, der das auch beherrscht, vielleicht in diesen Fällen mit einem Steuerberater, Wirtschaftsprüfer zusammen arbeitet. Dann ist man auf der sicheren Seite, weiß um welche Faktoren der Umsatz zu bereinigen ist.


    TK

  • Oh je! Die Person muss sich natürlich an den Arbeitgeber oder Dienstherrn wenden.


    Alle Mitarbeiter von Jugendämtern haben zumindest schon mal kostenlosen Zugriff auf die unzähligen Themen- und Rechtsgutachten des DIJuF. Dazu sollten natürlich auch entsprechende Wissensdatenbanken, Kommentarliteratur und Berechnungstool vorhanden sein. Unterhaltsberechnungen gibt es schließlich schon immer.


    Ein Jugendamtsmitarbeiter kann keinen Anwalt beauftragen, der für ihn seine Fälle löst. Wenn der betroffene Gläubiger das Jugendamt beauftragt, dann muss das Jugendamt auch den Fall bearbeiten. Und zwar kostenlos in der gleichen Qualität und mit der gleichen Verantwortung wie ein Rechtsanwalt.


    Dass die Jugendämter dies allgemein schlechter beherrschen würden als Anwälte, kann ich auf Basis meiner Erfahrung in diesem Bereich nicht bestätigen.

  • Hi,


    ich bin da extrem JA-Geschädigt. Mein persönlicher Renner ist Umsatz = Gewinn. Reine FamR-Anwälte sind da mitunter besser, aber auch da fehlt oft die Sachkunde. Extrem schwierig ist es oft, abzuschätzen, wie die Buchhaltung zu bewerten ist, betriebswirtschaftlich; ob die dem Standard entspricht oder ob da "getürkt" wurde. Sorry, TR, das Finanzamt und das Hauptzollamt haben da hoch ausgebildete Spezialisten, super bezahlt. Warum bedienen diese Ämter sich nicht einfach der Mitarbeiter der JÄ, um das alles zu bewerten? Verstehe ich nicht. Und nur, weil beide Seiten eine Berechnung von JA/Anwalt akzeptieren, muss sie ja nicht richtig sein.


    Mich stimmt hier in unserem Fall nachdenklich, dass hier offensichtlich ein Laie irgendwelche Unterlagen zusammen klauben will. Die sollten in einem einigermaßen geordneten Betrieb eigentlich sortiert zur Verfügung stehen, sei es elektronisch oder auch ganz altmodisch in Ordnern. Deshalb ab zum Fachmann, im Interesse aller.


    TK

  • Du hast ggf. überlesen, dass es hier um einen Jugendamtsmitarbeiter geht. Dieser kann nicht zum Fachmann, sondern er ist der Fachmann. Er ist in Ausübung seiner Tätigkeit gesetzlich verpflichtet dies zu bearbeiten, wenn dies der Unterhaltsgläubiger wünscht - was offensichtlich der Fall ist.

  • Hi,


    nee, das habe ich überhaupt nicht überlesen. Ja, er ist Fachkraft im Jugendamt, aber nur, weil er das ist, mutiert er nicht zur Fachkraft in allen möglichen Belangen, die in die Unterhaltsberechnungen einfließen. Meine "Fachkraft" bei Selbständigen in so Fällen ist ein Rechtsanwalt, der auch Wirtschaftsprüfer und Steuerberater ist. Immer wieder erstaunlich, was der herausarbeitet, was kein JA-Mitarbeiter oder auch meine Wenigkeit hätte erarbeiten können.


    TK

  • Das freut mich, hilft dem Fragesteller aber nicht. Vielleicht hat diese Person ja aber entsprechende Publikationen veröffentlicht, die man käuflich erwerben kann oder bietet Fortbildungen an.


    Ich habe gerade mal geschaut. Im Kommunalen Bildungswerk Berlin findet im August eine entsprechende Grundlagenschulung für Jugendamtsmitarbeiter statt. Da könnte sich der hier betroffene Jugendamtsmitarbeiter z.B. anmelden.

  • Hi,


    das Problem hier ist doch, dass jetzt Unterlagen zusammengestellt (zusammengesucht) werden sollen, die eigentlich mit einem Griff da sein sollten. Das spricht stark dafür, dass man das einen Spezialisten hinzuziehen sollte. Meist spielen ja auch noch steuerliche Belange rein, man muss eine Bilanz lesen und verstehen können. Ich musste vor nicht allzu langer Zeit einem von mir eigentlich sehr geschätzten Mitarbeiter des JA den Unterschied zwischen buchhalterischem Konto und Bankkonto erklären.


    Man muss als Mitarbeiter des JA und auch als sonstiger Berater (Dienstleister), dazu gehören auch Anwälte, seine Grenzen erkennen. Und allein die gesetzliche Zuweisung einer Aufgabe heißt nicht, dass dieser Beratungsauftrag alle komplizierten Fälle abdeckt. Dafür existiert keine Rechtsgrundlage. Und es ist völlig in Ordnung, dass ein solcher Berater ab einem bestimmten Punkt auch sagt, er könne nichts (mehr) für den Ratsuchenden tun, man solle einen Sachkundigeren hinzu ziehen.


    Die Jugendämter können Standartfälle richtig und gut bedienen. Ganz ohne Zweifel. Aber bei zunehmender (Teil)Selbständigkeit ganz ohne betriebswirtschaftliche Kenntnisse wird es häufig sehr kompliziert. Das ist nun mal Fakt. Und ganz ehrlich, ich wehre mich auch dagegen, in diesen komplizierten Fällen dieses doch wahnsinnig zeitaufwendige Modell vom Steuerzahler finanzieren zu lassen.


    TK

  • Auch wenn du noch zehnmal schreibst, dass ein Spezialist hinzugezogen werden sollte, hat der Jugendamtsmitarbeiter dazu keine Möglichkeit und ist selbst der Spezialist.


    Und auch sonst irrst du. Die Bearbeitungspflicht ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Die Nichtbearbeitung führt genauso wie die Falschbearbeitung zur Schadensersatzpflicht. Der Gesetzgeber ordnet dem Jugendamt dabei nicht nur die Bearbeitung zu, sonder sogar die gerichtliche Vertretung bis hin vor das Oberlandesgericht. Und zwar umfassend in allen Kindesunterhaltssachen. Der Gesetzgeber hat diese Kompetenz entgegen deiner Behauptungen im Übrigen 2013 erst erweitert auf einen größeren Personenkreis im Jugendamt und begründete dies wie folgt:


    "Grund hierfür ist, dass die Jugendämter über die erforderliche Sachkunde zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen verfügen. Die Sachkunde der Jugendämter spricht dafür, die durch sie vertretenen Kinder auch insoweit vom Anwaltszwang zu befreien, als die Vertretung in der Funktion eines Vormundes (§ 1773 BGB) oder Ergänzungspflegers (§ 1909 BGB) erfolgt."


    Vor deutschen Ober- und Bundesgerichten war die Frage der fachlichen Eignung des Jugendamtes in den verschiedensten Bereichen schon Thema und hatte das immer gleiche Ergebnis.


    Auch wenn du hier die Unterhaltsberechnung von Selbstständigen so darstellst, als sei das ein Quantenphysikstudium, so sieht die Realität doch ganz anders aus. Die eigentliche Schwierigkeit liegt allein in der Bereinigung der steuerlichen Einkünfte um eventuell unterhaltsrechtlich anders zu beurteilende Einzelpunkte, z.B. Abschreibungen. Und da sich bei diesem Thema selbst der Bundesgerichtshof nicht einig wird, kann man auch nicht viel falsch machen. Im schlimmsten Fall (und der ist nicht wirklich schlimm), arbeitet der Jugendamtsmitarbeiter auch unterhaltsrechtlich mit den steuerlichen Einkünften.

  • Wenn das so ist, kann es sich der JA-Mitarbeiter als Anwalt des Kindes einfach machen und irgendwelche Bereinigungen gar nicht durchführen. Abwarten, was die Gegenseite macht und dann bestreiten.

  • Genauso ist es! Allerdings wäre dies hier zum Nachteil des Kindes, denn die Bereinigung des steuerlichen Einkommens beim Selbstständigen bedeutet in der Regel eine Erhöhung des unterhaltsrechtlichen Einkommens. Z.B. wenn eine Abschreibung aus Anlagevermögen steuerrechtlich berücksichtigt wird, aber bei der Unterhaltsberechnung nur zur Hälfte (Wert ausgedacht). Ein Selbstständiger, dessen steuerliches Einkommen zur Berechnung herangezogen wird, wird dies deshalb regelmäßig akzeptieren bzw. hat gar keinen Grund zum Streiten.