Kind bei Großeltern, Eltern dagegen

  • Hallo,
    vielleicht kann mir dieses tolle Forum helfen.

    Folgende Situation:

    Mein Neffe (knapp 15 Jahre) hat seit geraumer Zeit (>2 Jahre) große familiäre Probleme zuhause.

    Letztlich ist die Situation zu Hause nicht mehr tragbar, er hält sich an keine Regeln, haut ab, Schulverweis steht im Raum, strafrechtlich in Erscheinung getreten etc.

    Vor Ostern hat er 4 Wochen bei den Großeltern gewohnt, ist dann wieder nach Hause. Nach 2 Wochen ist es so eskaliert, bis er nicht mehr heim kam. Seitdem lebt er bei den Großeltern (seit ca. 12 Wochen durchgängig).
    JA ist informiert und hat "vermerkt", dass der Junge vorübergehend bei den Großeltern lebt.

    Darüber hinaus ist nichts geregelt.

    Die Großeltern bekommen derzeit keinerlei finanziellen Ausgleich, haben keine Vollmacht o.ä.

    Natürlich läuft nicht alles gut, aber er hält sich an die Regeln.


    Jetzt kommt das akute Problem, bzw. meine Frage.

    Die Eltern sind nicht einverstanden, dass der Junge bei den Großeltern lebt. Die Großeltern wären bereit ihn dauerhaft aufzunehmen. Der Junge will eigentlich auch bei den Großeltern bleiben.


    Gibt es eine Möglichkeit zu regeln, dass der Junge bei den Großeltern bleiben darf, und sie einen finanziellen Ausgleich (Kindergeld, Unterhalt) bekommen, auch wenn die Eltern nicht zustimmen. Oder würde dann nur der Weg über einen Rechtsstreit bleiben?


    Die Fronten sind aktuell so verhärtet, dass vernünftige Gespräche kaum möglich sind.
    JA spricht hauptsächlich nur mit den Eltern, verweigert Termine mit den Großeltern, max. Telefonate und verweist immer darauf, dass die Eltern zustimmen müssen.

    Ich würde mich freuen, wenn es hier noch eine Idee oder einen Tipp gibt, wie man diese Situation lösen kann, ohne dass noch mehr Kollateralschäden entstehen.

    Vielen Dank

  • Hi,


    auch dieses tolle Forum hat keine Zauberfeen im Angebot, leider.


    Es ist nicht unbedingt Aufgabe, die Großeltern zu beraten. Grundsätzlich können Kinder ohne gerichtliche Entscheidung auch bei nahen Verwandten leben, wenn denn alle einverstanden sind. Der Ist-Zustand kann also beibehalten werden, solange die Eltern den Zustand dulden. Wenn nicht mehr, müssten sie im Streitfall gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen.


    Zwar ist es grundsätzlich auch möglich, wenn Kinder bei Großeltern leben, dass diese das Kindergeld erhalten. Ob hierzu die Zustimmung der Eltern erforderlich ist, ist mit der Familienkasse zu klären. Nur, das Kind ist ja wohl kaum bei den Großeltern gemeldet, das ist auch ein Problem. Und Unterhalt für ein Kind zu bekommen, dass sich wo auch immer illegal aufhält, da sehe ich auch Probleme. Die Unterhaltsvorschusskasse wird nicht einspringen, kann man nur Unterhalt von den Eltern fordern, und die werden freiwillig bei der Konstellation nicht zahlen.


    Bleibt auch hier nur die gerichtliche Hilfe. Im Rahmen dieses Verfahrens müsste dann auch geklärt werden, auf welcher Basis das Kind in Zukunft bei den Großeltern leben kann. Also, entweder man lässt es so, wie es ist, hofft, dass die Eltern nicht auf Herausgabe klagen, oder aber man klagt selbst, etwa auf Übertragung des Sorgerechts oder von Teilbereichen davon.


    TK

  • Vielen Dank für die schnelle Antwort.
    Damit ich es richtig verstehe, der Wille des Kindes spielt dann hier auch keine Rolle, richtig?

  • Hi,


    doch natürlich spielt der Wille des Kindes auch eine Rolle. Grobe Regel: je älter das Kind ist, desto mehr Gewicht bekommt der eigene Wille. Aber letztlich ist das nur ein Mosaikstein in dem ganzen Compound. Mal eine sehr indiskrete Frage: wie sind denn die Großeltern finanziell gestellt? Und wie die Eltern? Bekommt jemand Bürgergeld oder eine sonstige staatliche Subvention?


    TK

  • Aber er müsste seinen Willen dann deutlich gegenüber dem JA äußern, oder?

    Das Finanzielle ist nicht das vordergründige Problem. Die Großeltern beziehen beide eine Rente, die Eltern haben ein überdurchschnittliches Einkommen, kein Bürgergeld oder staatliche Subvention.
    Mich beunruhigt eher dieser ungeklärte Zustand. Also, dass der Junge nicht gemeldet ist, dass die Großeltern sich nicht richtig "kümmern" dürfen, weil sie ja offiziell nicht mit der Schule sprechen dürfen, keinen Erziehungsbeistand beantragen können, ihn nicht im Sportverein anmelden können o.ä.

    In diesem Schwebezustand ist es einfach nicht so leicht, Struktur und Sicherheit zu geben, die das Kind aus meiner Sicht dringend bräuchte.

  • Okay, dann haben wir da keine Baustelle, was die Sozialbehörden angeht, das wird nämlich oft vergessen. Deshalb meine Frage.


    Wenn man mal ganz objektiv an die Sache ran geht: die Masse aller Entscheidungen sind Alltagsentscheidungen, des täglichen Lebens, die derjenige trifft, bei dem sich das Kind gerade aufhält. Überspitzt formuliert, ist das Sorgerecht gekennzeichnet von ein paar Unterschriften und das wars. Eben der Beitritt zum Fußballverein, Unterschrift für einen Schulwechsel, oder eben eine spezielle ärztliche Behandlung, ist also nicht so wahnsinnig viel.


    Ich würde folgendes anstreben: über eine lokale soziale Stelle, evtl. auch Anwalt mit Mediatorqualifikation versuchen mit den Eltern eine Einigung herbei zu führen. Das sollte aber unter sachkundigem Management geschehen. Und auch nicht das alleinige Sorgerecht anstreben. Es einfach mal versuchen, eine Vollmacht z.B. für schulische Belange zu erhalten. Das ist für die Eltern auch nicht so einschneidend. Und, eine Vollmacht kann jederzeit widerrufen werden. Vielleicht findet man über diesen Weg Zugang zueinander. Ist nicht so einschneidend; keine Schuldzuweisung und nimmt hoffentlich den Eltern das Gefühl, versagt zu haben. Das ist jetzt ganz wichtig.


    Wäre das ein Anfang?


    TK

  • Vielen Dank.

    Das bringt etwas mehr Klarheit. Das mit der Mediation hab ich auch schon überlegt, tatsächlich mache ich mir wenig Hoffnung, dass die Eltern zustimmen, aber es ist einen Versuch wert und evtl. kann man zumindest erreichen, dass sie diesen einen Schritt mitgehen - dann kann man weiter sehen.

    Herzlichen Dank und viele Grüße

  • Eventuell noch ein Hinweis, was wäre, wenn die Großeltern nicht wären oder wollten, was würde das JA dann tun, wenn es in der Familie nicht klappt?


    Das Kind könnte also schon beim Amt seine Sichtweise darstellen, die Schule würde auch das JA informieren, wenn Versäumnisanzeigen laufen und es auch schon erste krimminelle Ansätze gibt. Es ist also im Sinne der Eltern, das sich eine familiäre Lösung findet. Das sollten auch die Eltern erfahren, denn wenn das Kind in eine Einrichtung müsste (betreutes Wohnen etc.), dann wüden die Eltern noch dümmer dahstehen und es kommt auch ein feiner Kostenbescheid.


    In dem Alter ist es immer poblematisch, den richtigen Weg zu wählen. Auch ändern sich die Umstände und Großeltern sollten sich eigenlich nicht um die Erziehung der Enkel kümmern müssen. Es spricht den Eltern auch indirekt die Erziehungsfähigkeit ab und der Jugendliche hat das Gefühl, so komme ich eben durch mit meinen Ideen. Kommunikation ist also der wichtigste Faktor. Großeltern und Eltern sollten da an einem Strang ziehen.


    Gruß


    frase

  • Hallo Timekeeper,


    bräuchte bitte deine Hilfe. Finde deine Ratschläge und Ansichten sehr stichhaltig und hilfreich.


    Ich habe einen Bekannten der etwas verzweifelt ist da seine Ex-Freundin seinen 7 jährigen Sohn alleine bei seinen Eltern übernachten lässt (vorallen in den Ferien). Der Junge möchte nicht dort hin, aber die Kindesmutter droht ihm mit Tablettentzug, so dass das Kind quasi gezwungen wird. Das Problem ist, dass mein Bekannter mit seinen Eltern nichts mehr zu tun hat. Der Freund seiner Mutter hat narzisstische Eigenschaften und kontrolliert mental seine Mutter. Diese hat sich auch für diesen Mann entschieden und gegen Ihren Sohn, als dieser Mann sie vor die Wahl gestellt hat.

    Mein Bekannter hat eine herrvoragende Intuition und Menschenkentnisse, er ist nur leider sehr impulsif und nicht sehr strategisch.

    So wie er diesen Mann beschreibt, ist er nicht wirklich an seinen Enkel interessiert aber ich kann nicht nachvollziehen wieso er so darauf behagt diesen kleinen Jungen mehrere Nächte bei sich schlafen zu lassen. Womahl es nicht sein leiblicher Enkel ist und er sonst auch nicht sehr menschlich wirkt sondern eher manipulativ und hinterhältig. Mein Bekannter war seit 10 Jahren nicht mehr in seinem eigenem Elternhaus auf Gund dieser Person. Seine Mutter ist vollkommen unter seiner Gewalt (psychisch). Meine Frage ist nun: Kann mein Bekannter, der das geteilte Sorgerecht mit seiner Ex Freundin hat, vom Jugendamt verlangen, dass der Junge zumindest nicht alleine bei seinen Grosseltern übernachetet ?

    Dieses Anliegen liegt mir persönlich am Herzen, da ich selbst als Kleinkind sexuell missbraucht worden bin und so wie er mir das Verhalten des Kindes beschreibt und das dieses Mannes, habe ich ein ungutes Gefühl und möchte vorallem diesem kleinen Jungen helfen. Da ich selbst damals leider keine Hilfe erfahren habe.


    Vielen Dank im Voraus für deine Hilfe !


    Viele Grüße

  • Hi,


    erst einmal vielen Dank für die Blumen! Aber bitte nicht vergessen: wir sind hier ein Team, und es werden sich hoffentlich auch noch andere erfahrene Schreiber melden.


    Zunächst eine kleine Korrektur. Es gibt kein geteiltes Sorgerecht. Für welchen Teil des Kindes soll den wer verantwortlich sein, und wird das Kind längs oder quer geteilt? Es gibt nur ein gemeinsames Sorgerecht. Mir ist das "gemeinsam" sehr wichtig, deshalb korrigiere ich da auch immer. Bitte hab insoweit Verständnis.


    Grundsätzlich hat das Elternteil die Entscheidung darüber, wer mit seinem Kind verkehrt/wo sich das Kind aufhält, bei dem sich das Kind gerade aufhält. Darf es also auch bei (Stief)Großeltern abladen, bei der Nachbarin, wo auch immer. Der Vater darf es umgekehrt auch. So, da regulierend einzugreifen, ist schwierig. Ein einfaches "das Kind will nicht," reicht da nicht aus. Meine Kinder wollten auch nur sehr ungern zur Schule ...... Man muss also definitiv nachweisen, dass diese Aufenthalte dem Kindeswohl schaden. Und da fehlen mir hier Anhaltspunkte.


    Was würde ich tun? Sehr genau in mein Kind bei den Umgangszeiten reinhorchen. Das Kind ist in einem Alter, in welchem es sich auch schon präzise artikulieren kann. Nicht zu viel fragen. Denn Kinder sind Weltmeister darin, ihren Elternteilen die Antwort zu geben, die erwartet werden, denn sie wollen ja artig sein. Das ist keine Lügerei. Da ist also viel Geduld und Einfühlungsvermögen gefragt.


    So, was sind das für Medikamente, die das Kind nehmen muss?


    Das Jugendamt kann nur beraten, hat in dem Fall jedoch im Augenblick keinerlei juristische Funktion. Wenn man ein Verbot des Umgangs mit dem Stiefopa durchsetzen möchte, bliebe nur das Familiengericht, und die Erfolgsaussichten sind im Augenblick nicht so furchtbar groß.


    TK