BGH zum Selbstbehalt beim Elternunterhalt

  • BGH X ZR 14/23 Verkündet am: 16. April 2024

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    Zahlreiche Stimmen in der familienrechtlichen Literatur gehen davon aus, dass an der bisher praktizierten Bestimmung des Selbstbehalts gegenüber dem Anspruch auf Elternunterhalt angesichts des Angehörigen-Entlastungsgesetzes nicht mehr festgehalten werden könne. Häufig wird von einem Paradigmenwechsel im Recht des Elternunterhalts gesprochen.

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    Hierbei wird zum Teil der auch vom Berufungsgericht zugrunde gelegte Betrag von 5.000 Euro angeführt, weil dies dem ungefähren monatlichen Nettoeinkommen aus einem jährlichen Bruttoeinkommen von 100.000 Euro entspreche (Erman/Hammermann, 17. Aufl. 2023, § 1603 Rn. 129; Doering-Striening/Hauß/Schürmann, FamRZ 2020, 137, 139; Hauß FamRB 2020, 76, 77;

    Schürmann FF 2020, 48, 57).

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    Gegen solche Vorschläge wird eingewandt, die Übertragung der Jahreseinkommensgrenze von 100.000 Euro auf den Selbstbehalt der Düsseldorfer Tabelle wäre systemwidrig (Hußmann in Heiß/Born, Unterhaltsrecht, 63. Ergänzungslieferung März 2023, 13. Kap. Elternunterhalt und sonstiger Verwandtenunterhalt Rn. 45).


    In der Düsseldorfer Tabelle hat diese Diskussion insoweit Niederschlag gefunden, als sie für den Selbstbehalt gegenüber Eltern seit 2021 nur noch einen "angemessenen" Betrag vorsieht, bei dessen Bemessung Zweck und Rechtsgedanken des Angehörigen-Entlastungsgesetzes zu beachten seien.

    Die Leitlinien der meisten Oberlandesgerichte enthalten eine vergleichbare Bestimmung.

    Die Leitlinien der Oberlandesgerichte Braunschweig, Dresden, Koblenz, Rostock und Schleswig geben weiterhin einen Sockelbetrag an; dieser liegt im Jahr 2024 bei 2.650 Euro.

    Die Leitlinien des Oberlandesgerichts Hamm verhalten sich zu dieser Frage nicht.

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    Der BGH hat den aktuellen Stand der Diskussion um den Selbstbehalt zusammengefasst, ohne eine Entscheidung zu treffen. Musste der BGH auch nicht, da es sich beim Urteil X ZR 14/23 nicht um Elternunterhalt direkt, sondern um Verarmung des Schenkers (UHB) handelt.

    In einem der nächsten Urteile wird der BGH über die Höhe des Selbstbehaltes (zB 5000 Euro) zu entscheiden haben. Der Zeitpunkt einer solchen Entscheidung ist noch nicht bekannt.

  • Auf Seite 10 die Randnunmmer 42 als diskutiere Alternative Grenze für den SB war mir noch gar nicht bekannt.


    Wo wir gerade beim Selbstbehalt und der 5.000 Euro Grenze sind, frage ich mich immer wie die Berechnung sich dann verhält wenn die 5.000 Euro auch wirklich anzusetzen sind und man darüber hinaus Einkünfte erzielt. Bleibt dann die übersteigende Hälfte so wie in den „alten“ Leitlinien auch anrechnungsfrei, um einen Anreiz zur Arbeit zu schaffen usw… davon würde ich ja ausgehen. Aber darüber wird bestimmt als Nächstes gestritten.

  • Leider hat der BGH in einem aktuellen Urteil die Entscheidung zum Mindesteigenbedarf in Höhe von 5.000 Euro, abgeleitet aus der 100.000 € Grenze aus dem AEG, des OLG Düsseldorf erstmal zurück gewiesen und auf die alten Mindestselbstbehalte verwiesen und hält es allerdings für nicht bedenklich, wenn dem UHF 70% Prozent des darüber übersteigenden Betrages zusätzlich verbleiben.


    Gute Zusammenfassung und Erklärung findet man hier:



    https://www.datev-magazin.de/n…im-elternunterhalt-134232

  • Katastrophale Entscheidung. Man will scheinbar wirklich erfolgreiche Kinder für die Fehler ihrer Eltern bestrafen. Die 100.000 Euro-Grenze wurde 2005 für die Grundsicherung (!!!) eingeführt und also seit 20 Jahren nicht hochgerechnet. Jemand der 2005 100.000 Euro verdient hat war vielleicht "reich", heute ist man es sicher nicht.


    Kam die ursprüngliche Entscheidung bzgl. 5000-5500 Euro Selbstbehalt nicht vom OLG München?

  • Und was wäre der aktuelle "Mindesteigenbedarf"?

    das siehst du auch im Text zum Urteil.


    In 2024 zuletzt 2.650 Euro, dies hat man denjenigen Leitlinien der OLG‘s entnommen, die in ihren Leitlinien dazu noch was stehen hatten. Viele Leitlinien haben seit 2021 keinen Betrag mehr genannt sondern verweisen auf den Rechtsstatus des Angehörigen Entlastungs Gesetz AEG

  • Hi Frase,


    zunächst einmal willkommen zurück 😊


    Nach ein paar Nächten darüber schlafen muss man vielleicht erkennen, dass es erstmal diese Auseinandersetzung und den Weg zurück zum OLG benötigt um zu einem späteren Zeitpunkt auch Klarheit zu bringen.


    In dem langen Beitrag von Meg oben, werden ja auch schon zwei Ansichten in den verschiedenen Rechtskommemtaren dargestellt und auf die Möglichkeit der Systemwidrigkeit hingewiesen:


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    Gegen solche Vorschläge wird eingewandt, die Übertragung der Jahreseinkommensgrenze von 100.000 Euro auf den Selbstbehalt der Düsseldorfer Tabelle wäre systemwidrig (Hußmann in Heiß/Born, Unterhaltsrecht, 63. Ergänzungslieferung März 2023, 13. Kap. Elternunterhalt und sonstiger Verwandtenunterhalt Rn. 45).

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    Der BGH hat es nun auch so gesehen, das man nicht zwischen den beiden Welten einfach so hin und her springen kann und sich dann einer Grenze aus dem andren Recht bedient, auch wenn es im Ergebnis natürlich total ungerecht ist und sich da nun was tun muss.! Und dieses tun muss bezüglich der SB ist ja nun erneut eröffnet. Die Richter in Düsseldorf haben ja nicht ohne Grund den Eigenbedarf so hoch angesetzt und nun werden sie schauen was sie mit dem Urteil aus Karlsruhe machen.


    Stand heute können alle nicht zufrieden sein. Ich habe ja auch schon mal angedeutet, dass eine noch „höhere“ Ungerechtigkeit bei dem Vermögen bzw. Schonvermögen entstehen kann. 100 T€ Grenze gerissen dann könnte das Schonvermögen betrachtet werden. Grenze um 1 Euro nicht gerissen und man könnte theoretisch Milliardär sein und müsste nicht zahlen, auch wenn der Milliardär natürlich auch Einkünfte aus seinem Vermögen erheblich erzielen sollte, schon klar aber nur ein Beispiel.

  • Hallo Cookie,


    ich bin ja erst kürzlich zurück und du hast hier schon tolle Infos veröffentlicht, dafür nochmal ein Dankeschön.


    Ich empfand das AEG als einen Segen, es nahm mir und vielen Anderen eine Last. Das es nun nach und nach UHP gibt, die die Grenze reißen ist ja eine logische Konsequenz der Entwicklung. Auch die Heimkosten sind deutlich gestiegen aber auch die Eigenanteile wurden geschliffen und sinken mit Länge des Heimaufenthaltes.


    Jeder der über Einkünfte von über 100.000€ verfügt, sollte sich einen Fachanwalt für Sozialrecht leisten können. Ohne den würde ich nicht mit dem Amt verhandeln. Bedenkt auch, es geht hier um eure Eltern, die Meinung, "warum soll der Staat für deren Heimkosten aufkommen" ist weit verbreitet, der Sozialneid ein Faktor in unserer Gesellschaft.


    Das AEG hat keine grundsätzliche Gerechtigkeit bewirkt, schützt aber schon einen sehr großen Teil von UHP vor dem Regress.


    Gruß frase